Wer Bundesrätin Micheline Calmy-Rey nach der Rückkehr aus dem
Katastrophengebiet gesehen und gehört hat, muss unumwunden
eingestehen: Das war ein Musterbeispiel situationsgerechter Rhetorik:
Die Gefühle, die Stimme, die Körpersprache (Augen, Mimik)
stimmte mit der Stimmung überein.
Micheline Calmy-Rey spielte keine Theater. - Sie blieb sich selbst. Sie
war "echt" und natürlich.
Die heisere Stimme wirkte so, als habe es ihr im
Katastrophengebiet gleichsam "die Sprache verschlagen". Es ist nicht
selbstverständlich, dass es eine Politikerin versteht, die Balance
zu finden - zwischen angemessener Betroffenheit einerseits und klaren,
gut strukturierten, sachlichen Aussagen anderseits. Die Bundesrätin
brachte beides unter einen Hut. So etwas haben wir selten erlebt.
Chapeau!
Nachtrag:
Nach dem überzeugenden Auftritt gab uns eine andere Aussage
zu denken. Der 'Sonntagsblick' schreibt am 16. Januar, Micheline Calmy Rey habe
über Gigi Oeri gesagt:
"Wenn sie es schafft, elf Männer auf dem grünen Rasen
herumzukommandieren, so schaffe ich das mit sechs Männern am
grünen Tisch auch - und erst noch mit links."
Rhetorisch ist dieser Vergleich sicherlich gelungen. Auch die mehrdeutige
Bemerkung: "Mit links". Die gesamt Aussage - auch als Gag - finden wir
dennoch deplatziert:
Selbst dann, wenn sie humorvoll gemeint war, so ist sie eine
öffentliche Aussage über die eigenen Kollegen und deshalb
ungeschickt.
Die Bemerkung ist auch deshalb unklug, weil die Aussage missverstanden
werden kann. Vom Publikum, aber auch von jenen Kollegen, die immer gesagt
hatten: Diese neue Bundesrätin wird nicht nur auf
freundliche Art
die Zähne zeigen, sondern gewiss noch beissen!