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Unfaire Dialektik


von Marcus Knill


Wie wir "kleingemacht" werden können, wird anhand einer Alltagssituation veranschaulicht.

Situation:
Sie melden ihrem Vorgesetzten, dass die Arbeit viel mehr Zeit braucht, als vorgesehen war. Sie sagen dem Chef, dass sie letzte Woche jeden Tag länger im Büro gearbeitet haben. Ihr Vorgesetzter weiss, wieviel Aufwand für diese Arbeit notwendig ist. Hier einige Variationen:


Bluff Chef: "Was, schon so lange haben Sie gearbeitet?" "Ich wusste gar nicht, dass die Arbeit so viel Zeit braucht".
Ignorieren Chef: "Zusätzlicher Aufwand? Das ist bei unserer Firma kein Thema".
Drohen Chef: "Es gibt andere im Betrieb, die diesen Auftrag gerne hätten. - Bis heute waren Sie zuverlässig.
Abwimmeln Chef: "Ah, Sie sind noch nicht so lange bei uns. Sonst wüssten Sie, was bei uns verlangt wird."
Killerphrasen Chef: "Wir alle müssen zusätzliche Mehrarbeit leisten."
Hinhalten Chef: "Die Situation wird sicher wieder besser".
Zucker Chef: "Letzlich macht sich der Aufwand bei uns bezahlt."
Begönnern Chef: "Mir ist es früher auch so gegangen." "Bald können Sie ausspannen". "In zwei Monaten haben Sie ja Ferien."
Gegenteil behaupten Chef: "Wir kennen in unserem Betrieb keine Überstunden. Was ist das? Niemand sagt, Sie müssten das tun."
Ablenken, Thema wechseln Chef: "Wie geht es ihren Kindern?" oder "Ich wollte schon lange mit Ihnen über dieses Problem reden. Übrigens: Heute hatte ich eine telefonische Anfrage (neues Thema)..."
Lächerlich machen Chef: "Mehr Aufwand als vorgesehen - da muss ich lachen!" "Sie wollen doch dieser kleinen Mehrarbeit wegen nicht ausrasten."
Blamieren Chef: "Das wundert mich. Sind sie kleinlich geworden".
Mitleid Chef: "Was soll ich tun? Mir steht das Wasser auch bis zum Hals, diese Termine".
Psychologisieren Chef: "Schauen Sie, das Problem meistern wir mit entsprechender innerer Einstellung. Versuchen Sie es mit autosuggestiven Praktiken". "Vielleicht haben Sie zu wenig Antistresstoleranz!"
Bei diesen Taktiken (es sind nicht nur dialektische Tricks) gibt es nur eines: darauf hinweisen, dass man ernstgenommen werden will. Für Gegenfragen als Reaktion auf unfaire Kritik empfiehlt uns ein Leser folgende Methoden:
  1. Fairness: "Halten Sie diese Frage für besonders fair?"
  2. Kompetenz: "Können Sie das wirklich beurteilen?"
  3. Präzisieren: "Was meinen Sie genau mit 'schon wieder nicht richtig?'"
  4. Definition: "Bitte erläutern Sie mir, was Sie unter ... verstehen."
  5. Verständnis: "Können Sie bitte Ihre Frage wiederholen?"
  6. Unschuld: "Wie darf ich Ihre Frage verstehen?"
  7. Missverständnis: "Was hat das mit ... zu tun?"
  8. Rückstellen: "Darf ich später ausführlich auf diese Frage eingehen?"
  9. Differenzieren: "Wie viel ich investiere? Meinen Sie für die Forschung oder für die Neuanschaffungen?"
  10. Gag-Methode: (nur wenn Sie sich gar nicht mehr zu helfen wissen): "Ist das wirklich ernst gemeint?"


November 2006




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