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Medien und Skandale


von Marcus Knill


In diesem Beitrag werden konkrete Erkenntnisse von aktuelleren Skandalierungsversuchen zusammengestellt.

Bei Skandalen ist die erste Reaktion entscheidend

Schon vor dem Borerskandal setzte sich Publizistikwissenschafter Mathias Kepplinger von der Uni Mainz mit den Skandalierungsmechanismen auseinander. In der Schweiz sind vor allem Mediensoziologe Kurt Imhof von der Uni Zürich und der Medienwissenschafter Roger Blum von der Uni Bern gute Kenner der Skandalisierungsmechanismen. Nach Kepplinger fühlen sich die Skandalisierten sofort als Opfer und handeln vor allem in den ersten Minuten falsch.
  • Wie bei der Krisenkommunikation spielt dabei das Überraschungsmoment eine zentrale Rolle.
  • Wer bei einem Skandale beim ersten Anruf den Kopf verliert und sich provozieren lässt, verliert auch in der Regel sehr schnell den Job.
  • Viele stecken bei einem sich anbahnenden Skandal den Kopf in den Sand. In der Hoffnung: "Alles geht schon vorbei".
  • Andere dementieren oder schlagen kopflos um sich.
  • Einige erhoffen sich mit einem Teilgeständnis als Befreiungsschlag den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können. Im ersten Schreck sind sich die Wenigsten bewusst, wie folgenschwer die erste Reaktion, das erste Verhalten oder die ersten Worte sein können.


Skandalierungen sind ernst zu nehmen. Wenn jemand skandaliert wird, ist die erste Reaktion entscheidend.



Skandalbeispiele

  • Peter Aliesch Peter Aliesch machte am Telefon der Journalistin vom Ferienort aus sofort Zugeständnisse: "Meine Frau hat einen Pelzmantel erhalten. Ja, das ganze war eine rein private Sache!"
  • Christiane Brunner Bei Christiane Brunner, die vor der Bundesratswahl einer Schlammschlacht ausgesetzt war, konnten die "montierten Geschichten" immerhin ihre Karriere knicken.
  • Francois Mitterand Der französische Präsident Mitterand, der unverhofft auf sein uneheliches Kind angesprochen worden war, hatte mehr Glück. Mit der saloppen Bemerkung "Eh Voilà!?" liess sich der Skandalierungsversuch schlagartig stoppen! Kein Dementi. Die Haltung genügte: "Was solls?"
  • Rudolf Scharping Rudolf Scharping beschönigte die Swimmingpoolgeschichte in Mallorca. Der Verteidigungsminister hatte Glück. Dank dem 11. September waren plötzlich alle Vorwürfe kein Thema mehr. Anderseits hatte er sich später recht professionell verhalten, indem er sofort alle Fakten, wie Flugpläne mit Belegen vorlegte.
  • Peter Schellenberg Peter Schellenberg reagierte auch geschickt, als versucht wurde, ihn der Begünstigung seines Sohnes zu bezichtigen. "Diese Geschichte wurde einmal vor Jahren inszeniert. Sie ist längst geklärt und ad acta gelegt." lautete Schellenbergs erste Antwort und er blieb dabei.
  • Peter Hess Für Peter Hess wurde es eng, als er widersprüchliche Aussagen machte zu seinen Verwaltungsratsmandaten in der Geldwäscheroase in Panama. Er befreite sich aus der verstrickten Situation, indem er sofort auf die Verwaltungsratsmandate verzichtete.
  • Joschka Fischer Bei Joschka Fischer führten die Aufnahmen anlässlich der APO Demonstration zu keinem Skandal, weil sich bei den Medien zwei gleich grosse Lager gegenüber standen. Die Interpretation Fischers, dass sein Verhalten generationentypisch war, wurde von den Medien akzeptiert, zumal heute viele Journalisten der 68er Generation angehören.
  • Roland Koch Auch der CDU Spendenskandal hat Roland Koch nicht den Kopf gekostet. Denn er reagierte ausserordentlich besonnen, ruhig und argumentierte sachlich.
  • Thomas Borer Das Verhalten von Thomas Borer beim Skandalierungsversuch mit den "Paparazziaufnahmen" ist hinlänglich bekannt. Borer dementierte und schlug wild um sich und verhielt er sich ideal für die Boulevardmedien. Es liegt nämlich genau in der Logik einer Skandalierung, wenn das Opfer alles abstreitet: Die Geschichte kann dann weitergehen. Das Opfer hat durch das Dementi eine Beweislast.


Grundmuster von Skandalen

Die Grundmuster der Skandale sind ähnlich
  • Die Medien stellen die Dinge in einer bestimmten Richtung dar.
  • Aus einem unwichtigen Gebilde wird plötzlich ein nachvollziehbares Bild entwickelt.
  • Emotionen dominieren.
Siehe Massnahmen und Verhaltensmöglichkeiten bei Skandalen.


Was sollen wir tun, wenn wir skandaliert werden?

  • Den Skandal sofort ernst nehmen.
  • Den Vorwurf unverzüglich klären. Sich ein Zeitfenster zum überlegen schaffen. Bei einem Anruf durch Presse Telefonnummer notieren und sagen: "Ich rufe in 30 Min zurück!"
  • Ruhe und Konzentration ist am Anfang das Wichtigste.
  • Nerven nie verlieren. Sich nie provozieren lassen!
  • Sich mit der vorgesetzten Stelle oder einem Berater absprechen.
  • Plausible Antworten suchen.
Wir können -wie bei der Krisenkommunikation - mögliche Skandale gedanklich antizipieren (Was wäre, wenn...?) Das persönliche Verhalten lasst sich auch unter simulierten Stresssituationen trainieren.


Falsches Verhalten

Falsch sind:
  • Abwarten
  • die Sache verdrängen
  • überreagieren
  • dementieren
  • lügen
Der Rat eines Kommunikationsberaters, der Thomas Borer später bei Reden beraten hatte: (NZZ vom 17. März 1989).
"Liegt jedoch ein schwerer Angriff vor, ist die Ursache, entweder alles abzustreiten oder dann, wenn es gegeben ist, kurz und sofort zu erwidern." gilt heute als überholt. Kurt Imhof lehnt diesen Rat eindeutig ab:


Wer dementiert, liefert Zündstoff für die Lügendiskussion und heizt damit die Sieg - Niederlage Dynamik unnötig an. Das Abstreiten ist ebenso falsch wie das zu rasche Reagieren.



"Hätte und wäre" bei jüngeren Skandalbeispielen

Die Fachleute sind heute einhellig der Meinung dass im Borer Skandalfall, der Botschafter am Anfang nur hätte sagen sollen: "Dies ist eine private Angelegenheit!" Diese Antwort hätte genügt. Falls die Boulevardpresse die Geschichte dennoch veröffentlicht hätte, wäre ein Klage möglich geworden. Der Botschafter hätte Recht bekommen.
Denn die Privatsphäre muss geschützt bleiben, wenn es nicht um öffentliches Interesse geht.
Hätte Aliesch der Journalistin in den Ferien versprochen, in einer halben Stunde zurückzurufen; hätte Aliesch während dieser Zeit mit der Regierungspräsidentin eine Medienkonferenz in Chur auf Montag vereinbaren können, so hätte er der Journalistin nachher sagen können: Am Montag wird die Regierung an einer Medienkonferenz über diese Geschichte eingehend orientieren: Die Skandalierung hätte einen völlig anderen Verlauf genommen:
  • In der Sonntagspresse wäre keine Schlagzeilen aufgetaucht.
  • Die Geschichte wäre keine private Angelegenheit mehr gewesen.
  • Die Regierung hätte argumentieren können dass im Interesse des Kantons der Kontakt mit einem reichen Griechen gesucht worden wäre. Graubünden benötige Geld für den Fremdenverkehr und die Schneekanonen. Niemand wusste nämlich damals, dass der reiche Grieche unsaubere Geschäfte tätigt.
  • Die Pelzmantelgeschichte wäre somit vom Tisch gewesen. denn Frau Aliesch war zu jener Zeit nur Alieschs Freundin.
Aber eben: Im Nachhinein ist man immer klüger. Das Überlegen vor dem Reagieren lohnt sich nicht nur bei Skandalierungen.


Erkennnisse

Im Umgang mit den Medien bewährte sich die Erkenntnis:


"Was Du sagst, muss immer wahr sein. aber Du musst nicht immer alles sagen, was wahr ist."

Stets gilt:

Überlegen - Denkpause - Analysieren - Klären - Dann antworten.



Links zum Thema







20. April, 2002

Dieser Beitrags ist in der SN unter dem Titel "Medienkampagnen, und wie man diese übersteht" am 22. April, 2002 erschienen




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