Sie haben für die Verlegertagung zwei Reden vorbereitet. Am Ende
haben Sie die harmlosere der beiden gehalten, warum eigentlich? (Die nicht
gehaltene, schärfere Rede ist nach dem Interview zu finden).
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"Ich messe vor einem Vortrag immer die Temperatur der Zuhörerschaft und frage mich,
was kann ich dieser zumuten. Das mache ich seit Jahren so. Gestern Abend
habe ich mich bei den Verlegern und Journalisten umgehört und deren
Erwartungen respektive Nichterwartungen an mein Referat getestet. Heute
Morgen hat mein Zimmernachbar, der ehemalige ZDF
Intendant Professor Dieter Stolte, gemeint: 'Bleiben Sie, wie Sie sind. Sie
können etwas ironisch sein, aber nicht allzu hart.' So habe ich
die sanftere der beiden Versionen gewählt."
|
Was war denn der Inhalt der schärferen Rede?
|
"Ich hätte ganz klar einige Artikel zitiert und diese dem
entsprechenden Journalisten und dessen Zeitung zugeordnet. Dabei steht
immer die Frage im Raum: Was sind das für Recherchen? Das Wichtigste
aber, was ich nicht gesagt habe: Ein Sportjournalist genügt heute
nicht mehr, um die FIFA und deren Präsidenten zu analysieren. Der
Fussball ist ein Bestandteil der Gesellschaft und hat nicht nur
sportliche, sondern auch wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle
Aspekte. Wer nun behauptet, die FIFA hätte 1,6 Milliarden Franken
Schulden, muss auch eine Bilanz lesen und interpretieren können. Als
Gegenbeispiel nenne ich aber Felix Reidhaar von der NZZ. Dieser hat sich
die Mühe gemacht und hat während vier Stunden mit dem Finanzchef
und seinen zwei Mitarbeitern unsere Buchhaltung analysiert. Seine
Erkenntnisse erschienen auf fast einer Seite."
|
Wie reagiert man aber auf solche Angriffe? Verschliesst man sich
jeglicher Kritik oder erkennt man in den Vorwürfen manchmal auch
einen Funken Wahrheit?
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"Bei der ganzen Medienkampagne im vergangenen
Sommer versuchte ich, auf die Angriffe zu reagieren, merkte aber bald,
dass unsere Kommunikationsabteilung unter dem Generalsekretär
(Michel ZenRuffinen; Red.) ein falsches Spiel spielte.
Trotz meines
Stürmerbluts geriet ich immer mehr ins Mittelfeld anschliessend in
die Verteidigung. Am Ende stand ich im Tor."
|
Sie kritisieren Ihre eigene Kommunikationsabteilung. Wurden Sie
während der ganzen Medienkampagne, in welcher Sie der Korruption
beschuldigt wurden, von niemandem beraten?
|
"Ich hatte doch keine Chance;
ich konnte an den Pressekonferenzen sagen, was ich wollte, aber niemand
nahm es zur Kenntnis. Frei nach dem Motto: Die Botschaft hör ich
wohl, aber sie interessiert mich nicht. Es herrschte eine vorgefasste
Meinung, man wollte mich abschiessen. Das war es."
|
Was für eine Rolle spielten die Schweizer Medien in dieser
Kampagne gegen Sie?
|
"Das war eine Konspiration, um mich unwählbar
zu machen. Die Schweizer Medien haben all die Vorwürfe
nachgeplaudert."
|
Sie sprechen von einer Konspiration. Warum lassen sich
die Medien Ihrer Meinung nach instrumentalisieren?
|
"Ich bin eine Person, die niemanden kalt lässt. Entweder mag man
mich oder man mag mich nicht. Ich bin nicht halb-halb'. Am Ende steht
immer die Aussage: Er macht eine gute Arbeit, oder er macht gar nichts.
Das ist immer eine Gratwanderung, bei der die veröffentlichte Meinung
schnell auf eine Seite kippt."
|
Kann man ein Negativbild nicht mehr umkehren? Glauben Sie, dass die Medien
alle Vorwürfe nachäffen und sich niemand getraut, eine andere
Meinung zu vertreten?
|
"In meinem Fall wagten sich nur wenige Medien auf
meine Seite. Nach meiner Wahl war ich sogleich wieder der grosse Held."
|
Aber bereits bei Ihrer ersten Wahl zum FIFA-Präsidenten 1998
standen Sie im Mittelpunkt der Kritik.
|
"1998 war aber eine kleine
Sache im Vergleich zur diesjährigen Kampagne. 1998 war ich ein
freigestellter Generalsekretär, der die Frechheit hatte, den
gewählten UEFAPräsidenten Johansson anzugreifen oder, wie man
im Wallis sagt, anzuspringen. Meine Gegner sagten, der macht das sowieso
nicht. Am Ende wurde ich aber gewählt. Jetzt wollte mich aber die
gleiche Gruppe weghaben. Das ist die Gruppe der schlechten Verlierer."
|
Trotzdem: 1998 beschuldigte Sie der Autor David A. Yallop in seinem
mittlerweile verbotenen Buch "Wie das Spiel verloren ging" der
Korruption.
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"Mit Büchern will sich jeder profilieren."
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Die Weltwoche hat Ihnen vorgeworfen, dass die FIFA eigentlich konkurs
sei.
|
"Die KPMG hat uns ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die KPMG ist
weltweit eines der führenden Wirtschaftsprüfungsunternehmen."
|
Viele Wirtschaftsprüfer kamen durch verschiedene Wirtschaftsskandale
selber in die Kritik...
|
"Sicher nicht die KMPG, das ist eine der
solidesten Firmen überhaupt. Hören Sie, das ist genau das,
was sich die Presse erlaubt: Irgendwer behauptet irgendetwas, und man ist
wehrlos. Eine Zeitung schrieb über Carolina Müller-Möhl,
sie sei schwanger, was aber nicht stimmte. Dagegen können Sie
nichts tun."
|
Trotzdem: Die FIFA ist eine weltweite Organisation mit divergierenden
Interessen. Da kann sowieso nicht immer alles reibungslos laufen. Was
können Sie da machen?
|
"In der Neuorganisation der FIFA wird die
Kommunikationsabteilung direkt dem Präsidenten unterstellt. Das
heisst: Ich werde mich persönlich um die Kommunikation
kümmern. Diese Tätigkeit umfasst neben der Betreuung der
gedruckten und elektronischen Medien auch die Public Relations, die
Bereiche also, die das Image der FIFA prägen. Wir müssen das
alles neu aufbauen."
|
Warum haben Sie das früher nicht selber gemacht? Das Image ist ja
das A und O einer Organisation.
|
"Das hat man mir ja vorgeworfen. Einer
der Vorwürfe lautete, ich nähme dem Generalsekretär alle
Arbeit weg. Dieser Brief, unterschrieben von drei Vizepräsidenten,
zirkulierte um die ganze Welt. Das ist ja schizophren. Darin konnte man
lesen, ich sei morgens um sieben im Büro und erledige die ganze
Arbeit auch die des Generalsekretärs - mit meinen Adlaten. Zwei,
drei Seiten später steht im gleichen Brief, ich reise immer in der
Welt herum, verspreche allen Geld und sei nie im Büro. Sie sehen, so
lief der Wahlkampf. Jetzt müssen wir aber einiges ändern. Dank
der Weltmeisterschaft ist das Image der FIFA wieder gut. Der Kampf um
unsere Glaubwürdigkeit, unseren Kredit geht weiter. Ich kann jetzt
nicht mit den Schweizer Medien auf Konfrontation gehen und sagen: Ihr
seid die letzten Leute!"
|
Sie betonen immer wieder Ihr Engagement für den Fussball. Am Ende
reduzierte sich Ihre Tätigkeit in den Medien aber nur auf einen
kleinen Fall: Sie gaben einem afrikanischen Schiedsrichter Geld, was
schlussendlich als Korruption aufgefasst wurde.
|
"Wer das so sieht, ist juristisch nicht durch.
Warum soll das Korruption sein, wenn ich jemandem
eigenes Geld gebe? Dieser Schiedsrichter kann mir gar nicht helfen. Helfen
könnte mir höchstens der afrikanische Verband. Der Abdruck
dieses Dokuments tat am Ende der FIFA weh."
|
Man hat den Eindruck, Sie sind immer noch stark verletzt wegen der
Anschuldigungen.
|
"Die Korruptionsvorwürfe sind hirnverbrannt. Nein,
physisch und psychisch ging es mir gut, sonst hätte ich die ganze
Angelegenheit nicht überstanden. Aber meine Seele hat unter der
Medienkampagne gelitten. Wenn man 27 Jahre in einem Betrieb arbeitet,
sich 27 Jahre für die Entwicklung des Fussballs einsetzt,
und plötzlich wird einem vorgeworfen, man sei korrupt, tut
es einem weh. Das schmerzt innerlich. Diese Vorwürfe sind so
hirnverbrannt. Ein bekannter Professor schrieb in einem Gutachten,
warum sollte ich ausgerechnet auf meine Mühle arbeiten, wenn ich
Präsident bin? Warum soll ich dazu 27 Jahre warten?"
|
Hat es Sie verletzt, dass Ihnen der Bundesrat nicht zur Wiederwahl gratuliert
hat?
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"Verletzt nicht - aber ein bisschen irritiert. Als Entschuldigung
kam die Begründung, bei einer Wiederwahl werde nicht gratuliert. Da
darf man einem Sportler, der zweimal gewinnt, beim zweiten Mal auch
nicht mehr gratulieren. Doch gerade das macht man ja. Sogar wenn einer
beim Pfeilwerfen Weltmeister wird, gratuliert die Regierung."
|
Glauben Sie, dass Ihr Image durch die Kampagne nachhaltig beschädigt
ist; dass gewisse Vorwürfe hängen bleiben?
|
"In den Fussballerkreisen, bei den Verbänden hat mein Image nicht gelitten,
sonst hätte ich nicht so viele Stimmen gehabt."
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Aber Sie hatten keinen starken Gegenkandidaten.
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"Meine Gegner glaubten noch am Vortag, sie würden zwischen 102 und
170 Stimmen erzielen. Am nächsten Tag war aber nichts mehr. Ein
bisschen Taktik gehört dazu." (Blatter schmunzelt.)
"Ich verlasse mich auf meine Intuition - Taktik und Strategie sind aber auch sehr
wichtig!"
|
Einerseits sprechen Sie von Konspiration, andererseits betonen Sie immer
wieder, dass man im Fussball eine grosse Familie sei. Nach Ihrer Wahl
mussten sich alle Anwesenden die Hand geben.
|
"Das werden wir sehen, ob
wir wirklich eine grosse Familie sind. Drei der grossen Verbände
Kamerun, Marokko und die Arabischen Emirate - kamen nach der Wahl zu
mir, erklärten ihre Opposition und beteuerten, dass sie in Zukunft
wieder mit mir zusammenarbeiten wollen. Afrikanische Politiker haben
die Losung herausgeben, wenn ein Afrikaner als FIFA-Präsident
kandidiere, solle man diesen auch wählen. Die Verbände sind
kein Thema mehr. In der Schweiz und überall werde ich grossartig
empfangen. Mit wenigen Ausnahmen; die Italiener versuchten mich wegen
eines Schiedsrichters anzupöbeln, der Tages-Anzeiger forderte,
ich solle zum Hungerlohn Fussbälle vernähen. Angespielt auf
angebliche Kinderarbeit bei der Herstellung von Fussbällen. Das
ist die Konsequenz meiner Popularität. Thomas Borer ist fertig -
aber ich bin immer noch im Fussball tätig."
|
Trotzdem - Sie sind nach Ihrer glänzenden Wiederwahl völlig
immun gegen Presseangriffe. In Zukunft muss man Ihnen alles doppelt
beweisen.
|
"Eine interessante Bemerkung. Die aufgerissene Wunde ist
völlig vernarbt. Es heisst: Dem Blatter kann man alles anhängen,
aber der ist immer noch da. Vor allem waren die Vorwürfe nicht
bewiesen."
|
Das heisst, Sie sind jetzt nicht mehr angreifbar?
|
"Es sei denn, ich würde einen riesengrossen Fehler machen. Wer viel
arbeitet, macht ab und zu einen Fehler."
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Inwieweit muss man als FIFA-Präsident bei diesen divergierenden
Interessen ein guter Taktierer sein?
|
"Ich kenne die FIFA und ihre
Mechanismen seit 27 Jahren. Ich sah sie wachsen, kenne aber auch die
verschiedenen Gruppierungen. Bereits als Generalsekretär hatte ich
eine starke Stellung. Der damalige Präsident Joao Havalange war ein
Patriarch und gab von Zeit zu Zeit seinen Segen. Ansonsten mischte er sich
nicht in das Tagesgeschäft ein. Ich arbeite viel mit Intuition. Meine
Strategie ist, Friede in der FIFA zu haben. Dafür muss ich
projektgebunden vorgehen. Auch heute Morgen - an der Verlegertagung
- wählte ich eine Strategie. Ich brachte den Zuhörern den
Schmus. Einer der Journalisten meinte anschliessend: Wir haben Ihre
Medienschelte schon verstanden, aber sie war schön verdeckt!"
|
Wie sehen Sie jetzt die Schweizer Medien in einer internationalen
Rangliste?
|
"Ich klassiere nicht. Aber ich kann nur so viel sagen: An
umgekehrter Stelle wie in den FIFA-Coca-Cola Rankings." (Blatter lacht.)
|
Noch ein paar Stichworte zu sportlichen Ereignissen. Hat die
Fussball-Europameisterschaft in der Schweiz und Osterreich eine
reelle Chance?
|
"Ich kann nur sagen, die Kandidatur ist eine
starke Kandidatur. Sie machen es gut. Die Organisatoren bauen
ein gutes Beziehungsnetz auf. Ich habe soeben mit Ralf Zloczower,
dem Präsidenten des Schweizer Fussballverbandes, darüber
gesprochen. Die Fussball-EM hat sicher mehr Chancen als eine mögliche
Olympiakandidatur von Bern."
|
Ansonsten sagt man, die Schweiz sei im weltweiten Lobbying eher
dilettantisch - Stichwort Sion 2006. Jeder glaubte, die Sache sei
gelaufen, doch am Ende siegte Turin.
|
"Das ist etwas anderes. Ich war
vor Adolf Ogi der erste Präsident des Kandidaturkommitees von Sion
2006. Als ich zum FIFAPräsidenten gewählt wurde, gab ich mein
Amt ab. Olympische Spiele kann man keineswegs mit Fussballmeisterschaften
vergleichen. Da spielen andere Kräfte. Die Winterspiele sind
sehr stark abhängig vom amerikanischen Fernsehen; rund 70 Prozent
der Einnahmen stammen von NBC, einer der grossen Gesellschaften. Die
Amerikaner interessieren sich vor allem für Eissportarten. Das
bringt Einschaltquoten. Am beliebtesten dabei ist Eiskunstlauf -
viel mehr als Eishockey. Skirennen oder die nordischen Disziplinen
interessieren die Amerikaner kaum. Warum also Turin? Die Familie Agnelli
in Turin, IOC-Mitglied Henry Kissinger und die NBC haben sehr engen
Kontakt. Der Präsident des italienischen Fussballverbandes hat mir
nahegelegt, mich nicht um die Olympiakandidatur zu kümmern. Ich sei
Fussballpräsident. Ansonsten bekäme ich keine Unterstützung
der Italiener mehr."
|
Wie ist dann der Einfluss von Adolf Ogi im internationalen Sport? Ihr
Verhältnis hat nach der Nichtnomination von Adolf Ogi ins IOC stark
gelitten.
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"Ja, als Uno-Sonderberater für Sportfragen hat Dölf
einen grossen Einfluss. Man muss ihn einfach richtig miteinbeziehen. Unser
Verhältnis ist wieder gekittet. Ich habe ihn gerade am letzten
Freitag getroffen."
|
Was für Kräfte spielen jetzt im internationalen
Sportgeschehen?
|
"Ich bin in meiner Funktion als FIFA-Präsident
seit 1999 auch Mitglied des TOC. Bei der Vergabe der Olympischen Spiele
haben die nationalen Interessen sowie das verbundene Prestige einen
viel grösseren Stellenwert als bei Fussballmeisterschaften. Bei
den Olympischen Spielen gibt es so genannte Key Player wie
Fernsehanstalten. Das ist eine grosse Macht. Im Fussball gibt es das
nicht. Jeder Fussballverband hat eine Stimme. Unsere Marketingpartner
- die meisten stammen aus den USA und Asien haben noch nie versucht
zu intervenieren. Bei einem Entscheid, ob die Spiele etwa in Afrika
stattfinden oder nicht, bleiben sie neutral. Die IOC-Mitglieder stimmen
auch individuell ab."
|
Jetzt sind über 20 internationale Sportverbände in der
Schweiz. Wird das auch in der Zukunft so sein?
|
"Solange wir nicht in
der EU sind: sicherlich! (Blatter lacht.) Es gibt zwei Gründe,
warum die gerne in der Schweiz sind. Zum einen ist die Schweiz ein
sehr, sehr sicheres Land auch in finanzieller Beziehung. Zum andern
benötigt ein Verband vielsprachige Mitarbeiter. Kein anderes Land
hat ein solches Potenzial an so gut ausgebildeten Arbeitskräften
wie die Schweiz. Sie sehen, mit Politik hat dies wenig zu tun."
|
Aber haben Sie nie den Neid des Auslands gespürt? Gerade bei der
FIFA sind weit über die Hälfte Schweizer.
|
(Blatter schweigt lange.)
"Nein, solchen Neid habe ich wirklich nie gespürt. Wenn
Zürich das Ausländerkontingent lockern würde, hätte
die FIFA auch mehr ausländische Angestellte.
|
"Was Joseph Blatter in St. Moritz nicht sagte:
Die ungehaltene Rede: "Zwischen Sturm und Verteidigung - ich und die Medien"
"Zwischen Sturm und Verteidigung - ich und die Medien" - das ist ein
reizvoller Titel für einen Mann, der nicht nur als Fussballspieler,
sondern auch in seiner privaten beruflichen Karriere stets das
Stürmerblut in sich spürte. Der mit diesem Stürmerblut
manch eine Verteidigung überspielen musste, der mit offensiver
Einstellung einiges bewegt und vielleicht auch erreicht hat. Der das Spiel
mit den Medien zwar nie völlig beherrscht, aber dennoch immer geliebt
hat und übrigens weiterhin liebt. Der nun aber erleben musste, dass
Medien bereit sind, auch eine Vernichtungskampagne zu führen. Und
der vor allem erleben musste, dass es in diesem Spiel, anders als im
Fussball, keine Schiedsrichter gibt, die ein Foul pfeifen und damit
versuchen, die Gerechtigkeit wiederherzustellen, von gelben und roten
Karten ganz zu schweigen. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich kein
wehleidiger Typ bin. Dass ich einstecken und auch vergessen kann. Dass
mich das Heute mehr interessiert als das Gestern und das Morgen noch
mehr als das Heute. Aber ich muss Ihnen hier in idyllischer Umgebung
gestehen, dass ich infolge der Medien das menschlich und beruflich
härteste Jahr meines Lebens hinter mir habe. Ein Jahr, das mir
an die Substanz ging und von dem ich mich noch nicht richtig erholt
habe. Ein Jahr, in dem mir die Medien härter zugesetzt haben,
als ich mir das je hätte vorstellen können. Wir werden wohl
im Laufe der heutigen Zusammenkunft noch viel Grundsätzliches,
Salbungsvolles, Philosophisches und Theoretisches über die Medien
vernehmen, von vierter Gewalt, von Schutz der Demokratie, von Kontroll-
und Aufsichtsfunktionen, vielleicht auch von Freiheit und Gerechtigkeit
und weiss nicht was alles zu hören bekommen, wenn Medienvertreter
unter sich sind. Jeder fühlt sich ja schliesslich als grosser
Ethiker. Medienschaffende wollen, noch mehr als andere, gute Menschen
sein. Und Verleger würden ebenso wie Journalisten niemals zugeben,
dass sie letztlich nichts anderes tun müssen als Produzenten von
Autos, Waschmitteln und Kühlschränken, nämlich eine
Ware verkaufen. Ich werde nichts dergleichen zu sagen haben. Ich kann
leider nicht von ethischen Werten und staatspolitischen Aufgaben der
Medien reden, sondern von brutalen, voreingenommenen, manipulierten,
diffamierten, faulen und vor allem inkompetenten Medien beziehungsweise
Medienvertretern. Und weil ich nicht abstrakt philosophiere, sondern
konkret erzähle, kann ich alle meine Ausführungen belegen. Ich
kann lückenlos darlegen, wie die Kampagne gegen mich vor allem
in England, Deutschland und in der Schweiz aufgebaut, dirigiert und
einem Höhepunkt zugesteuert wurde. Und ich kann Ihnen auch zeigen,
wie blitzartig sich die Kampagne in nichts aufgelöst hat, nachdem
ich in Seoul mit dem Ergebnis von 139:56 Stimmen in meinem Amt als
FIFA-Präsident bestätigt worden bin. Glücklicherweise
kann ich Ihnen - das möchte ich betonen aber auch einige Beispiele
positiven journalistischen Schaffens nennen, Beispiele von redlichen
Journalisten, die sich um die Fakten bemühten, bevor sie die Urteile
fällten. Ich werde später darauf zurückkommen. Sie alle
haben verfolgen können, wie ich während der Jahre 2001 und 2002
in den Medien angegriffen worden bin. Wie mir Misswirtschaft, Korruption,
Nepotismus, Vernachlässigung der Amtspflichten, ja sogar kriminelle
Tatbestände unterstellt worden sind. Das ging so weit, dass meine
politischen Gegner in Seoul sogar während der Kaffeepause des
FIFA-Kongresses, bevor ich gewählt wurde, Zeitungsausschnitte mit
Anklagen gegen meine Person unter den Delegierten verteilten. Es gibt
wohl nur wenige Persönlichkeiten, die vor einer Wahl derart um einen
neutralen Ausdruck zu gebrauchen - hart attackiert worden sind, wie es
mir widerfuhr. Bemerkenswert war auch, dass sich die Medien nur mit mir
und niemals mit dem Gegenkandidaten Issa Hayatou beschäftigten. Mein
Gegner war überhaupt kein Thema. Vielleicht liegt Kamerun selbst
für noch so kritische Journalisten ganz einfach zu weit weg,
vielleicht war es aber auch schlicht viel bequemer, sich auf gezielte
Informationen aus meinem gegnerischen Lager zu stützen, um das
Untergangsszenario der FIFA zu verbreiten. Was aber bis zum heutigen
Tag alle verblüffen müsste:
Kaum war ich gewählt, herrschte wieder Ruhe im Walde.
Von einem Tag auf den anderen war ich
nicht mehr ein übler, korrupter, die FIFA in den finanziellen
Ruin führender Präsident, sondern offensichtlich wieder
ein ganz normaler Amtsinhaber. Wie kann es sein, dass die Medien von
einem Tag auf den anderen ihr Interesse an der angeblich so korrupten,
üblen, verderblichen Amtsführung des Sepp Blatter verlieren?
Wie glaubwürdig sind Medien, die bis zur Wahl den Weltfussball in
höchster Gefahr sehen, falls der Sepp Blatter wiedergewählt
wird, die aber schon am Tag nach der Wahl und nach einer monatelangen
Kampagne gleich wieder zur Tagesordnung übergehen?
Wie kann eine SonntagsZeitung vor der Wahl schreiben, die FIFA werde Ende
2002 mit 1,6 Milliarden Franken in der Kreide und vor dem Konkurs
stehen, und nach der Wahl diese zugegebenermassen absurde - These
gleich stillschweigend begraben? Wie kann eine Weltwoche vor der Wahl
monatelang wiederholen, die FIFA habe, vor allem wegen des dubiosen
Führungsstils ihres Präsidenten Blatter, beim Konkurs ihres
Marketingpartners ISL/ISMM Hunderte von Millionen Franken verloren,
und auch diese ebenso abwegige These stillschweigend begraben, nur weil
ich wiedergewählt worden bin? Wie seriös arbeiten Journalisten
eines Verlages, wenn die Wirtschaftsredaktion der Werktagsausgabe und
die Redaktionsleitung der Sonntagsausgabe bei gleicher Faktenlage zu
einer völlig anderen Auffassung kommen als die Sportredaktion? Wie
kann eine Zeitung, die ernst genommen werden will, einen von Kenntnissen
völlig unbefleckten Römer Korrespondenten auf das Thema FIFA,
UEFA und Wahlkampf ansetzen? Staunen musste ich auch, wie ein grosser
Teil der Westschweizer Presse völlig kritiklos die Anschuldigungen
übernahm und verbreitete, die mein früherer Generalsekretär
ihr diktierte. Wie kann es kommen, dass aufgrund von ganz banalen Zahlen
und Fakten das Pendel in den Medien zwischen Untergang des Fussballs
und Courant normal ausschlägt? Denn die Zahlen, die ich vorlegte,
waren vor der Wahl die gleichen wie nach der Wahl. Die Zahlen haben
offensichtlich die Fantasie einiger Journalisten entweder zu sehr angeregt
oder schlicht überfordert. Das Gegenteil fand bei der NZZ statt:
Der Sportchef, der mir gegenüber seit Jahren keineswegs unkritisch
eingestellt ist, liess den ausführlichen Geschäftsbericht
der FIFA von Wirtschaftsredaktoren durchsehen. Gründe, die
Alarm- oder gar Konkursglocken läuten zu lassen, fanden
diese offensichtlich nicht. Apropos Konkurs: Der Konkurs des
früheren FIFA-MarketingPartners ISL/ISMM war bis zum Grounding
der Swissair die wohl grösste Wirtschaftspleite unseres Landes. In
kürzester Frist wurde über eine Milliarde Franken an die Wand
gefahren. Für die Medien war die Analyse einer derart monumentalen
Pleite seltsamerweise kein Thema. Die Verweigerungsstrategie der
ISL-Manager gegenüber den Medien hatte Erfolg. Weil die kläglich
gescheiterten Manager keine Auskünfte und schon gar keine Interviews
gaben, wurden sie von den Medien in Ruhe gelassen. Stattdessen wurde
mir, beispielsweise in der Weltwoche und in der Wirtschaftsredaktion des
Tages-Anzeigers, regelmässig unterstellt, ich würde das wahre
Ausmass des Konkursschadens der FIFA verschleiern. Dies von Journalisten,
die offensichtlich weder über den Inhalt der FIFAVerträge,
die Hintergründe der monumentalen Pleite, noch über den Ablauf
eines Konkurses Bescheid wussten. Es war überhaupt frappierend, mit
welcher Lockerheit - um nicht zu sagen: Dreistigkeit - in diesen bewegten
Monaten mit Zahlen, Fakten und Forderungen umgegangen worden ist. "Blatter
vor dem Sturz" frohlockte etwa der Spiegel. Ich hätte vom damaligen
FIFA-Generalsekretär "Hunderte von Dossiers ferngehalten", war
eine weitere Behauptung. Mein Salär soll 4,5 Millionen Euro pro
Jahr betragen, spekulierte in Deutschland "Die Welt". Leider entspricht
diese Zahl nicht der Wahrheit. Und als mein Salär längst
bekannt und in verschiedenen Medien publiziert worden war, forderte
der Chefredaktor der Sonntags Zeitung in einem Kommentar immer noch
unentwegt vom Weltfussball Transparenz und von mir die Bekanntgabe
meines Gehalts. Mein Gehalt schien überhaupt ein zentrales Thema der
gesamten Kampagne zu sein. Ich gebe es an dieser Stelle gerne nochmals
bekannt, wenn ich im Austausch die Salärbeispiele der Chefredaktoren
- bei allem Transparenzgeschrei der Medien nach wie vor ein bestens
gehütetes Geheimnis - erfahren kann. Das Thema Blatter und seine
Präsidentschaft bewegte offenbar zumindest in Mitteleuropa alle. Und
je weniger die Bewegten vom Geschehen innerhalb der FIFA Bescheid wussten,
desto grösser waren die Worte der Kritik. Jeder durfte und jeder
konnte, notfalls unter dem Titel persönliche Kolumne, in den
Medien bekanntlich ein anerkannter Freipass für die Verbreitung
persönlich gefärbter Ignoranz. So liess sich im Magazin
des Tages-Anzeigers der Kulturschaffende Urs Widmer wortwörtlich
vernehmen, die FIFA sei ein "megalomaner Sauhaufen", wo eine Hand die
andere wäscht und jeder Fuss in jeden Hintern tritt. Wo ein jeder
Fussball sagt und Geld meint. Und dass der Blatter der Letzte sei,
der das ändern wolle. Der Poet Urs Widmer beruft sich auf "viele
Kenner des Fussballs eigentlich alle ausser Franz Beckenbauer und Michel
Platini". Und Fussballkenner Urs Widmer fordert zugleich ein Ende
mit Schrecken für die FIFA. Um dieses Ende herbeizuführen,
sei ich, der Blatter, der geeignete Mann. Immerhin wähnte er
Platini und Beckenbauer auf meiner Seite. Wenigstens etwas. Der eine
wurde Europameister, der andere Weltmeister. Den Nobelpreis für
seine Literatur kann sich Urs Widmer mit seinen Kolumnen immer noch
holen. Was würden Sie sagen, wenn ich aufgrund meiner Erfahrungen
oder ganz einfach aus einer persönlichen Laune heraus schreiben
oder sagen würde, eines der Unternehmen, das Sie hier vertreten,
sei ein megalomaner Sauhaufen, eine Hand wasche dort die andere und
jeder trete den anderen in den Hintern? Jeder rede zwar ständig
von Pressefreiheit, aber meine dabei nur Geld? Und dass der Verleger der
Letzte sei, der das ändern möchte? Der Tages-Anzeiger forderte
vor ein paar Tagen in grossen Buchstaben, ich solle "zum Hungerlohn
Fäden vernähen". Angespielt wurde auf angebliche Kinderarbeit
bei der Herstellung von Fussbällen, ein bei den Medien beliebtes
Thema, das die FIFA mit den Ball-Produzenten seit Jahren bearbeitet
und auch weit gehend unter Kontrolle hat.
Aber lassen Sie mich eine Offerte machen:
Ich gehe nach Pakistan Fussbälle nähen, sofern
Michael Ringier und Hans Heinrich Coninx gleichzeitig in Bangladesch
Altpapier sammeln.
Meine Damen und Herren, ich sollte gemäss dem mir
vorgelegten Thema vor Ihnen über meine Erfahrungen zwischen Sturm
und Verteidigung referieren. Der Sturm, der durch die Medien über
mich hereingebrochen war, ist damit kaum gemeint. Und der Sturm, den ich
gerne anführen möchte, war es auch nicht.
Tatsächlich
befand ich mich nur in der Verteidigung. Noch viel schlimmer: Ich kam
kaum aus dem 16-Meter-Raum heraus, der für mich zum veritablen
Strafraum wurde. Ich hatte gegenüber den Medien kaum Luft für
ein paar Befreiungsschläge.
Dazu ein typisches Bespiel: Das Schweizer
Fernsehen bat um die Möglichkeit, über mich ein Porträt
zu machen. Der Reporter kam nach Mali, um mich beim African Cup of
Nations zu filmen. Durch puren Zufall stiess der Reporter in Mali auf
den Engländer Andrew Jennings, seit Jahren ein besonders heftiger
Kritiker des TOC und der FIFA, wobei er vor allem meine Person im Auge
hat. Jennings führte den Reporter von Fernsehen DRS im Eilverfahren
in die Welt der Sportkritik ein, und heraus kam ein Porträt, das
für mich alles andere als schmeichelhaft war. Damit konnte und musste
ich leben. Auch mit der x-fachen Ausstrahlung eines anklagenden Interviews
des Schweizer Fernsehens mit einem afrikanischen FussballFunktionär,
dessen Rolle nie auch nur im Ansatz hinterfragt worden war, konnte
und musste ich leben. Das Schweizer Fernsehen hatte ja bekanntlich
beim FIFA-Kongress kein Stimmrecht. Was mich aber bedenklich stimmte,
war die grundsätzliche Geisteshaltung des Reporters. Als der
Linienflug Bamako-Paris der Air France ausfiel und wir, darunter
rund 15 FIFA-Mitglieder, darunter der Chefarzt einer Zürcher
Klinik, nicht noch zwei Tage wartend im schönen Mali verweilen
wollten, organisierten wir über unsere Fussballbeziehungen einen
Charterflug. Es war für uns eine Selbstverständlichkeit,
dass wir den gleichermassen wie wir gestrandeten Reporter des Schweizer
Fernsehens auch mitnahmen. Umso erstaunter waren wir, als sich der
Journalist in der besagten Reportage sogar noch über diesen Heimflug
in kritischer Weise lustig machte und dabei nicht einmal die Fakten
richtig darstellen konnte. Hauptsache, der Blatter und die FIFA sehen
wieder einmal möglichst schlecht aus!
Wer die Medien - oder zumindest einen grossen Teil davon gegen sich hat,
kommt aus der Verteidigung nicht heraus.
Das haben schon andere erleben müssen. Entweder bleibt er
gleich auf der Strecke, wie zum Beispiel vor Jahren der frühere
Botschafter in Washington, Carlo Jagmetti, oder der angegriffenen
Person droht schwerer beruflicher und gesellschaftlicher Schaden, wie
dies heute Thomas Borer, auch er ein ehemaliger Botschafter, widerfahren
könnte.
Die Variante, dass ein zu Unrecht angegriffener in den Medien
im gleichen Stile rehabilitiert wird, wie er kritisiert oder niedergemacht
wurde, habe ich noch nie gesehen.
Dass ein Medienorgan oder Journalist
sagt "Sorry, lieber Leser, da war nichts, wir haben uns geirrt", diese
Form der Entschuldigung gibt es nicht. Das höchste der Gefühle
ist bekanntlich die Gegendarstellung, ein jämmerlicher Ausweg im
Vergleich zu dem, was ein Angegriffener alles ertragen muss. Die Frage,
woher diese ungestüme Lust an der Kritik kommt, habe ich mir mehrfach
gestellt. Ein Grund dafür ist sicher die Tatsache, dass die Medien
nie die Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen. Es
gibt keine andere Berufsgattung, die auf derart leichtfertige Weise
Schaden anrichten kann, ohne dafür gerade stehen zu müssen. Da
hilft nicht einmal die Justiz, wenn man sich etwa vor Augen hält,
dass man Bürger zu Unrecht als Steuerhinterzieher darstellen kann und
dabei von den Richtern erst noch geschützt wird, wie das vor einigen
Tagen vor dem Zürcher Obergericht geschehen ist.
Mein Fall ist, was die Auswirkungen betrifft, kein typischer Fall. Es war zwar ein Fall,
aber ich kam nicht zu Fall.
Mir blieb nichts anderes übrig, als die
Angriffe der Medien mit mehr oder weniger Gelassenheit durchzustehen
und mich an jenen Organen zu trösten, die sich um Faktentreue
bemühten wie die bereits einmal genannte NZZ. Auch der Blick stand
hinter mir, weil er die Auffassung vertrat, dass es einer Schweizer
Zeitung nicht schlecht ansteht, wenn sie einen Schweizer im Kampf
um einen der wichtigsten Posten im Weltsport gegen einen Kameruner
unterstützt. Eine Haltung, die bei der grundsätzlichen
Bereitschaft der Schweizer Medienschaffenden, im Zweifelsfall gegen die
Schweiz Stellung zu beziehen, alles andere als selbstverständlich
war. Das Resultat kennen Sie. Der Sepp Blatter wurde, trotz lauter und
heftiger Kritik von innen und aussen bis wenige Minuten vor der Wahl,
wiedergewählt. Bitte betrachten Sie mich nach all dem, was ich Ihnen
heute gesagt habe, nicht als wehleidig.
Wenn ich wehleidig wäre,
würde ich mich hüten, gegen die Medien etwas zu sagen, denn die
Rache der Medien an ihren Kritikern ist jeweils so sicher wie das Amen
in der Kirche.
Aber heute hatte ein von den Medien schwer getroffener
Zeitgenosse die einmalige Chance, den versammelten Bossen dieser Medien
Bericht zu erstatten und eine kleine Einsicht zu geben in Ereignisse, wie
sie sich in den vergangenen anderthalb Jahren zugetragen haben. Nicht
jeder erhält eine solche Chance, und wenige dürfen sich
erlauben, eine solche Chance zu nutzen. Vielleicht ist es mir gelungen,
einige Leute in diesem Raum etwas nachdenklich zu stimmen. Vielleicht
dringt aus dieser Versammlung eine Botschaft durch, die danach bis in
die Redaktionsstuben durchsickert:
Fair Play, please, ganz wie auf dem Fussballfeld.
Und etwas mehr Fachkompetenz. Etwas mehr Gelassenheit
und weniger Emotionen. Mehr Kopf und weniger Bauch. Mehr Klarsicht und
weniger missionarischen Eifer. Das Ergebnis wäre keineswegs ein
schlechter Journalismus. Das Ergebnis wäre vielmehr ein Journalismus,
der besser ist.
Ein Journalismus, der nicht nur kopflos stürmt und
angreift, sondern auch verteidigt.
Und zwar das, was er jeden Tag durch
ungestüme Angriffe zu verlieren droht: seine Glaubwürdigkeit,
seine Fachkompetenz, sein Ansehen, seine Transparenz. Man kann es auch
auf ein einziges Wort reduzieren: seinen Anstand. Alles Eigenschaften,
welche Journalisten täglich von der ganzen Welt fordern: von
Politikern, Militärs, Wirtschaftsführern, Sportlern und
Kulturschaffenden, von allen, über die sie berichten. Die Frage,
die ich mir aufgrund meiner Erfahrungen heute zu stellen erlaube: Warum
nicht auch von sich selbst?
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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