Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei
Meilen 'vor' dem Anfang! Etwa so:
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"Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema
des heutigen Abends komme, lassen Sie mich Ihnen kurz..."
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Hier hast du schon ziemlich alles, was einen schönen
Anfang ausmacht: eine steife Anrede; der Anfang
vor dem Anfang; die Ankündigung, dass und was du
zu sprechen beabsichtigst, und das Wörtchen kurz.
So gewinnst du im Nu die Herzen und Ohren der Zuhörer.
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Denn das hat der Zuhörer gern: dass er deine Rede
wie ein schweres Schulpensum aufbekommt;
dass du mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst
und schon gesagt hast. Immer schön umständlich.
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Sprich nicht frei - das macht einen so unruhigen
Eindruck. Am besten ist es: du liest deine Rede ab.
Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann,
wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz
misstrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind.
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Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so
freundlich rät, und du willst durchaus und durchum
frei sprechen ... du Laie! Du lächerlicher Cicero!
Nimm dir doch ein Beispiel an unsern professionellen
Rednern, an den Reichstagsabgeordneten - hast du
die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben
sich sicherlich zu Hause auf, wann sie
"Hört! Hört" rufen ... ja, also wenn du denn
frei sprechen must:
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Sprich, wie du schreibst. Und ich weiss, wie du schreibst.
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Sprich mit langen, langen Sätzen - solchen, bei denen du,
der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr
benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest,
genau weisst, wie das Ende ist, die Nebensätze schön
ineinander geschachtelt, so dass der Hörer, ungeduldig
auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem
Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat,
auf das Ende solcher Periode wartet ... nun, ich habe dir
eben ein Beispiel gegegeben. So musst du sprechen.
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Fang immer bei den alten Römern an und gib stets, wovon
du auch sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der
Sache. Das ist nicht nur deutsch - das tun alle
Brillenmenschen. Ich habe einmal an der Sorbonne einen
chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach glatt
und gut französisch, aber er begann zu allgemeiner Freude so:
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"Lassen Sie mich in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte
meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor
Christi Geburt..."
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Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute so lachten.
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So musst du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht
es ja sonst nicht, wer kann denn das alles verstehen, ohne
die geschichtlichen Hintergründe ... sehr richtig! Die Leute
sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges
Leben zu hören, sondern das, was sie auch in Büchern
nachschlagen können ... sehr richtig! Immer gib ihm Historie,
immer gib ihm.
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Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins
Publikum laufen, auch zurückkommen - das sind Kinkerlitzchen.
Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft
im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.
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Du musst alles in Nebensätze legen. Sag nie: "Die Steuern sind
zu hoch." Das ist zu einfach. Sag: "Ich möchte zu dem, was
ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, dass mir die Steuern
bei weitem..." So heisst das.
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Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor - man sieht das gern.
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Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiss, wo
die Pointe ist.
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Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog.
Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach vierzehn
Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu wissen, dass
eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück
ist: eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit.
Und das musst du hören. Nein, das brauchst du nicht zu
hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.
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Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe,
möchte ich noch kurz bemerken, dass viel Statistik eine Rede
immer sehr hebt. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande
ist, zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht
das viel Spass.
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Kündige den Schluss deiner Rede lange vorher an, damit die
Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen. Paul Lindau
hat einmal einen dieser gefürchteten Hochzeitstoaste so
angefangen: "Ich komme zum Schluss." Kündige den Schluss an,
und dann beginne deine Rede von vorn und rede noch eine halbe
Stunde. Dies kann man mehrere Male wiederholen.
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Du musst dir nicht nur eine Disposition machen, du musst sie den
Leuten auch vortragen - das würzt die Rede.
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Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich gar
nicht erst anzufangen.
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Wenn einer spricht, müssen die andern zuhören - das ist
deine Gelegenheit! Missbrauche sie.
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