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www.rhetorik.ch aktuell: (05. Mar, 2009)

Der Bundesrat und das Bankgeheimnis

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Radio Interview mit Helen Iten Radio Central vom 5 März
Die Diskussion um das Bankgeheimnis in der Schweiz wird die Medien in den nächsten Wochen noch weiter beschäftigen. Es gibt verschiedene Vorstellungen, wie die Schweiz dem Druck der USA begegnen soll: die SP will keinen Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug machen und fordert ein offensiveres Auftreten. Sowohl SP und CVP wollen ein neues Steuerrrecht. Für die SVP ist das Bankgeheimnis nicht verhandelbar, und will bei Drohungen mit Gegenmassnahmen antworten. Der frühere Botschafter Borer will gar gar ein Treffen zwischen Bundesrat und Obama organisieren.
Zweifellos wird die USA den Druck noch verstärken um Steueroasen auszuhebeln. Der Bundesrat wird in heiklen Verhandlungsgesprächen nach Lösungen zu suchen haben. Die favorisierte Variante vieler Politiker ist, dass die Schweiz an allen bisherigen Gesetzen festhält, das Bankgeheimnis nicht angetastet wird, Zinsbesteuerungsabkommen mit weiteren Ländern gemacht werden und Schlupflöcher geschlossen werden. Varianten nach 20 Minuten:
  • Der Begriff "Steuer-betrug" wird nicht mehr eng definiert. So könnte die Schweiz in mehr Fällen Amtshilfe leisten.
  • Für Schweizer und Ausländer würde das Bankgeheimnis bedingt gelten.
  • Die Schweiz leistet auch bei Steuerhinter-ziehung Amtshilfe für Steuerbehörden im Ausland.
  • Die Schweiz bietet automatischen Austausch über Kundenkonti an.
Bei dieser Problematik ist besonders ärgerlich, dass der Bundesrat nach aussen unterschiedliche Lösungen verlauten lässt. Die Exekutive müsste lernen, dass Aussagen und Botschaften koordiniert werden müssen. Von Krisenmanagement ist noch wenig zu verspüren. Es scheint, als würde ein Kapitän mit den wichtigsten Offizieren eines Bootes zusammensitzen und diskutieren, was gemacht werden soll, während dessen Wasser durch ein grosses Leck einströmt. Das Angebot, dass Justizministerin Evelyn Widmer- Schlumpf am 3. März den USA unterbreitet hatte, war im zuständigen Ausschuss des Bundesrates zum Beispiel nicht abgesprochen.
Nachtrag vom 6. März 2009: Aussenministerin Michelin Calmy-Rey hat nach einem Gespräch mit Amtskollegin Hillary Clinton erklärt, dass die Schweiz und die USA den Streit um Bankdaten von US-Kunden bei der UBS nicht weiter anheizen will. Quelle: news.ch.

Der Bundesrat hält daran fest, dass das Bankgeheimnis gewährleistet bleibt. Er will jedoch die Zusammenarbeit mit anderen Staaten bei Steuerdelikten verbessern. Dazu wurde eine Expertengruppe eingesetzt. Quelle: news.ch.
Bundespräsident Hans-Rudolf Merz informierte, mit welcher Strategie die Landesregierung dem massiven Druck begegnen will: Finanzminister Merz wies Vorwürfe zurück, der Bundesrat habe "geschlampt". Obwohl unter Durck beantwortete Merz souverän und mehrsprachig die kritischen Fragen. Im Radio gibt Bundespräsident Merz zu, dass es hinsichtlich Kommunikation im Bundesrat nicht immer gut gelaufen ist. Die Medienkonferenz bestätigte Versäumnisse:
  • Was die Expertenguppe tun muss, hätte schon längst gemacht werden können.
  • Der Finanzminister versprach, dass künftig der Bundesrat die Kommunikation führen wird und der Bundespräsident die Führung hat.
  • Ferner fehlte ein Krisenstab. Der einberufene Ausschuss von drei Bundesräten war kein taugliches Führunsinstrument, denn jeder der Drei konnte sich in diesem Ausschuss verstecken, niemand trug die Verantwortung. Es mangelte an einer Strategie, um das Bankenkundengeheimnis zu verteidigen.
Zum neuen Begriff "schwere Steuerhinterziehung" wollte Merz an der Medienkonferenz nichts wissen: "Es gibt keine schwere Steuerhinterziehung". Die Expertengruppe wurde zum Rettungsring, denn bei allen heiklen Fragen konnte sich Bundesrat Merz hinter die Expertengruppe verschanzen. Die Gründung dieser wissenschaftlichen Beratergruppe, ohne eigene Befugnisse und Auftritte bewahrte Merz vor heiklen Klippen. Die Experten-Gruppe wurde zum Blitzableiter. Es liegt nun an ihr, alle Möglichkeiten zu prüfen. Das ist ein geschickter Zug, denn nun müssen alle abwarten, was diese Gruppe in 14 Tagen sagt.
Die Mediensechos fallen kritisch aus:
  • "NZZ Kommentar": Nebulös: "Grobe Steuerhinterziehung", "dynamische Weiterentwicklung des Bankgeheimnisses": Mehrere Mitglieder des Bundesrats hausierten in den letzten Tagen mit unverständlichen Wortschöpfungen, um sich nicht festlegen zu müssen oder Zeit zu gewinnen. Vor der Regierungssitzung am Freitag waren die Erwartungen entsprechend hoch: Der Bundesrat sollte endlich Klartext reden und eine Strategie darlegen, wie der Schweizer Finanzplatz aus dem Würgegriff Amerikas und mehrerer EU-Staaten befreit werden kann. Der Paukenschlag blieb aus. Was Bundespräsident Hans-Rudolf Merz vor den Medien bekanntgab, hätte die Regierung schon vor Monaten beschliessen können. Quelle.
  • "SN": So klug als wie zuvor: Der rhetorische Nebel den Merz und Widmer-Schlumpf mit Begriffen wei "dynamische Weiterentwicklung des Bankgeheimnisses" und "grobe Steuerhinterziehung" produziert hatten, hat sich nicht gelichtet. Stattdessen wurde eine Expertengruppe benannt, die schon vor zwei Wochen hätte gebildet werden können. Quelle: SHN
  • "Blick": Heute wiederholte Merz aber nur Bekanntes: Verfahren sollen beschleunigt werden. Es dürfte eine Verbesserung der Rechtshilfe geben. Und dann verwies Merz auf seine Expertengruppe. Diese werde jetzt zwei Wochen beraten, und dann werde der Bundesrat informieren. Bundespräsident Hans-Rudolf Merz hat die Medien am Freitag in Bern über die Expertengruppe zum Bankgeheimnis informiert. Indem die Expertengruppe erst jetzt gebildet wird, angeblich um Denkzeit zu gewinnen wurde im Grunde genommen erneut wertvolle Zeit vertrödelt? Blick: Merz bleibt im Reduit
Die Richtung des Bundesrates ist immer noch unklar.


Schaad: Tagi vom 7. März 2009


Infografik: 20 Minuten, Steueroasen in Europa
Nachtrag vom 8. März, 2009: Im Kampf gegen die internationale Ächtung als Steueroase hat sich die Schweiz mit den EU-Bankgeheimnisländern Österreich und Luxemburg abgesprochen. Dialogbereitschaft, aber kein automatischer Informationsaustausch, lautet die Strategie. Am 2. April wird am G-20 Gipfel in London über die nicht kooperativen Steueroasen beraten werden. 20 Minuten.



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