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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Juni, 2005)

Peinliche Email



Die folgende wahre Geschichte gehört zum Thema "Elektronische Kommunikation und ihre Grenzen" und zur Rhetorik des konstruktiven Streitens.

Richard Phillips ist Anwalt in einer der weltgrössten Rechtsfirma "Baker und McKenzie". Beim Essen wird ihm von seine Sekretärin Jenny Amner unbeabsichtigt etwas Ketchup auf den Anzug gespritzt. Herr Phillips sandte am 25. Mai 2005 der Frau folgende Email:

Betreff: Ketchup auf Hosen.

"Hallo Jenny, I war während der Mittagspause gerade in der Reinigung. Sie sagen, die Beseitigung der Ketchup-Flecken würde 4 Pfund kosten. Wenn Du mir heute das Geld dazu geben könntest, würde das sehr geschätzt. Danke.

Richard.


Die Antwort von Frau Amner liess auf sich warten. Am 3. Juni 2005 fand Sie eine Notiz auf ihren Schreibtisch, in dem sie auf die 4 Pfund errinnert wurde.




Daraufhin antwortete die Sekretärin mit der folgenden Email, in der alle 250 Angestellten der Firma eingeschlossen wurden (blind copy).

'Betreff: RE: Ketchup auf Hosen.

"Auf Bezug auf Deine Email, muss ich mich für die Verspätung entschuldigen. Aber weil meine Mutter plötzlich krank geworden und dann verstorben ist, hatte ich dringendere Sachen zu tun, als an die 4 Pfund zu denken. Ich entschuldige mich nochmals, unbeabsichtigterweise ein paar Tropfen Katchup auf Deine Hosen gespritzt zu haben. Offensichtlich sind Deine finanziellen Nöte als Associate grösser als meine als Sekretärin.

Ich habe Deine Email anderen gegenüber erwähnt und verschiedene Anwälte und Angestellte haben sich angeboten, eine Sammelaktion zu starten, um die 4 Pfund zusammenzukriegen.

Ich habe dieses Angebot abgelehnt. Solltest Du aber den Drang nach den 4 Pfunden noch verspüren, werden Sie morgen auf Deinem Tisch liegen.

Jenny."


Es kam noch schlimmer. Die Email zirkulierte bald in der ganzen Stadt und dann weltweit. Viele hatten die Email weitergeleitet und zum Teil ihre eigenen Kommentare dazu geschrieben. Die Geschichte wurde auch in den Medien fleissig weitergereicht. Sie erschien in hunderten von online Zeitungen, so auch in CNN.

Warum war die Geschichte ein Erfolg?

  • Schadenfreude: 'David gegen Goliath" Effekt. Die Sekretärin verdient nur 25'000 Englische Pfund pro Jahr, während das Salair des Anwalts bei über 100'000 Pfund liegt. Rechtsanwäte sind auch beliebte "Opfer" von Witzen.
  • Bekannte Arbeitsumgebung: Es ist eine Geschichte, die fast überall und fast jedermann passieren könnte.
  • Die Geschichte illustriert die Gefahren der elektronischen Kommunikation.
  • Sie produziert eine Frage: Was ist schlimmer? Kleinlichkeit wegen ein paar Franken oder das Stören des Vertrauensverhältnisses durch das Herausposaunen einer internen Sache an die ganze Welt.
Einige Schlagzeilen:

Stellungsname der Firma

In der offizielle Stellungsname der Firma "Baker und Mackenzie" wurde darauf hingewiesen, dass beiden Personen die Publizität peinlich sei und

"Das ist eine Privatsache zwischen zwei Angestellten, die etwas ausser Rand und Band geraten ist. Die Sache wird untersucht. Wir kommentieren nicht weiter.


Ähnliche Fälle ( Quelle)

  • In der Rechtsfirma "Norton Rose" im Jahre 2000 passiert: Claire Swire sandte eine intime Email zu einem Kollegen. Die Notiz wurde zu 6 weiteren Leuten weitergeleitet und dann von Millionen gelesen.
  • Mark Thompson, der Direktor von BBC musste zugeben, dass er einmal einen Kollegen in den Arm gebissen hatte, nachdem eine den Zwischenfall beschreibende Email auf dem Web zu finden war.
  • Alastair Campbell der frühere Chef "Media relations" an der Downing Street sandte irrtülicherweise ein 4 Buchstabenwort per Email zu "BBC2's Newsnight".
  • Jo Moore, ein amerikanischer Regierungsberater hatte Kollegen nach dem 11 September per Email geschrieben, dass "das Ereignis gut sei, um schlechte Nachrichten zu begraben".




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