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Zum Gebrauch von weiblichen Personenbezeichnungen. (Siehe auch Sexistische Feministische Rhetorik) |
Grund der Umformulierungen |
Seit den Gleichstellungsdiskussionen forderten feministische
Linguistinnen, dass zahlreiche Begriffe, die
ausschliesslich männlich geprägt waren, geändert
werden müssen. Sie fanden Formulierungen wie
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Verdoppelungen |
Eigenartigerweise wurden in Deutschland und Oesterreich die
Durchsetzung der weiblichen Personenbeschreibungen viel weniger
verbissen angegangen als in der Schweiz. Jedenfalls kam es im
deutschen Fernsehen kaum zu den überladenen Verdoppelungen wie
Emanzipation kostete überall mehr Zeit und Papier; bei den elektronischen Medien ist dies bekanntlich kostbare Sendezeit (z.B. bei Wetterprognosen, Reportagen usw). In der Schweiz kam es bei Moderatoren und Moderatorinnen über Jahre hinweg zu einer Verdoppelungsmanie. Bei Fernsehauftritten konnte es sogar zur sonderbaren Situation führen, dass Politikerinnen oft nur noch die männliche Form verdoppelten. Die Verdoppelung wurde gleichsam zum Ritual:
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Sprachschöpfungen |
Es kam zudem zu völlig unsinnigen Sprachschöpfungen, wie:
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Übertreibungen |
Beim feministischen Sprachgebrauch müssen wir Übertreibungen
vermeiden. Wer den Satz
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Verständlichkeit |
Fachleute, Journalistinnen und Dozentinnen merkten - vielleicht dank
der jüngsten Versachlichung der Thematik-, dass im Interesse der
Verständlichkeit die Sprache nicht weiter verstümmelt werden
darf. Es mussten brauchbare Möglichkeiten des Sprachgebrauches
gesucht werden, die den Anliegen der Frauen Rechnung tragen -
ohne grammatikalische Monster, zeitraubende Verdoppelungen und
ohne eine Entstellung der Sprache. Es gab allerorts beim Redigieren von
Texten, Inseraten und Anreden heftige Diskussionen.
Verleger merkten nach und nach, dass bei einem Buch -
falls jeder Begriff konsequent verdoppelt wird -, viel mehr Seiten
gedruckt werden müssten und der Text vor allem unverständlicher,
und viel ermüdender würde. Doppelnennungen beruhen ferner auf einem fundamentalen sprachwissenschaftlichem Irrtum. Die Gleichsetzung von biologischem Geschlecht und grammatikalischem Genus ist eindeutig falsch, denn es gibt drei Genera, das Maskulinum, das Femininum und das Neutrum. Es gibt aber nur zwei Geschlechter. Begriffe wie Mensch, Gast, Flüchtling, Person etc. können alle männlich und weiblich sein. Viele übersehen die Tatsache, dass allem Ungeschlechtlichen (der Ofen, die Wolke, das Fass) ein Genus zugeordnet ist. Genau so sind sämtliche Funktionen, die von Verben abgeleitet werden können und auf -er enden, trotz des maskulinen Genus nicht biologisch männlich zu verstehen. Ein Mensch, der liest, ist ein Leser. Einer der arbeitet, ist ein Arbeiter. Ein Mensch, der fischt, ist ein Fischer usw. Der Genus wird nicht nur geschlechtlich oder ungeschlechtlich, sondern auch übergeschlechtlich verwendet:
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Übergeschlechtliche Bedeutung |
Der extrem feministische Eingriff in die deutsche Sprache beruht
auf einem zusätzlichen Irrtum. Durch die konsequente Doppelnennung von
Funktionsträgern geht die übergeschlechtliche Bedeutung des
maskulinen Genus verloren. Dies führt zum Verlust des Oberbegriffs
der deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen, nicht unter geschlechtlichem
Aspekt ins Auge gefassten Menschen. Der Sexismus wurde mit der
Vergeschlechtlichung der Sprache nicht entfernt, sondern erst recht eingeführt.
Jeder Begriff müsste nämlich durch die Feminisierung dauernd
wiederholt werden. Dies führt jedoch zu unüberwindbaren Schwierigkeiten.
z.B.
Prof. Steiger von der ETH Zürich pflegte zu Beginn einer Vorlesungsreihe jeweils folgende Folie aufzulegen: |
Kürze als Verständlichkeitshelfer |
Ohne ausgebildeter Wahrnehmungspsychologe zu sein, erkennt jeder
Laie: Kürze ist und bleibt ein wichtiger Verständlichkeitshelfer. Ein Gedanke, der zu lang ist, wird bei mündlichen Kommunikationsprozessen nicht als Ganzes aufgenommen. (Nur ein Gedankenbogen von 13-15 Worten oder ein Gedanke - der 3 Sekunden dauert - wird als Einheit erfasst). Die kurzen Antworten spielen vor allem bei der Medienrhetorik eine wichtige Rolle. Jede verlorene Sekunde ist somit verlorenes Geld. Wer alles verdoppelt, verringert zudem seine Chance, die Kernbotschaft zeitgerecht zu vermitteln. Weil alle Fachleute eingesehen haben, dass konsequente Verdoppelungen stören, entwickelten sich im Laufe der Jahre verschiedenste Varianten, welche das Anliegen der Verständlichkeit - wie auch das Anliegen der Frauen - möglichst unter einen Hut zu bringen versuchte. Universitäten, Redaktionen und Verlage verfügen heute - nach einer Ära der Versachlichung der Thematik - über folgende hilfreiche Erkenntnisse: |
Unzitierbarkeit |
Sprachlich falsch ist eindeutig, etwas so zu schreiben, wie es nicht laut
zitiert werden kann: z.B.
Deshalb verzichtet heute die Universität Zürich bewusst auf Kurzformen jeglicher Ausprägung. Gibt es noch weitere taugliche Regeln für Formulierungen, die niemanden diskriminieren? Februar 2012: ein Leser schreibt uns, dass das Argument der Unzitierbarkeit nicht überzeugt, weil an anderen Orten in der Sprache unzitierbare Zeichen vorkommen: "Wie werden dann Gedankstriche, Anführungsstriche für Reden betont oder Doppelpunkte für Aufzählungen. All diese Zeichen sind selbstverständlicher Teil der geschriebenen Sprache und nicht zitierbar. und schlägt vor "Der Vorschlag oder Unterstrich (Freund_innen) lässt sich durch eine Wortpause zitieren." |
Taugliche Varianten |
Vor und Nachteile der nachfolgenden Vorschläge sind immer im
Einzelfall abzuwägen.
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Gesunder Menschenverstand |
Verschiedene Versuche, alles in der weiblichen Form
umzuschreiben, sind unternommen worden. Keiner erlebte einen Durchbruch.
Selbst in der Schrift "Personalpolitik", bei der das männliche Geschlecht
bewusst eliminiert worden war, ist auf einer Seite zu lesen:
"Jede Mitarbeiterin hat das Anrecht auf regelmässige
Mitarbeitergespräche."
Immerhin fehlt am Schluss wenigstens der Satz: "Die Mitarbeiterinnen
männlichen Geschlechtes haben im Büro Frauenkleider zu tragen."
Heute ist die "Entmannung der Sprache" kein Thema mehr. Nach und nach triumphierte der gesunde Menschenverstand über jene Kreise, die unsere Sprache zum lächerlichen "Bandwurmgeschnatter" verkommen lassen wollten. Heute werden die Stimmen der Sprachästheten wieder ernst genommen. Viele Redaktionen besitzen brauchbare Richtlinien, die jedem Redaktor bewusst machen, dass eine Rede kein Text ist. Beides, Rede und Geschriebenes, müssen sich stets den Gesetzen der Verständlichkeit und der Ästhetik unterordnen. Denn: Niemand möchte einen unleserlichen Sprachsalat. Viele Redaktorinnen und Redaktoren lassen deshalb heute die männliche Form wieder bewusst durchgehen - im Interesse der Einfachheit. (Selbst die Wochenzeitung, die sich dem feministischen Sprachgebrauch verpflichtet fühlt, gestattet dies jetzt ausnahmsweise). |
Cartoon aus: Hogli, "Liebe FrauInnen!" Fackelträger, Hannover 1995 Quelle. |
Zum Englischen Sprachgebrauch |
Markus Mehring (m.m@gmx.net), ein freiberuflicher Übersetzer
mit den Fachgebietsschwerpunkten Luft- und Raumfahrt sowie Science Fiction,
sandte uns per email folgenden Gedankenexkurs zur Situation im Englischen: "Im Englischen gibt es bekanntermassen -anders als im Deutschen- zwar kein Genus (d.h. alle Substantive sind Neutren und es existieren nur die Artikel "a" und "the"), doch gibt es ein weit offensichtlicheres sprachliches "Problem", das in jüngerer Vergangenheit ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist: Das englische "man" bedeutet nicht nur "Mann", sondern gleichzeitig auch allgemein "Mensch" (ausserdem: Frau = woman, Menschheit = mankind, menschliches Wesen = human being, Menschlichkeit = humanity). Was den Nebeneffekt hat, dass jegliche historische oder sonstwelche Errungenschaften "des Menschen" sprachlich äquivalent immer erstmal Errungenschaften "des Mannes" sind und Leistungen von Frauen dabei quasi ausgeklammert werden. Die politisch-korrekte Vermeidung dieser Problematik in der Öffentlichkeit hat zwischenzeitlich zu einigen interessanten bis schrägen Wendungen geführt. Zum Beispiel:
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Fazit |
Bewusstes Formulieren ist wichtiger als Verbissenheit oder
Militanz. Die Zeiten liegen endlich hinter uns, da Sprachpolizistinnen in
jeder Diskussion zuerst aufgezählt hatten, wieviel Mal die weibliche
Form von einem Redner unterschlagen worden war.
Die Auseinandersetzung rund um die "feministische Sprache" hat in
jüngster Zeit zu brauchbaren Lösungen geführt. Die Bedeutung der
Reduktionsmerkmale wurde als Thema erkannt. Der extreme
Sprachfeminismus widersprach eindeutig der Sprachökonomie.
Dank des Denkprozesses ist uns anderseits bewusst geworden, dass die
Sprache stets unser Denken widerspiegelt und Formulierungen die
Einstellung prägen können; so wie sich auch die Einstellung auf die
Formulierung auswirkt. Die Thematik über "Frauensprache" hat sogar etwas mit Dialogik zu tun. Würde nämlich die Sprache als Instrument des Matriarchats gegen das Patriarchat aufgefasst oder umgekehrt, so hätte dies etwas mit Kampf oder Herrschaft zu tun. Was wir bei allen dialogischen Kommunikationsprozessen anstreben wollen, ist keine Kampfrhetorik. Es geht weder um die Durchsetzung des totalen Feminismus noch um die Rückkehr zum mittelalterlichen Patriarchat. Es geht bei dieser Thematik um Dialogik, im Sinne einer echten Balance oder Gleichberechtigung. Wichtig ist und bleibt die Gesinnung, welche hinter einer Aussage steckt. Reden wir deshalb künftighin bewusster! Verbeissen wir uns nicht. Die Sprache ist und bleibt ein geistiger Organismus, in den nicht ohne nachteilige Folgen beliebig eingegriffen werden kann. |
Vergleiche zu diesem Thema auch den Aktuell-Beitrag "Sprachpolizei säubert Schulbücher". |
Nachtrag vom August 2005: Wir finden Latours Bemerkung zur feministischen Sprache in einem Vorwort erwähnenswert (siehe Bild). Die Gedanken des Linguistikprofessors überzeugten uns. |
Nachtrag vom 9. Oktober, 2008: Zum grossen I wie bei TeilnehmerInnen
Für Sprachspezialisten ist längst klar, dass man die geschriebenen
Texte auch so aussprechen können muss, wie sie notiert ist. Dennoch ist das
grosse I immer wieder anzutreffen. Bekanntlich darf es beim Lesen nicht
besonders betont werden. Obschon diese Schreibweise unsinnig ist, treffen wir sie
leider immer wieder an. Grotesk waren übrigens auch die Voten vielen Politiker im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück beispielsweise sagte immer wieder in Voten am Fernsehen: "Die Sparer und Sparer...." Ein typisch unbedachte Formulierung. Er wollte nämlich auch die Frauen ansprechen und die Formulierung der Kanzlerin imitieren, die von "Sparerinnen und Sparern" sprach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass niemand dem Profi-Politiker auf dieses gedankenlose Wiederholen der männlichen Form aufmerksam macht. Beim Schreiben und Reden lohnt es, Sprechmarotten wie auch die unsinnige Schreibweise mir dem grossen I zu eliminieren. |
Nachtrag vom 27. März, 2009: zum Partizip Präsens Eine Weltwoche Kolumne von Thomas Meyer bemerkt, dass sich im Deutschen das Partizip Präsens zusehends falsch eingesetzt wird: Statt "Studenten" heisst es "Studierende", "Mitarbeiter" werden zu "Mitarbeitenden" und "Lehrlinge" werden zu "Lernende". Meyer meint, dass das Partizip Präsens eine momentane, abschliessende Tätigkeit ausdrückt wie im Beispiel: "Der Kommissar stellte den Flüchtenden" Eine Gebärende ist keine Gebärerin. Sie würde sonst pausenlos gebären. Ein Studierender ist einer, der einen Prospekt vor sich hat und diesen - einfach so vor sich hin - studiert. Dazu muss man aber nicht an einer Universität eingeschrieben sein. Genau so ist es bei einem Mitarbeitenden. Er wirkt jetzt gerade an einer Arbeit mit, ohne dass er Angestellter sein muss. Die Problematik ist auch in Wikipedia zu finden: | |
Es gibt keinen Grund für die Sprachveränderung, denn mit Studenten sind auch die Frauen mit eingeschlossen. Student bezeichnet eine Funktion, kein Geschlecht. Im Italienischen, wenn acht ragazze und ein ragazzo zusammen sind, spricht man auch problemlos von neun ragazzi. Dort wird diese Ordnung und Einfachheit nicht beanstandet. Es gibt schon zu denken, wenn man einer klaren sprachlichen Regelung unbedachterweise Sexismus unterstellt. Der Tagesanzeiger übernahm leider auch die sprachlich falschen Formen mit der fragwürdigen Begründung: "Bis zu einer definitiven Regelung benützen wir diese Form, auch wenn sie nicht korrekt ist!" |
"Ich glaube nicht daran, dass ein_e glaeubig_r Muslim_in auch Kapitalist_in sein kann". |
Herr Meier, was halten Sie davon, wenn Germanistikstudenten im Sinne einer
"antidiskriminierenden Sprache" weibliche und männliche Wortendungen
durch Sternchen ersetzen? Diese Regelung entspringt einem permanenten Diskriminierungsverdacht. Sie spricht Leute an, die auf Vorrat beleidigt sind. Darauf ist keine Rücksicht zu nehmen. Sie haben kürzlich einen offenen Brief unterschrieben, der verlangt, dass auf die konsequente Verwendung des Binnen-I (z.B. "LehrerInnen") verzichtet wird. Weshalb? Das Binnen-I ist extrem hässlich, rein ideologisch, Ausdruck von Pervertierung der Sprache und wird von keiner meiner Schriftstellerinnen-Freundinnen verwendet. Auch in den Spitzenverlagen, wo ich tätig war, hielt man glücklicherweise nichts von solchem sprachlichem Sektierertum. Halten Sie es für realistisch, dass sich Sprachregelungen wie die Stern-Endung bei künftigen Rechtschreibreformen durchsetzen werden? Germanistikstudenten haben kaum Einfluss auf künftige Rechtschreibreformen, weil etwa im Netz und per SMS sowieso jeder macht, was er will. Problematisch finde ich es, wenn sogenannte Gleichstellungsbeauftragte beispielsweise das Wort "Fussgängerstreifen" verbieten wollen - und diese Reglemente auch noch mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Wie soll diese Entwicklung aus Ihrer Sicht aufgehalten werden? Es muss nichts aufgehalten werden. Jedoch sollten sektiererisch wirkende Aktivitäten wenn immer möglich nicht durch Steuergelder unterstützt werden. Selber spreche ich als Rhetoriker die Frauen stets an, und ich finde es auch richtig, bei amtlichen Texten entweder beide Geschlechter direkt zu nennen oder einen freiwilligen Hinweis zu machen, dass die männliche oder weibliche Form beide Geschlechter meint. |
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