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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Feb, 2009)

Skandal um Herausgabe von UBS Kundendaten

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Bundesrat Hans-Rudolf Merz hatte an der Pressekonferenz etliche Schwierigkeiten, die Herausgabe der Daten zu verteidigen. Video Schweizer Fernsnehen
Die Übermittlung von UBS Kundendaten an amerikanische Steuerbehörden hat in der Schweiz zu Kopfschütteln geführt. Es ist klar: Das Schweizer Bankgeheimnisses ist gebrochen. Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der an der Pressekonferenz wie ein Anwalt der UBS wirkte, hatte Probleme, den fragwürdigen Schritt zu rechtfertigen. Vor allem die Frage, warum es denn möglich sei, dass Daten weggegeben worden sind, bevor überhaupt sichergestellt worden ist, dass es sich um Steuerbetrug handle, konnte der Magistrat nicht befriedigend beantworten.
Der Pressespiegel war auch Thema im Schweizer Fernsehen. In der Schweizer Presse und in Kommentaren wurde gar von "Hochverrat" und dem "Ende der reichen Schweiz" geredet. Der "Blick" titelte: "UBS macht Schweiz zur Bananen Republik".
Auch bei Bedenken von Journalisten, was ausländische Kunden nun in Zukunft vom Finanzplatz Schweiz denken würden, kam der Bundespräsident ins Stocken.
Ein interessanter Gedanke stammt von Bankenprofessor Hans Geiger: der vom Handeln der Schweizer Regierung wenig begeistert ist:

"Mit dem Entscheid des Bundesrats wurde das Bankgeheimnis ausgetrickst. Es gibt für den Kunden keinen Rechtsweg gegen die Aufsichtsbehörde Finma. Das Vertrauen hat einen groben Kratzer oder gar einen Blechschaden erlitten."

Der Professor glaubt, dass mit dem Entscheid des Bundesrates nun die Diskussion über eine Verankerung des Bankgeheimnisses in der Verfassung neu lanciert wird:

"Damit würde dem Bundesrat die Möglichkeit entzogen, das Bankgeheimnis auszutricksen".

Quelle.


Cartoon von Schaad im Tagesanzeiger


Gedanken zur Situation von der Politologin Regula Stämpfli: Regula Staempfli Bundespräsident Merz zeigt, dass ihm die UBS wichtiger ist als der Rechtsstaat. Rechtsstaat heisst, dass die Regeln für alle und gleich gelten, ausser sie werden gemäss Gesetzgebungsprozess rechtlich verändert. Nun kippt der Bundesrat diesen für die Schweiz unveränderten Grundsatz (selbst im Zweiten Weltkrieg wurde der Rechtsstaat aufrechterhalten: Der Bundesrat hat sich Ausnahmerecht vom Parlament abringen müssen!). Ebenso skandalös ist die Sandstreuerei eines Merz und einer Finma, nicht von Rechtsbruch und Bruch des Bankgeheimnisses zu sprechen, sondern so zu tun als ginge es um ganz normale Behandlung von Strafverstössen. Für wie blöd halten Merz und Finma eigentlich die Staatsrechtler in diesem Land? Wäre Bundespräsident Merz unser Vater, die Sozialfürsorge wäre schon längst wegen Missbrauch eingeschritten. Nur damit es klar ist: Rechtsbeihilfe kann gewährleistet werden, aber sie soll nach geltendem Recht und geltenden Informationsvorschriften und nicht nach Gusto angewandt werden. Vielleicht merken es viele nicht: Aber die Grundfesten unserer schweizerischen Demokratie wurden gestern so massiv erschüttert, wie seit 1848 nicht mehr.

Mit dem heutigen Entscheid des Bundesrats, für die UBS den schweizerischen Rechtsstaat ausser Kraft zu setzen, ist ein weiteres Kapitel der Geschichte "Schweiz auf dem Weg zum Staatsbankrott" geschrieben. Finanzminister Merz, der sich ja schon mit bemitleidenswerten Erotikgeschichten verhauen hat, betätigt sich auch hier als Hauptautor. Nur leider gibt es daraus kein weiteres schlechtes Buch, sondern einen sich abzeichnenden eidgenössischen Staatsbankrott. Spätestens heute rufen nun viele "Aua", doch eine wirkliche Änderung der unheiligen Verknüpfung UBS und Bundesrat zeichnet sich nirgends ab. Jeden Monat mehr funktioniert der UBS-Mann Merz, heute schweizerischer Bundespräsident genannt, den gesamten Bundesetat sowie die Bundespolitik zur Einlagensicherung der UBS um. Während des Ausbruchs der Finanzkrise im Koma, setzt Merz offenbar alles daran, diese Erfahrung der gesamten Nation als Läuterung zu empfehlen. Nur leider gibt es für diesen von Merz und Co. initierten Kollaps keine 5 künstlichen Bypässe, welche die "Maschine" Schweiz wieder auf Hochtouren nach derart gravierenden Fehlentscheiden bringen können. Weshalb diese harschen Worte? Als Christoph Blocher es wagte, mit seinem "Das Volk hat immer recht", rechtsstaatliche Grundprinzipien ausser Kraft zu setzen, warfen sich Mitte-Linksparteien in grosse Posen und kritisierten das mangelnde Rechtsverständnis des damaligen Justizministers. Durchaus mit gutem Grund. Und heute? Da wird der Rechtsstaat mit einer Pressekonferenz abgeschafft. Das schweizerische Rechtsverfahren ist höchstens noch Makular. Und für wen schon wieder, bitte? Ach ja: Für die UBS! Nicht nur verschwenden wir das Kapital unserer Grossenkel für eine einzige Grossbank, sondern wir werfen ihr zuliebe auch noch unsere Demokratie zum internationalen Frasse vor. Super! Die Schweizer Regierung benimmt sich damit ungefähr gleich kompetent wie dazumal Rasputin am Hofe des Zars. Während unsere Väter und Grossväter auch während den schwierigen Zeiten der Weltkriege alles daran setzten, den Rechtsstaat in der Demokratie wenigstens formell zu schützen, verscherbelt Bundespräsident Merz jedes Prinzip rechtsstaatlichen Verfahrens. Wie meinte schon Cicero? "Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann." Tatsächlich. Schon gar nicht die Festung Schweiz.


Schweizer Fernsehen
Nachtrag vom 20. Februar 2009: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Herausgabe von Bankunterlagen an die US-Behörden per superprovisorischer Verfügung verboten. Das Problem: die Übergabe ist bereits erfolgt. Quelle 20min, NZZ.

Peinlich: die Landesregierung wusste davon noch nichts, als die Eilmeldung über den Newsticker lief. Irritiert und überrascht habe der Bundesrat offenbar vor allem, dass das Gericht sich monatelang Zeit nahm und jetzt plötzlich mit einer superprovisorischen Verfügung reagiere. Quelle: blick.



Nachtrag vom 22. Februar, 2009:


Tagesanzeiger: UBS-Fiasko: "Die Schweiz ist erpressbar geworden"

Beat Bernet meinte in der "SonntagsZeitung", dass die EU gleiches Recht wie die Amerikaner verlangen werde und die Schweiz da kaum etwas entgegenhalten könne. Die Schweiz habe es versäumt, rechtzeitig eine Strategie zur Positionierung des Finanzplatzes in einem "fundamental veränderten politischen Umfeld anzupassen. "Einmal mehr werden wir überrascht und sind am Reagieren". Unter allen Umständen seien "Fishing Expeditions" zu verhindern, die Ausforschung von Kunden ohne begründeten Tatverdacht. Da sei eine Gegenstrategie nötig. Das Bankgeheimnis werde zwar neu definiert und interpretiert, der Schutz der finanziellen Privatsphäre sei aber ein wichtiges Element der Schweizer Finanzkultur und ein Grundrecht jedes Bürgers, welches erhalten werden müsse. Quelle: Tagesanzeiger


Nachtrag vom 2. März 2009: Der "Blick" vom 2. März fragt zwei Politik-Experten "Versagt der Bundsrat?"

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"Blick": Reicht die Task Force aus den Bundesräten Merz, Calmy-Rey und Widmer-Schlumpf? Georg Lutz: Wichtig ist nicht die Form, sondern dass jemand die Verantwortung übernimmt. Das Problem ist aber eher, dass man nicht weiss, was der Bundesrat überhaupt will. Regula Stämpfli: Es ist ja nicht mal eine richtige Task Force, sondern eine sogenannte Arbeitsgruppe. Aber immerhin: Es ist besser als nichts. Doch zur Krisenbewältigung braucht es mehr.
Braucht es einen stärkeren Bundespräsidenten? Mit mehr Kompetenzen und längerer Amtszeit? Georg Lutz: Es scheint, dass man sich im Bundesrat hintereinander versteckt. Ein stärkeres Bundespräsidentamt wäre eine Möglichkeit, sichtbare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Man muss dann das Amt aber auch mit Kompetenzen ausstatten, sonst bringt es nichts. Regula Stämpfli: Nein. Aber es wäre klug, Finanzminister Merz von seinem Präsidentenamt zu entlasten und dieses ad interim Bundesrat Couchepin zu übergeben und Widmer-Schlumpf als Co-Leitung ins Finanzdepartement zu holen. Hans-Rudolf Merz, so haben die letzten Wochen gezeigt, ist als Alleinverantwortlicher für die jetzige Krise völlig ungeeignet.
Hätte der Bundesrat aus dem Swissair-Grounding Lehren ziehen müssen, die jetzt brauchbar wären? Warum wurden solche Lehren nicht gezogen? Georg Lutz: Wenn man einem Bundespräsidenten mehr Macht geben will, dann muss man die Macht der sechs anderen beschneiden. Das ist sowohl im Bundesrat als auch im Parlament schwierig durchzusetzen. Regula Stämpfli: Die Mächtigen in der Schweiz haben viel zu lange auf Selbstzufriedenheit und Sturheit geschaltet. Früher war die Schweiz mal klein und fein. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich die Schweizer Regierung nur noch mit sich selbst beschäftigt. Deshalb ist die Schweiz zumindest in der Politik heute nicht mehr fein, sondern nur noch verdammt klein.




Nachtrag vom 2. März, 2009: Hans-Rudolf Merz hatte nach der Herzoperation eine sehr gute Reputation und war als Bundesrat in der Oeffentlichkeit beliebt. Jetzt wird er hart kritisiert. Die Medien werfen ihm ihm zaudern und laviern bei der UBS Geschichte vor. Seine Stellungsnahme zum Vorwurf, er habe zu spät gehandelt, machte die Oeffentlichkeit stutzig. Seine Rechtfertigung mit Sitzungsterminen war peinlich. In Krisen kann man nicht zum nächsten Sitzungstermin warten.

Bei dieser Wirtschaft-, Finanzkrise, und zunehmend Führungskrise fehlt ein Krisenstab. Altbotschafter Borer brachte dies in der "Arena" vom 27. Februar den Punkt: Er verglich das Verhalten mit dem Einsatz der Feuerwehr in einem Brandfall. Er sagte, es wäre lächerlich, wenn ein Feuerwehrkommandant mit seinen Offizieren zuerst eine Sitzung einberufen würde, um tagelang zu diskutieren und zu überlegen, wie man den Brand am besten bekämpfen solle.

Was machte jedoch Bundesrat Merz? Er bestimmte einen Ausschuss, der überlegt, wie das Feuer gelöscht werden soll. Es ist unverständlich, wenn der Bundespräsident in der aktuellen alarmierenden Situation die Hände in den Schoss legt, nachdem er vorschnell und unbedacht bei der heikelsten Frage die Daten von UBS Kunden rechtswidrig dem US -Justizministerium zukommen liess. Der Bundesrat trägt eine Mitschuld, wenn das Bundesverfassungsgericht desavouiert und das Bankgeheimnis rechtwidrig ausgehebelt werden konnte.

Zu Recht lasen wir in der Tagespresse, der Bundesrat verkenne die politische Dimension und wundere sich, wenn das Problem immer grösser werde. Es zeigt sich, dass der Bundesrat zu einer führungslosen Gruppe von Einzelkämpfern mutiert, die keine Ahnung hat von Krisen- und Kommuniktionsmanagement.

Früher wurde Bundesrat Blocher vorgeworfen, er halte sich nicht ans Kollegialprinzip. Der neue Bundesrat ist es nun, der laufend Auseinandersetzung öffentlich austrägt und jeder gegen jeden kämpft. Das jüngste Beispiel: Der Zoff zwischen Merz und Calmy-Rey steht im Tagi online:

"Merz wolle Botschafter Alexander Karrer als Leiter der Task Force Bankgeheimnis einsetzen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sei jedoch mit dieser Besetzung nicht einverstanden, schreibe die Westschweizer Zeitung "Le Temps"."



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