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www.rhetorik.ch aktuell: (8. Februar, 2005)

Der Satz, der einen Wirbel auslöste



Der Bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber machte Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Erfolge der rechtsextremistische NPD verantwortlich. Stoiber sagte in der "Welt am Sonntag":

"Das oekonomische Versagen der Regierung Schröder, dieses Ausmass an Arbeitslosigkeit, bildet den Nährboden für Extremisten, die letztlich die Perspektivelosigkeit der Menschen ausnutzen und damit die Demokratie in unserem Land gefährden."


Dieser Satz - nachdem die rotgrüne Regierung die Rekordzahlen der Arbeitlosen bekannt geben mussten - schlug wie eine Bombe ein - ohne dass die NPD namentlich genannt wurde. Müntefering

"Herr Stoiber, sie laden Schuld auf sich, wenn Sie so kleinkariert taktieren!"


Gerhard Schröder reagierte nicht selbst, Regierungsprecher Béla Anda erklärte: "Der CDU Chef gelangt jetzt auf das unterste Niveau."

Gegenüber den harten, zum Teil unbeherrschten Reaktionen machte Bundespräsident Köhler die klarste und sachlichte Aussage: Er forderte die deutsche Gesellschaft zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus auf. Zwar sehe er Deutschland nicht vor einer "neuen Riesenwelle des Antisemitismus". Doch gebe es neue Facetten, die sich zum Teil in vordergründiger Kritik an Israel oder den USA ausdrückten.

Überreaktionen sind stets kontraproduktiv. Tatsächlich gibt es Gruppierungen, die Situationen der Angst auszunützen verstehen. Diktatoren sind in Zweiten der Destabiliät gross geworden. Sie spielten sich als "Retter" auf und predigten Ruhe und Ordnung. So gesehen müsste der Staat ein Interesse an stabilen Verhältnissen haben. Auch in der Schweiz schien die Fremdenfeindlichkeit zu wuchern, als die Ausländeranzahl unkontrolliert wachsen konnte. So gesehen, dürfte auch in Deutschland die psychologischen Hintergründe des Vertrauensschwundes, der Verarmung und die unaufhaltsame Zunahme an Arbeitslosen sachgereicht diskutiert werden. Erwünscht wären Streitgespräche - aber auf einem anderen Niveau.



Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement nannte Vergleiche mit der Weimarer Zeit "hirnrissig" und "abscheulich". Der Vorwurf Stoibers gegen Rot-Grün sei eine Entgleisung, kritisierte er gestern Abend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen".


SPD-Generalsektretär Klaus Uwe Benneter nannte die Vorwürfe im ARD-Morgenmagazin "bösartig".

Trotz aller Kritik hält die CSU daran fest, die Regierung für das Erstarken der NPD verantwortlich zu machen. Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber von der CSU, bekräftigte in der "Passauer Neuen Presse": "Ein wesentlicher Grund für den Zulauf bei den Rechtsradikalen ist die Hoffnungslosigkeit vor allem vieler junger Menschen, die keine Aussicht auf Arbeit haben. Da hilft es nichts, dass Rot-Grün wegen ihres wirtschaftlichen Scheiterns diesen Zusammenhang totschweigen und leugnen will." Auch CDU-Chefin Angela Merkel sagte am selben Abend in der ARD, ungelöste politische Probleme stärkten immer die Extreme. Es bestehe kein Zweifel, dass Perspektivlosigkeit auch dazu beitrage, "dass sich Menschen der NPD zuwenden".




Nachtrag vom 9. Februar 2005: zur Aschermittwochrede Stoibers:

CSU-Chef Stoiber hat heute rhetorisch einmal mehr als den Zweihänder ausgepackt. Er hieb mit gewaltigen Wort-Keulen auf seine Gegner ein. Den Schweizer Joe Ackermann, Chef der Deutschen Bank, bezeichnete er als Fehlbesetzung: Wenn Milliardengewinne gemacht und gleichzeitig 6000 Stellen abgebaut würden, "dann ist das eine Geschmacklosigkeit, eine Unfähigkeit."

Die eigentliche Tirade des mächtigen Politikers aus Bayern galt während der Aschermittwochsveranstaltung seiner Partei in Passau in erster Linie dem Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Dieser betreibe "Politik nach dem Drei-Affen-Prinzip: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen."


Stoiber rief ins Bierzelt:

"Das ist Schröders Relativitätstheorie:

Relativ grosse Worte - Relativ wenig Taten. Von allem bleibt eines übrig: Relativ wenig."


Vergleiche: Stoiber teilt aus.

Diese allgemeine Breitseite wird die rotgrüne Regierung in Berlin wie üblich an sich abprallen lassen. Doch schwerwiegender ist wohl Stoibers Vorwurf, Schröders Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit seien nutzlos und hätten viele Menschen in die Arme rechtsextremistischer Parteien getrieben. Diese These wir d erneut Staub aufwirbeln.

Wie erwartet reagierte darauf die SPD empört. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) verlangt von Stoiber eine Entschuldigung für seine "Entgleisung": "Keiner hat das Recht, auf dieser braunen Sosse sein eigenes Süppchen zu würzen." Alle Parteien müssten gemeinsam gegen den rechten Spuk vorgehen. Der Chef der bayrischen SPD, Ludwig Stiegler, meinte gar, er sei "angewidert von Stoiber, der aus braunen Sumpfblüten Schlaginstrumente gegen die SPD machen wolle.

Schröder selber ging noch weiter und meinte, Stoiber leide an Realitätsverlust.


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