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Weichspüler vermeiden


von Hildegard Knill


Eine direkte, klare und konkrete Kommunikation ist der Schlüssel zum Ziel. Viel zu oft noch unterlaufen Fehler in der Ausdrucksweise und Haltung. Sie verwehren den gewünschten Erfolg. [PDF] zum ausdrucken



Quelle: ALPHA 7./8. April, 2007: Der Kadermarkt der Schweiz, eine Publikation der Verlage Tages-Anzeiger und Sonntagszeitung.


Am Schluss eines Meetings meldet sich Bruno M. zu Wort. Er senkt den Blick auf den Boden und sagt mit fader Stimme: ""Ich möchte nur noch eine Frage stellen: Haben wir eigentlich noch genügend Mittel, um das Projekt XY zu bezahlen?" Während des Sprechens hielt Bruno die Arme unter dem Tisch verschränkt. Der Körper wirkte eingefallen.

Könnte Bruno diesen Einstieg in einer Videoaufzeichnung betrachten, würde er vermutlich selbst erkennen, dass seine Frage mit vielen unnötigen Abschwächungen gekoppelt war: Zuerst die Konjunktivformulierung "Ich möchte", statt: "Ich habe noch eine Frage". Der mangelnde Blickkontakt und die fade Stimme schwächen die Aussage zusätzlich ab. Die Zurückhaltung wird nicht nur durch die "zurückgenommene", drucklose Stimme, sondern auch noch durch die fehlende Gestik, die eingefallene Körperhaltung abgeschwächt. Es ist erstaunlich, wie wenig sich die Menschen bewusst sind, dass Aussagen nur deshalb nicht überzeugen oder falsch verstanden werden, weil sie abgeschwächt wurden und die Wirkung des nonverbalen Verhaltens, der Stimme oder der Formulierung den Überzeugungsprozess enorm beeinflusst.


Im Laufe der Jahre habe ich unterschiedlichste Abschwächungstechniken gesammelt. Es ist erstaunlich, wie die zahlreichen Abschwächungen unsere Botschaften beeinträchtigen.
  1. Abschwächende Worte Dazugehören: "Eigentlich, vielleicht, ein bisschen, ein wenig, scheinbar, vermutlich, nur, mal, irgendwie und relativ". "Es ist relativ warm." - Ist es nun warm oder kalt? Es fehlt die Relativierung zu einem Bezugspunkt. Auch Politiker wählen vielfach vage Formulierungen, um sich nicht festlegen zu müssen. Es lohnt sich, diese Weichspüler gezielt zu eliminieren. Erstaunlich: Viele Redner benutzen "Flicklaute". Damit werden Denkpausen akustisch begleitet, beispielsweise mit "Also, Aeh, Gell".
  2. Der Konjunktiv Der Konjunktiv ist zwar eine wichtige grammatikalische Form, um etwas höflich auszudrücken. Er darf jedoch nicht dazu führen, konkrete Fakten abzuschwächen. Wenngleich Sachverhalte klar und eindeutig sind, wird in der Alltagskommunikation der Konjunktivform falsch eingesetzt. "Ich möchte Sie vorstellen" oder "Ich möchte Herrn Meier noch den Dank aussprechen". Der Sprechende glaubt, die zurückhaltende Möglichkeitsform sei diplomatischer, bescheidener. Weshalb verdanken wir den Redner nicht direkt? "Herr Meier ich danke Ihnen für diesen aufschlussreichen Vortrag!" Statt: "Ich hätte da noch einen Vorschlag. Sagen Sie: Ich schlage Ihnen vor ... Selbst in Lokalradios hören wir von Moderatoren am Schluss der Sendung: "Das wäre es." Obschon die Sendung erfolgreich gesendet worden war. Es müsste heissen: "Das wars." Wäre nämlich die Sendung nicht zu hören gewesen, dann hätte ja gar keine Möglichkeit bestanden, die Sendung wahrzunehmen.
  3. Die vorgeschalteten "Weichmacher" Unnötig sind alle vorgeschalteten Abschwächungen, wie: "Ich will mal sagen ...". "Ohne zu lügen muss ich Ihnen sagen, dass ..." Auch die Formulierung: "Normalerweise würde ich behaupten", zählt zu den vorgeschalteten Weichmachern.
  4. Sätze, welche die Kompetenz mildern Zahlreiche Sätze mindern die Kompetenz, weil sie mit abschwächenden Worten und Konjuktivformulierungen gekoppelt sind. Ein Beispiel: "Ich wollte nur mal fragen, ob das doch nicht machbar wäre". Oder: "Die Idee scheint mir irgendwie gut."
  5. Entschuldigungen Entschuldigungen verdeutlichen, dass jemand die Schuld von sich weisen muss: "Ich weiss nicht genau, ob meine Bemerkung richtig aufgefasst wird ..."
  6. Unnötige Abschlussfragen Erstaunlich, wie Abschlussbemerkungen oder Abschlussfragen ein gutes kompaktes Argument abschwächen können. Beispielsweise: "Ist Ihnen mein Vorschlag zu kompliziert?" "Überzeugt Sie mein Argument nicht?" Die These "Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten!" trifft leider nicht immer zu. Es gibt tatsächlich ungeschickte Fragen. Dazu gehören die unnötigen Abschlussfragen, welche das eigene Argument abschwächen. Die Frage lenkt die Gedanken auf das Negative, auf Bedenken. Somit wird das eigene Argumentationsgebäude geschwächt.
  7. Abschwächende nonverbale Signale Wer den Augenkontakt meidet, wer die Gestik blockiert, wer vor dem Reden nicht dafür sorgt, dass es ihm wohl ist, schwächt seine Aussage ab.
  8. Stimme die nicht stimmt Fehlt die Dynamik, die Stütze, so fehlt die Überzeugungskraft. Weil die Stimme mit unserer inneren Stimmung übereinstimmt, ist letztlich unsere Einstellung ausschlaggebend. Freuen wir uns, etwas mitteilen zu dürfen? Die Begeisterung muss echt sein.
  9. Auch Verallgemeinerungen sind Abschwächungen Verallgemeinerungen wie, "nie, immer, alle, keiner" können wir mit konkreten Aussagen ersetzen z.B.: "Heute, nächstes Jahr, am Wochenende. Nennen wir deshalb auch konkrete Namen: Renate und Fritz".




Ein Beispiel aus dem Alltag: Wir beleuchten noch die Abschwächungen von Beatrice Rubli, die sie im DRS1 - in der Sendung "Persoenlich am 6. August 2006 - im Gespräch mit Esther Schneider über ihre medialen Fähigkeiten so formuliert hatte. Das folgende Transkript strotzt von unnötigen Abschwächungen: Journalistin: "Wie arbeiten Sie?"
Ich arbeite einerseits mit Menschen, die mich einzeln besuchen möchten, weil sie in einer Lebenssituation sind, wo sie vielleicht gerne eine Unterstützung hätten in ihren Erkenntnisprozessen. Und dann versuche ich äh - ihnen da genügend Hinweise geben können äh weils mir möglich ist, sozusagen durch all die Schichten hindurchzuschauen, auch hindurchzustaunen auch was so ein Mensch eigentlich ist mit und hat an so einem Potential. Und vielleicht zum Teil vorschüttet ist und vielleicht sogar Konditionierungen erlebnisbezogenen Sachen zum Beispiel in den Hintergrund geraten ist, das später dann zu einem Leiden führt. Dass ein Mensch sich nicht mehr spürt, dass er keine Resonanz hat mit sich. Dass er wie nicht recht weiss- wo er steht. Und und dort äh - versuche ich dann mehr eine eine Verbindung auch zu schaffen und das Verständnis für seine Situation einerseits. Aber eben auch die Möglichkeit Einblick zu geben, warum möglicherweise. Also wie bringe ich ...


Nebst der Fülle von Abschwächungen ist die ganze Antwort viel zu vage, zu allgemein, nichts sagend. Es fehlen konkrete Angaben Welche Menschen? Zum Beispiel ...? Welche Lebenssituation? Welche Unterstützung? Welche Schichten?

In den nachfolgenden Antworten notierte ich noch einige der zahlreichen Abschwächungen bei den nachfolgenden Antworten. Hier nur noch einige Beispiele:

Es ist so ein wenig, Sitzungen sind eher so ... Eigentlich geht es beim Medialen auch noch ein wenig darum eigentlich mit möglichst wenig Einfluss ... Die Aussagen strotzen von Wörtern wie ... ein wenig, vielleicht, möglichst, relativ, irgendwie, also, also nicht, unbedingt, gewisses ..., eher ... , man ... sozusagen

Ich möchte zum Schluss lediglich noch eine Kleinigkeit anfügen: Vielleicht könnten Sie im Alltag künftig ein wenig an sich arbeiten. Eigentlich geht es nur um eine Kleinigkeit: Falls Sie unter Umständen sogenannte "Weichspüler" entdecken würden: Schenken Sie diesen Abschwächungen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Möglicherweise könnte ihnen dieser Tipp dann doch noch etwas helfen. Die Aufgabe könnte sich dann möglicherweise doch lohnen. Oder überzeugt Sie der Rat nicht? Entschuldigung - Es war ja nur so ein Gedanke, der hilfreich sein könnte.


Nachlese: Umgang mit rhetorischer Ironie Als mir die Redaktion vor dem Gut zum Druck ein paar Zeilen zugestand, wählte ich ohne Klammerbemerkung die einfachste Form der Ironie, indem ich in den Text absichtlich mit Weichspülern schrieb und das Gegenteil machte von dem, das ich empfahl. Ich war mir bewusst, dass eine Person, die sich ironisch äussert, voraussetzen muss, dass die Leser klug genug sind, den Widerspruch zwischen Aussage und Sachverhalt zu erkennen. Ich war zudem überzeugt, dass diese geballte Ladung von konstruierten Weichspülern sofort erkannt wird.

Dass rhetorische Ironie missverstanden werden kann, machen folgendes Leserechos deutlich:
Liebe Frau Knill

Ein interessanter Bericht, nur: Wieso setzen Sie in Ihrem Schlusswort
"die Erkenntnis" sämtlich Weichspüler ein, angefangen beim
Konjunktiv über alle Abschwächer (ich hoffe das haben sie
bewusst provokativ getan?!? - bin mir da aber nicht so sicher): "ich
möchte, vielleicht, ein wenig, eigentlich, falls sie würden,
irgendwie, möglicherweise könnte, Entschuldigung". Schade.
Anderen raten ist einfacher, als selbst Klartext sprechen.

Mit freundlichem Gruss P.
Sehr geehrte Frau Knill 

Ich habe Ihren Beitrag in der Sonntagszeitung gelesen. Er ist gut. 
Schade, dass dieser Beitrag genau in dieser Form endet, auf welche Sie 
hinweisen. Ich bin überzeugt, dass dies bewusst geschehen ist. 
Andernfalls ist der Beitrag unglaubwürdig.

Freundliche Grüsse   C.


4. April, 2007




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