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Debattierclubs als Rhetorikschulung?

von Marcus Knill


Überzeugendes Reden ist ein wichtiger Bestandteil der Rhetorik. In der Geschichte der Demokratie sind wichtige Entscheidungen oft durch gute Reden gefallen.
So wird das Debattieren unter anderem auch in Schule und Universitäten in sogenannten Debattierclubs trainiert. In Wettkampfdebatten ist es aber wichtig, dass ausgebildete Juroren die Redner beurteilen.

Debattierclubs

An britischen und amerikanischen Schulen haben Debattierclubs eine lange Tradition. An deutschen Hochschulen hingegen üben sich Studenten erst seit einigen Jahren im sportlichen Redestreit. Es ist uns bekannt, dass in Sachsen zahlreiche Schulen testen, ob eine geschulte Rhetorik Vorteile für das Studium und den Beruf bringen kann. In den USA sind Debattierkurse im regulären Lehrplan an Schulen und Hochschulen eingebaut. In Deutschland entstand 1991 in Thübingen der erste Redeverein. Heute wird bereits an 20 Hochschulclubs die Rede und Gegenrede gepflegt. 2002 wurde der Verband der Debattierclubs (VDCH) mit Sitz in Berlin gegründet. Der Präsident, Christian Blum, betont, dass es in den letzten zwei Jahren viele Neugründungen gegeben hat. In den Clubs wird über aktuelle Probleme debattiert. Tradition haben aber auch Spassthemen wie: "Wir brauchen einen zweiten Mond."


Ziele der Clubs

Christian Blum erhofft sich, dass in den Clubs gelernt wird, ohne grosse Vorbereitung vor einem grossen Publikum zu reden. Der regelmässige Austausch von Teams und die entstehenden Kontakt sind ihm bei den Veranstaltungen auch wichtig. Verschiedene Dozenten bestätigen, dass sich das Debattieren positiv in den Zensuren bemerkbar macht. Die Freude an der sachlichen Auseinandersetzung steht bei allen Clubs im Vordergrund.
Lutz Thimm Lutz Thimm, von der Personalberatung Kienbaum in Gummersbach, ist überzeugt, dass begeisternde Redner im Beruf Vorteile haben gegenüber den rhetorisch ungeschulten Mitbewerbern.
Bei allen Betrieben steht heute die kommunikative und soziale Kompetenz, aber auch die Fähigkeit zur Selbstkritik, ganz oben auf der Liste der Anforderungen von Bewerbern.
"Leider wird an staatlichen Hochschulen diese Eigenschaften nicht ausgebildet" kritisiert Thimm, der jedes Jahr mehr als 200 Interviews mit Nachwuchskräften führt.
Er meint ferner:



"Viele scheitern an Bewerbungsgesprächen daran, dass sie nicht zuhören können oder den andern nicht ausreden lassen."

Hier kann fachgerechte Rhetorikausbildung Abhilfe schaffen.
Das sächsische Kultusministerium in Dresden hat 2001/2002 das "Pilotprojekt Debattierclubs" gestartet. 7 Schulen nehmen daran teil. Ausserhalb der obligatorischen Unterrichtszeit treffen sich Schüler zum Debattieren. Ihr Ziel: Die freie Rede üben und die eigenen Meinung begründend darstellen. Wenn der rege Zuspruch anhält, wird das Debattieren langfristig in den Unterricht eingegliedert.


Rhetorikschulung

Verschiedenen Pädagogen stellten bereits fest, dass jene Schüler, die im Debattierclub sind, ihre Meinung besser begründen können, freier reden und vor allem "Dinge auf den Punkt bringen" können.
Es scheint unbestritten, dass solche Schulung der Redefähigkeit das Selbstbewusstsein stärkt und die Persönlichkeitsentwicklung fördert. Trotz dieser Erfolge erhalten Debattierclubs an den Hochschulen wenig Unterstützung. Sie dürfen lediglich einen Raum kostenlos nutzen.
Wenn Rhetorik tatsächlich verhilft, freier, spontaner und ohne Angst auch vor einem neuen Publikum die eigenen Meinung zu vertreten, müsste diese Erkenntnis dazu führen, dass die Rhetorikschulung vermehrt gepflegt wird. Leider zeigen konkrete Abklärungen, dass es vielerorts an ausgebildeten Rhetoriklehrern fehlt. Es gibt leider Debattierclubs, die pflegen leider nur das künstliche, unnatürliche geschliffene Reden.
Wer Rhetorik vermittelt, müsste nach unserem Dafürhalten didaktisch geschult sein und die wichtigsten Kommunikationsphänomene kennen.




Wir verstehen Rhetorik als einen ganzheitlichen Prozess. Rezeptartige Trainings lehnen wir ab.



Rhetorik in der Schweiz

In der Schweiz wird die Rhetorik meist in den Deutschunterricht eingebaut. In den Lehrmitteln der Volksschule gibt es auf jeder Stufe entsprechende Uebungen. Germanisten bauen an den Mittelschulen ebenfalls gewisse rhetorische Elemente ein. Wir kennen Kantonsschulen, die zusätzlich Fachkräfte beiziehen und die Rhetorik in einer Projektwoche oder in einem sogenannten Präferenzkurs einbauen.
Damit sich unserer Zunge löst, lässt sich verschiedenes tun. Wir finden:

Debattierklubs können eine gute Sache sein, vorausgesetzt, die Clubs werden professionell geleitet.

Bild eines Debattierclubs in der Schweiz.


Regeln beim Debattieren

Der Debattierclub Tilburyhouse rät:
  • Verbrauch keine Zeit mit Unwahrscheinlichem oder Idiotischem.
  • Langweile das Publikum nicht mit Beispielen, die jederman einfallen würden.
  • Brauche originelle Beispiele mit klaren Kontouren.
  • Übertreibungen nicht ins Blödeln kippen lassen.
  • Vermeide abstrakte Konzepte, ausser wenn Du damit gut vertraut bist.
  • Benütze spezifische Worte und brauche sie oft.
  • Mache keinen zu selbstbewussten Eindruck.
  • Vermeide, allzu alltäglich auszusehen.


Was heisst Debattieren?

Nach www.tilburyhouse.de ist Debattieren die Entwicklung und Verteidigung einer Position über ein bestimmtes Thema. Die Debattiere müssen sich ans Thema halten und ihre Position im Rahmen dieses Themas vertreten. Die Debattierer haben 20 Minuten, um alleine die Pro und Contras eines Thema zu analysieren und um sich für die Debatte vorzubereiten. Die Debattierer haben sich an Regeln zu halten.
Nachdem ein Thema wie zum Beispiel "Dieses Kommitée glaubt, dass Geld der Grund alles Übels ist" gegeben ist, werden den Proponenten und Opponenten abwechslungsweise das Wort gegeben.


Debattierwettkampf Kriterien

Kriterium Positiv Negativ
Argumentsfülle Einfallsreich, starke Argumente, die schwierig zu kontern sind. Gute Beispiele, gute Beweisführung. Irrelevante oder schwache Argumente, arme Struktur, wenig Ideenreichtum und keine Originalität.
Aufbau Gut strukturiert, klare Disposition. Schwach struktuiert. Unverständlicher Aufbau.
Stil Gutes Selbstvertrauen, Augenkontakt, Verliert niemals die Kontrolle Zögert. Wenig Ideen. Kann leicht unterbrochen werden. Spricht zu schnell, zu laut oder zu leise.
Information Effektive Information. Vertraut mit den Gegebenheiten. Beantwortet Fragen ohne den Faden zu verlieren. Weicht nicht aus. Keine Information. Weigert sich, auf Punkte einzugehen oder ist unfähig, Fragen zu beantworten.
Teamarbeit Gute Teamvorarbeit. Keine Wiederholungen von Partnerargumenten. Baut auf Partnerargumenten auf anstatt sie zu wiederholen.
Zeiteinteilung Prägnant, nicht gehetzt. Überziehen der Zeit.


Quelle: übersetzt, lose adaptiert und etwas gekürzt von Tilbury House.


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Datum: 20. November, 2002




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