Sind Fernsehduelle wahlentscheidend?
Nachdem in Amerika angeblich einige TV- Zweikämpfe wahlentscheidend waren,
glauben in Europa immer mehr Journalisten und Stimmberechtigte, dass
Medien- Rededuelle den Wahlausgang erheblich beeinflussen können.
Beispiele die solche Interpretationen stützen, sind:
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Beim Duell Kennedy gegen Nixon kam Richard Nixon 1960 unrasiert und
bleich zum Zweikampf. Der jüngere Herausforderer war schicker, braun
gebrannt und gewann am Ende die Wahl.
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Beim Auftritt Carter und Ford im Jahre 1976 disqualifizierte sich US- Präsident
Gerhard Ford vor laufender Kamera, als er behauptete, Osteuropa werde nicht
von der Sowjetunion dominiert. Herausforderer Carter gewann die Wahl.
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1980 duellierten sich Carter und Reagan. Der Herausforderer Ronald
Reagan schüttelte Präsident Carter vor laufender Kamera die Hand.
Das war nicht abgemacht. Carter verlor das Konzept und war irritiert.
Reagan wurde US-Präsident.
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Bei der Clinton Bush Begegnung im Jahre 1992 machte George Bush zwei Fehler:
Er scherzte, seine Frau gebe den besseren Präsidenten ab. Zudem schaute er bei der
Liveübertragung demonstrativ auf die Uhr. Der junge Clinton gewann.
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Solche Interpretationen sind natürlich gewagt, Meinungsumfragen lassen
jedoch vermuten, dass dieses Duell vielleicht doch unentschlossene Wähler
auf die eine oder andere Seite bringen könnte. Nach einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts "Infratest dimap" halten 19 Prozent der Deutschen
Wähler und 24 Prozent der Unentschlossenen das Duell für ihre
Wahlentscheidung "wichtig" oder "sehr wichtig".
Spannende Pattsituation
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Nach den meisten Umfragen bestand vor dem Duell in Deutschland eine spannende
Pattsituation. Deshalb wird dem letzten Duell zusätzliches Gewicht beigemessen. Man
verspricht sich eine Beeinflussung der 19% der unschlüssigen Wähler. Denn:
Sie könnten letztlich das Zünglein an der Waage spielen.
Vor allem erhoffen sich beide Parteien von den Experten und den anwesenden
560 Journalisten entsprechend wohlwollende positive Urteile.
Tatsächlich bestätigen die Umfragen, dass sich Menschen in ihrer
Meinung beeinflussen lassen. Die Beurteilung ändert sich in der Regel, wenn man
mit anderen Menschen über das Streitgespräch gesprochen hat oder wenn
man Fachexperten angehört hat.
In der jetzigen Pattsituation ging es für die Kandidaten vor allem darum,
das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Vertrauen und
Glaubwürdigkeit werden nur durch natürliche und echte Kommunikation erreicht.
Die Botschaften müssen eindeutig sein und von der Bevölkerung verstanden werden.
Die Stimmberechtigten wollen konkrete, fassbare Antworten, keine
Worthülsen .
Die Wähler wollen bei diesem Duell wissen, was der einzelne Kanditat als Kanzler konkret
zur Ankurbelung der Wirtschaft, bei der Ausländer oder Familienpolitik oder
bei der Finanzierung der Flutopfer im Sinn hat und unter welchen Umständen deutsches
Militär bei einem möglichen Einsatz im Irak mithelfen wird.
Werden sich die Umfragestatistiken nach dem Duell ändern?
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Die Show
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Schröder und Stoiber erscheinen im anlogen Outfit. Dies ist
ein gefundenes Fressen für Psychologen und Kleiderberater.
Gewiss werden nach dem Duell viele Analytiker nur noch von der
Krawattenfarbe, der Fingersprache, vom Schweissfaktor, der Anzahl von
Sprachticks usw. schreiben. Uns interessierte aber nicht, wer mehr am Ohr zupft
oder bei welchem Kanzleranwärter mehr nachgefragt werden musste.
Im Laufe des zweiten Duells wird dem TV-Konsumenten rasch bewusst:
Die Darsteller sind lockerer. Nach wenigen Minuten sind die Meinungsdifferenzen
auf dem Tisch. Stoiber ist angriffiger als beim ersten Duell.
Schröder wirkt entspannter, sympathischer als vor zwei Wochen.
Beide haben offensichtlich dazugelernt. Schröder scheint besser vorbereitet.
Stoiber wirkt gecoacht, wie geklont, Schröder signalisiert den Staatsmann.
Stoiber ist gleichsam das weichgespülte "blonde Fallbeil" d.h. Er ist zwar
angriffig, trotzdem differenziert er und ist moderater, als bei seinen
Auftritten in Bayern.
Beide Kandidaten versuchen ihre Kernbotschaft zu übermitteln. Schröder am
Schluss, Stoiber pocht unablässig auf die Arbeitslosigkeit.
Hinsichtlich den Unterbrechungen verstehen es beide, sich durchzusetzen.
Stoiber und Schröder kehren geschickt immer wieder zum eigenen roten Faden
zurück und setzen deutliche Stoppsignale: "Nein!", "Falsch!", "Unsinn!"
Inhaltlich erfuhr man zwar nicht viel Neues. Aus dieser Sicht gab es kaum
Überraschungen. Uns interessierte aber vor allem, wer konkreter antwortet.
Bei der Arbeitsmarktpolitik gab es einen härteren Schlagabtausch.
Der Kanzler hielt Stoiber vor, mit den Rezepten von CDU und CSU werde die
Arbeitslosigkeit nicht wesentlich abgebaut werden können.
Stoiber hielt dagegen, der Abbau der Arbeitslosigkeit sei das zentrale
Problem seiner Politik, dessen Lösung auch andere Probleme wie Krankenkasse,
Bildung usw. besser lösen zu können.
Eindeutig war Schröder bei der Irakfrage. Deutschland würde nie Soldaten
senden. Er war auch klar und eindeutig bei der Frage nach einer Koalition
mit der PDS. Einer allfälligen Zusammenarbeit
erteilt er eine unmissverständliche Absage.
Stoiber musste bei der Irakfrage differenenzieren. Obschon er zu kompliziert
formulierte, wurde immerhin ersichtlich: Er möchte Hussein nicht das Signal
senden, Deutschland werde die Uno nie unterstützen. Wenn der Sicherheitsrat
und die UNO die Kontrollen mit Gewalt durchzusetzen gedenkt, könnte es
durchaus möglich sein, dass die Deutschen doch mitmachen.
Ein neues Untersuchungsverfahren beim Publikum (mit Pulsmessern) bestätigte,
dass das Publikum immer dann zustimmte, wenn die Antworten eindeutig klar
waren und Emotionen weckten. Dieses Messverfahren am Publikum wurde im Fernsehsender
RTL vorgestellt.
Bei der eindeutigen Antwort Schröders erhielt der Kanzler Bonuspunkte.
Menschen schätzen eindeutige und unmissverständliche Meinungen.
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Beim Thema Terrorismus, als Stoiber die Heidelbergergeschichte mit dem entlarvten
Terroristen schilderte und die Ausweisung von Menschen bereits bei Vermutungen
forderte, reagierten die Unentschlossenen positiv. Bei diesem Pilotversuch
wurde bestätigt:
Es lohnt sich, kurze, prägnante und eindeutige Aussagen zu machen.
Konkrete Bilder oder Geschichten beeinflussen stark.
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(Siehe dazu die
Beiträge Bild und Bildung
oder Beeinflussen ).
Schröder vertrat bei der Sicherheitsdebatte eine moderatere Meinung: Man
dürfe niemanden ausweisen, bevor nicht die Schuld eindeutig nachgewiesen
worden sei. Wir prophezeien, dass bei dieser Frage Stoiber mehr Punkte holte.
Leider notierten wir beim zweiten Duell wiederum zahlreiche vage
Formulierungen von beiden Teilnehmern. Sowohl Schröder als auch
Stoiber wichen aus. Nicht alle erwarteten Themen kamen zum Zug. Die Aussenpolitik, die
Koalitionen, Wirtschaftsfragen, Arbeitslosigkeit, Sicherheitsfragen
dominierten die Themenliste. Die Zuwanderungsproblematik und die Finanzierung
der Flutkatastrophe konnten nicht mehr beleuchtet werden.
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Zur Moderation
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Die von den Wahlkampfberatern ausgearbeiteten
Regeln wurden beim zweiten Duell nicht verändert.
Die Moderatorinnen der öffentlich-rechtlichen Sender ARD
und ZDF, Sabine Christiansen und Maybrit Illner, ermöglichten aber
häufiger die direkte Auseinandersetzung der Duellanden, anders
als beim ersten Duell vor zwei Wochen in den privaten Sendern RTL und SAT.
Unterbrechungen werden bei dieser Show bewusst zugelassen.
Die Moderatorinnen Christiansen und Illner machten
aber leider oft zu lange Einführungen oder bildeten Frageketten.
Damit konnten die Diskutanten ihre antrainierten Werbespots problemlos
platzieren. Sie nutzten die Chance dank den Frageketten. Sie konnten beim Frageangebot
die einfachste Frage auswählen oder verstanden es, auf keine der Mehrfach-Fragen
einzugehen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Moderatorinnen diese
Fragekettentechnik bewusst als Irritationtaktik eingesetzt hatten.
Professionelle Moderatorinnen müssten eigentlich gelernt haben, klare
eindeutige Fragen zu stellen. Wir sind nicht die Einzigen, die erstaunt waren,
dass es den zwei Profifrauen nicht gelang, kurze klare Fragen zu stellen,
um nachher ebenso eindeutig oder hart nachzuhaken.
Durch langfädige Fragereien und dem Gewährenlassen der
Pingpongsituationen, konnten einige der spannenden Themenkreise nicht
mehr behandelt werden.
Die komplizierten Einführungen bei den Frageelementen mit den zahlreichen
Floskeln und Minivorträgen kamen gar nicht gut an, nur in einer Zeitung
wurde dieses Verhalten als positiv bewertete: Das Duell sei dadurch
"munterer" geworden!
Sabine Christiansen wirkte etwas gestresster und unsicherer als in ihrer
eigenen Sendung. Sie las die Fragen meist ab. Vielleicht fiel es ihr schwer,
spontan zu moderieren, weil die Anweisungen durch den "Knopf im Ohr"
fehlten. Bei
Sabine Christiansen ist uns früher eine Tendenz zur
Selbstdarstellung aufgefallen. Dies war am 8. September besser.
Moderatorin müssten nach unserem Dafürhalten nur Impulse geben und vor
allem gut zuhören können. Leider konnten es die Moderatorinnen in diesem
Schlagabtausch auch nicht verkneifen, die Duellanten laufend über die
Zeitkonten zu informieren.
Es gab Phasen, da konnten sich die Moderatoren auch nicht mehr gegen die
gewieften Politiker durchsetzen. Alle sprachen zeitweise durcheinander oder
nebeneinander.
Alle Beobachter bescheinigten den Moderatorinnen eine neutrale Befragung.
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Umfragen
Schröder appellierte an die Gefühle der Wähler, an Solidarität
und Hilfsbereitschaft. Als Person überzeugte er.
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Stoiber war präsent, angriffslustiger und konnte den Kanzler oft in die Defensive
drängen.
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- SPD nahe Institute fanden Schröder besser. CDU nahe Untersuchungen machten Stoiber zum Sieger.
- Für die Schweizer Zeitung "Blick" war das Duell ein Unentschieden.
- Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap für die ARD
sprachen sich bei der Frage, wer überzeugender gewesen sei, 50 Prozent
für Schröder und 28 Prozent für Stoiber aus. Vor dem Duell hatte Schröder bei 44 und
Stoiber bei 29 Prozent gelegen.
- Auch nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen hatte sich Schröder nach Ansicht
von 49 Prozent der Befragten besser geschlagen als Stoiber, der nur 26 Prozent
erreichte, berichtete das Institut im ZDF.
24 Prozent der Zuschauer fanden beide gleich gut.
- "Bild" sah beide als Sieger. Nach "Bild -Ted" einer Umfrage bei 160'000 "Bild" Lesern,
fanden 79,8% Stoiber besser. 20.2% überzeugten Schröder mehr.
- Für den Tagesanzeiger war das Duell ein knapper Sieg für Schröder.
- Demoskopische Untersuchungen zeigen eine "Kopf an Kopf" - Situation (Allensbach).
- Die Duellanten waren beide nach der Sendung mit Ihrem Auftritt zufrieden.
- Der Chefredaktor des "Focus" empfand das Duell als ein Unentschieden.
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