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www.rhetorik.ch aktuell: (13. September, 2003)

Neue Berlusconi Entgleisungen



Verharmlosungsrhetorik

Mussolini Berlusconi versteht es immer wieder, mit unbedachten Formulierungen einen Wirbel auszulösen. Erneut empörte ein Interview von Ministerpräsident Berlusconi nicht nur die Opposition. Im Gespräch mit Journalisten erklärte der Regierungschef, der Diktator Mussolini habe nie jemanden getötet und die Menschen nur "ferienhalber" in die Verbannung geschickt. Bereits vor einer Woche beschimpfte er im ersten Teil des Interviews die italienischen Richter als "geistesgestört". Berlusconi erklärte am 11. September, er habe Mussolinis Stellung in der Geschichte nicht neu bewerten wollen. Er habe lediglich auf einen Vergleich mit einen seiner Interviewpartner zwischen dem Italin zu Mussolinis Zeiten und dem Irak unter Saddam Hussein reagiert:

"Ich habe seinen Vergleich nicht akzeptiert oder den Vergleich meines Landes mit einem andern Diktator oder einer anderen Diktatur, jener von Saddam Hussein, die Millionen Menschenleben gefordert hat."


Der Chef der Linksdemokraten Fassimo war empört. Die Worte seien eine Schande und bezeugten von Verantwortungslosigkeit. Die abgründige Ignoranz des Regierungschefs werden in seiner Aussage deutlich.

"Die Worte sind eine Beleidigung für das nationale Gewissen und die Geschichte."




Richterbeleidigungen

Berlusconi Dass der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi kein all zu gutes Verhältnis zu Richtern hat, war zu erwarten. Wie tief seine Abneigung tatsächlich ist, offenbart seine jüngste Entgleisung in einem Interview das in Italien einen Eclat ausgelöst hatte. Berlusconi hatte im Interview mit dem britischen konservativen Wochenmagazin "The Spectator", das von der italienischen Tageszeitung "La Voce di Rimini" veröffentlicht wird, alle Richter als geistesgestört bezeichnet. In dem Gespräch mit dem britischen Magazin "Spectator" sagte Berlusconi über den Richterstand:


"Um diesen Beruf auszuüben, muss man geistig verwirrt sein, man braucht psychische Störungen."


Der Präsident des Berufungsgerichts von Palermo, Salvatore Scaduti, sagte, er sei völlig entgeistert über die Äußerungen Berlusconis:

"Diese Bemerkungen stellen eine Bedrohung des Prinzips der Gewaltentrennung und der Freiheit der Justiz dar und gleiten zudem ins Vulgäre ab."


Auch zahlreiche Oppositionspolitiker verurteilten die Äußerungen Berlusconis als inakzeptabel und forderten ihn auf, die Äußerungen zurückzunehmen.
Gegen Berlusconi wird wegen Richterbestechung ermittelt. Berlusconi hatte die Vorwürfe stets bestritten. Der Regierungschef sagte in dem Interview über Richter:

"Wenn sie diesen Beruf ausüben, dann deshalb, weil sie anthropologisch anders als der Rest der menschlichen Rasse sind."


Ein Sprecher Berlusconis sagte, bei dem Interview habe es sich

"um einen kleinen Sommerplausch"


mit einem konservativen Freund Berlusconis gehandelt. Der "Spectator" wird von dem konservativen Parlamentarier Boris Johnson herausgegeben.

Berlusconi hatte in diesem Jahr auch im Europa-Parlament einen Eklat ausgelöst, als er den Europa-Abgeordneten Martin Schulz in einer Debatte geraten hatte, in einem Film die Rolle des Aufsehers in einem Nazi-Konzentrationslager anzunehmen. Die Sache hatte zu Verstimmungen zwischen den beiden Ländern geführt.
Bei einem Auftritt im italienischen Staatsfernsehen im Mai dieses Jahres hatte Berlusconi erneut seine Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit formuliert: Richter seien Krebsgeschwüre, die herausgerissen werden müssten.
Mittlerweile ist Berlusconi etwas zurückgerudert. Nie hätte er Richter generell gemeint, liess der Politiker über einen Sprecher verlauten.
Berlusconis Interview im Wortlaut nach Tagesschau.de:
"Diese Richter sind in doppeltem Sinne wahnsinnig. Erstens sind sie es politisch. Und zudem sind sie überhaupt verrückt. Um diesen Beruf auszuüben, müssen sie geistesgestört sein und psychische Probleme haben. Sie machen diesen Beruf, weil sie anthropologisch andersartig sind als der Rest der menschlichen Rasse."


Nachtrag vom 16. Oktober: Attacke auf Berlusconi
Ein neues Wortgefecht erhitzte die Gemüter der italienischen Politik. Fraktionschef der Linken, Luciano Violante griff diesmal Berlusconi rhetorisch an:

"Die Mafia braucht in Italien keine Angst mehr zu haben. Nicht dank den Sicherheitskräften, sondern dank dem Regierungschef!"


Kritik scheint an Berlusconi abzuperlen. Er fühlt sich getragen von seinen Forza-Italia Anhängern. Wir staunten, wie diese Volksgruppe ihren "Silvio" bejubeln und sich von ihrer Begeisterung nicht abbringen lassen. Der Glaube an ihn scheint trotz allen negativen Vorkommnissen ungebrochen.

Fazit: Berlusconis "verbale Bomben" gehören zu seiner Kommunikationsstrategie. Es gelingt ihm immer wieder, mit gezielten Provokationen von den eigentlichen Problemen und Schwachstellen abzulenken.


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