rhetorik.ch aktuell:
Rhetorik.ch


Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com

www.rhetorik.ch aktuell: (1.-27. September, 2001)


Fotos haben Folgen

Der Fall Scharping (I), (II)

Rudolf Scharping Was ist so gravierend, wenn ein Politiker während der Ferien mit seiner Freundin im Wasser flirtet? Wer die Aufnahmen des deutschen Verteidigungsministers Rudolf Scharping bei den lockeren "Wasserspielen" mit seiner Geliebten, Gräfin Pilati auf der Insel Mallorca gesehen hatte, reihte diese Bilder zuerst in die üblichen Paparazziaufnahmen ein, die bei der Boulevardpresse bei Prominenten etwas Alltägliches sind.

Bilder (Bunte) von Mallorca, Quelle:
   Spiegel TV Bei derartigen Aufnahmen fragen wir uns höchstens: Müssen die Medien so aufdringlich sein und die persönliche Sphäre missachten? Wo ist das Recht auf Persönlichkeitsschutz? (vgl. "Recht auf Privatsphäre, Aktuell Jul 1 Artikel".)
Nachdem jedoch beim Lesen des Mallorca Bildberichtes rasch erkannt wird, dass der Verteidigungsminister absichtlich für die Reporter posiert hatte - und somit die Aufnahmen gestellt worden sind - bekommen die besagten Bilder eine völlig neue Dimension.
Scharping's Inszenierung war damit kein Zufall. Alles war schön säuberlich geplant. Es ist zwar verständlich, wenn ein Politiker dauernd an sein angeschlagenes Image denkt und es ist auch begreiflich, wenn Scharping jede Gelegenheit nutzt, sich als lockeren Typ darzustellen.
Denn: Mit mit dem bisherigen Bild eines trockenen, humorlosen, unbeweglichen, ernsten "Schulmeistertypen" musste er sich allzulange abfinden. Scharping tat zwar bereits Einiges gegen dieses unpopuläre Image. Der Bart wurde geschnitten. Auch seine Medienauftritte wurden überlegter und bewussster inszeniert.
Scharping und Pilati Mit den Ferienaufnahmen bot sich vielleicht für Scharping eine zusätzliche Chance, das alte negative Bild in der Öffenltichkeit aufzupolieren. Scharping wollte diese Chance nutzen und sich selbst mit den Aufnahmen als "fröhlicher, unbeschwerter und glücklicher Politiker" darstellen. Doch diese gutgemeinte PR Aktion war nicht zu Ende gedacht. Wer die Medien instumentualisiert, muss zuerst die Gesamtlage sauber analysieren.
Vor allem ist das politische Umfeld und die aktuelle Situation stets mitzuberücksichtigen. Das hat der Verteidigungsminister leider unterlassen. Vielleicht macht Liebe doch blind.
Scharping hatte in seiner Verliebtheit die Kopfarbeit ausgeklammert. Die Aufnahmen fielen nämlich genau in die Zeit des umstrittenen Mazedonien- Einsatzes der Bundeswehr.
Die Soldaten fuhren zu einem riskanten Einsatz und hätten nichts nötiger gehabt, als moralische Rückendeckung von oben.
Anstatt zu führen, flog Scharping nach Mallorca und liess sich verliebt im Pool ablichten.
Wer beim Abschied der Soldaten von Frau und Kindern, sich nur noch nebenbei schnell zeigt und sofort wieder nach Mallorca zu seiner Geliebten abtaucht, der zeigt wenig Führungsbereitschaft.
Scharpings Fluege, Quelle: Spiegel.de Ein Minister hätte immerhin eine Vorbildfunktion. Da stimmte gewiss etwas nicht: Der Truppe wird Sparkurs verordnet und der Minister selbst fliegt mit Spezialmaschinen mehrmals nach Mallorca und zurück. (Kosten ca 400 000 .-- Mark).
In Zeiten, da die Armee nichts zu lachen hat, schafft Scharping durch sein unüberlegtes Verhalten mit angeblich gutgemeinten Aufnahmen eine unpassende Lachnummer. Unglückliches Verhalten zieht meist einen Rattenschwanz von Folge- Verhaltensfehler nach sich. (siehe Aliesch Geschichte ).
Wenn die Urlaubphotos vergessen sind, so werden Medien und Opposition bestimmt das Abtauchen im falschen Moment und die fragwürdigen Urlaubsflüge (Beansspruchung der Flugzeuge der Streitkräfte dh. Verschleuderung von Steuergeldern) in den Medien nicht einfach so sang- und klanglos ad acta legen.
Die Geschichte könnte noch eine Fortsetzung haben, denn es zeichnet sich schon heute ab, dass nicht nur die Opposition, sondern auch die SP und die Grünen Unverständnis für die Kapriolen des verliebten Ministers zeigen.
Schröder steht zwar hinter seinem Minister und reagiert mit dem bildhaften Satz: "Es wird bei Scharping mit Kanonen auf Spatzen geschossen". Zudem verteidigt er seinen Verteidigungsminister recht geschickt: "Scharping hat im Vergleich zu Koch und Kohl nichts ehrenrühriges getan. Ich werde jedoch mit ihm reden." Warten wir vorerst dieses Gespäch ab.
Dass aber der Verteidigungsminister wenig Fingerspitzengefühl hatte im Umgang mit Medien, das kann gewiss niemand bestreiten.
Im Gegensatz zu seinem offenherzigen Medienverhalten in Mallorca zeigt sich übrigens Scharping heute nach dem jüngsten Medienwirbel recht zugeknöpft. Er verweigert bei allen Medien jegliche Auskunft d.h. er pflegt ein "No-comment"- Verhalten. (Siehe Aktuell Beiträge von 14. April 10. März 5. März ).


Erkenntnis.
Medien und Öffentlichkeit haben ein feines Sensorium für unpassende oder unüberlegte Verhaltensweisen. Medienrtraining heisst demnach nicht nur mediengerecht reden zu lernen, es muss auch ein Fingerspitzengefühl für das "situationsgerechte Verhalten" entwickelt werden.



Nachtrag, 9. September 2001
Es wird enger News ueber Scharping am TV Verteidigungsminister Scharping nutzte nachträglich doch noch die Medien, um sich selbst zu verteidigen.
Er sagte, es sei nicht selbstverständlich, wenn ein Politiker die Ferien für seinen Job unterbreche. Alle hätten schliesslich ein Anrecht auf Ferien, auch ein Minister. Deshalb wären die Flüge keine Privatsache gewesen.
Beim derzeigen Medienwirbel sprach Scharping von "histerischem Jagdfieber". Was ist inzwischen vorgefallen?
Das Gerücht, Schröder habe nach seinem Gespräch mit dem Verteidigungsminister, Scharping gebeten, zurückzutreten, bestritt der Bundeskanzler.
Doch wirkt Schröder im Umgang mit seinem angeschlagenen Minister heute sehr kühl.
Bis anhin sprach Gerhard Schröder seinen Minister immer mit Vornamen an. Im Kabinettssaal des Kanzleramtes gab er Rudolf Scharping am 5. September das Wort mit folgenden Worten:

"Bitte Herr Verteidigungsminister!"

Wer ins Rampenlicht gerückt wird (Scharping tat dies mit den Fotos selber), riskiert genauer beleuchtet zu werden.
Scheinbar hat sich nun zusätzlich gezeigt, dass der Minister auch sonst Militärflugzeuge benutzt hatte.
Zudem wurde festgestellt, dass es Scharping bei den gebuchten Flügen mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. Er hat entgegen seinen Aussagen die Flugzeuge doch selbst bestellt. Jedenfalls benutzte er auch Militätrflugzeuge für den Besuch der Freundin in Frankfurt.
Damit wird es enger für den Verteidigungsminister. Von verschiedensten Seiten wird jetzt der Rücktritt des Ministers gefordert.
Am 6.September gab Scharping erstmals zu, dass er die Fotogeschichte bedaure. Doch kommt diese Einsicht möglicherweise zu spät.
Denn in der Bundeswehr werden bei den Soldaten die Reiseabrechnungen peinlichst genau überprüft. Wehe, wenn einer vergisst, beim Übernachtungspreis das inbegriffene Frühstück vom Taggeld abzuziehen.
Niemand vergönnt einem Minister die Entspannung. Doch hat eine Person in dieser Position Vorbildfunktion. Die Gerüchteküche brodelt zur Zeit in den deutschen Medien. Wie lange steht dies Minister Scharping noch durch?

Erkenntnis: Vogel und Regenwurm Journalisten machen es wie Vögel mit dem Regenwurm. Sobald der Wurm den Kopf nur ein wenig aus dem Erdreich reckt, wird er vom Vogel sofort gepackt und ganz herausgezerrt.
Journalisten bringen so alles ans Tageslicht, wenn hinter einer kleinen Geschichte noch andere fette Zusatzgeschichten vermutet werden. Dabei kommen meist Dinge zusätzlich an die Öffentlichkeit, die ohne das erste Vorkommnis verborgen geblieben wären. Scharping war es, der mit den Fotos die Journalisten zuerst herausgefordert hatte. Wenn Medien einmal angebissen haben, so kommt es in der Regel zu unerwarteten Folgegeschichten. Auch Bagatellen, (die sonst niemand beachtet hätte), können dann plötzlich zum Thema werden.
Die ungeschickt arrangierte Fotoaktion war es eindeutig gewesen, die im Scharping Fall zur Durchleuchtungsaktion geführt hatte.
Wer einmal gründlich geprüft wird, muss immer damit rechnen, dass plötzlich unerwartete Ungereimtheiten (nicht nur Bagatellfehler) ans Tageslicht gerückt werden.





Nachtrag, 11. September 2001
Gerüchte und Fakten.
Scharping am TV Interessant waren die Medienauftritte Scharpings nach den vielen Vorwürfen und Gerüchten: Er begegenete den Fragen mit einer Kernbotschaft, die er ständig wiederholte:
Ich werde zu meinen Soldaten gehen und ruhig meine Arbeit tun.

Die Ruhe wurde immer wieder betont. Wir haben schon einmal darauf hingeweisen: Wer beispielsweise ständig das ehrlich dauernd herausstreichen muss (siehe auch Aktuellbeitrag vom 25. Mai), der gibt zu bedenken, dass er es sonst mit der Ehlichkeit nicht so genau nimmt oder der Zuhörer fragt sich: Warum muss er dies so stark betonen? Wir fragen uns: Warum musste Scharping das ruhig immer wieder herausstreichen? Vielleicht - weil er eben nicht ruhig ist.
Auch immer wieder war zu hören:
Ich werde im Amt bleiben.

(Wie jemand der sich am Strohhalm festhalten muss). Anderen Fragen von Journalisten wich er bewusst aus. Bei den Interviews fiel auch die gestellte Ruhe auf. Doch die Mimik blieb maskenhaft. Das Bemühen - Ruhe zu signalisieren - war deutlich erkennbar. Das Verhalten war eigenartig: Die Antworten kamen zu schnell- Scharping fiel den Reporten beinahe ins Wort.
Die Ungehaltenheit schimmerte trotz der gespielten Ruhe durch:
"Ich muss jetzt arbeiten und habe nicht Zeit, immer über diese Verleumdungen zu reden!"

Die Frage nach den 20 -40 Flügen für Privatzwecke nervten Scharping offensichtlich.
"Ich werde am Montag dazu ausführlich Auskunft geben"

(Und wollte dann das Gespräch unverhofft abbrechen). Bereits früher hatten wir bei Scharping festgestellt, dass beim nonverbalen Verhalten und vor allem in der Stimmführung etwas nicht stimmen kann. Gestik, Mimik und Aussagen wirkten sonderbar gestellt. Die gekünstelte Körpersprache und die paradoxen Verhaltensaweisen fielen öfters auf.

Wie ein Reizwort die Runde machen kann .
In der Routine-Medienkonferenz vom 5. September löcherten Journalisten den Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye mit endlosen Fragen über die Scharpingaffaire. Eine Jornalistin fragte, ob es "formale Abläufe" dafür gebe, wenn ein Regierungsmitglied eine Macke habe. Von diesem Moment an machte das Wort Macke überall die Runde und wurde in der Presse kolpertiert. Der Stern schrieb auf der Titelseite neben einem Foto von Scharping: - Er hat im Moment "ne Macke"- Das Wort Macke hätte wohl kaum so schnell gezündet, wenn der Minister mit den Fotos nicht den "kopflosen" verliebten Minister vermittelt hätte. Das Wort Macke fiel auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil es zu den eigenartigen Verhaltensweisen (Stimme/Gestik/Minik) des Ministers passt.
Die SPD musste übers Wochenende abklären, welche Fakten tatsächlich gegen Ihren Minister sprechen. Verlässt nämlich Scharping das Kabinett, so hätte Schröder binnen dreier Jahre bereits acht Minister ausgetauscht. Eine Ablösung von Schröder müsste reiflich bedacht werden, damit sie elegant über die Bühne geht, falls die Beweise am Montag vorliegen und der Rücktritt unumgänglich würde.
Ein Blick in die Vergangenheit:
Es ist erstaunlich, dass sich die Politiker - angesichts der Empfindlichkeit der Öffentlichkeit - bei "Privatreisen" immer wieder Blössen geben:
  • Vor fünf Jahren geriet die damaligen Bundespräsidentin Süssmuth bereits in die Schlagzeilen, weil sie auffallend oft nach Zürich geflogen war, wo ihre Tochter lebte.
  • Wegen Gratisreisen mussten schon drei Ministerpräsidenten in Deutschland den Hut nehmen
  • Schröder selbst zog sich dadurch vor fünf Jahren als niedersächsischer Ministerpräsident aus der Affaire, dass er einen Gratisflug mit einem Firmenjet von VW zum Wiener Opernball nachträglich bezahlt hatte.
Für Scharping ist es heute kaum möglich, allfällige Privatflüge nachträglich selbst zu bezahlen. Für eine Flugstunde müsste er nämlich 10'000.-- DM hinblättern.
Von einem Journalisten war zu hören:
Falls Scharping nur einen Flug unrechtmässig benutzt hätte, so würde dieser Tropfen genügen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Bedenken wir immer wieder: Die ganze Geschichte begann mit den Fotos.
Man muss sich nachträglich schon fragen, wie ein intelligenter Mensch so naiv handeln konnte. War Scharping "amorgesteuert" oder einfach blind?
Seine angeblich intelligente Partnerin, die Rechtsanwältin Kristina Gräfin Pilati, die bei den ersten fragwürdigen Fototerminen ja auch mit dabei war, hätte damals die Möglichkeit gehabt, den Verteidigungsminister vom gemeinsamen Vorhaben "Selbstdarstellung im Pool" abzuraten. Scharping - der in Mallorca den Kopf verloren hatte - wer weiss: Vielleicht hätte er im wichtigsten Moment sogar auf den Rat seiner Freundin gehört.
Erkenntnis: Wir betonen nochmals. Wie beim Fall Aliesch oder in Krisen und Skandale müssen vor allem in der Startphase gut gemanagt werden. Noch wichtiger ist aber das Vorausdenken vor jedem Auftritt. Der Fall Scharping hätte nicht zu seinem Fall geführt, wenn er vor den Fotoaufnahmen die Situation und die Folgen besser überdacht hätte. Wie bei Scharpings Fotos, so können Kleinigkeiten zu einem unerwünschen Dominoeffekt führen, der von den Medien verstärkt wird und kaum noch kontrolliert werden kann.

Am Montag, den 10. September wird sich zeigen, ob Scharpings Flüge alle rechtmässig genutzt worden sind. Der Minister wird in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses begründen, wie er die Flüge rechtfertigt. Die SPD steht heute noch hinter dem Minister, bis dass Beweise vorliegen, dass Schapings Flüge tatsächlich keinen dienstlichen Zwecken dienten.



Nachtrag, 12. September 2001
Verteidigungsminister übt Selbstverteidigung
Scharping stand am Montag vor dem Verteidigungsausschuss Red und Antwort zur jüngsten Flugaffaire. Er legte eine ausführliche Liste mit all seinen 349 Flügen vor und erklärte, alles sei mit rechten Dingen zu gegangen. Private Flüge habe er selbst bezahlt.
Der Bundeskanzler akzeptierte vorläufig diese Liste. Schaping habe mit dieser Offenlegung vor dem Ausschuss Transparenz geschaffen.
Der angeschlagene Minister betonte selbst; Die Flüge hätten somit dienstlichen Chakrakter gehabt.
Damit sind vorläufig keine Regelverstösse nachweisbar. Der zusätzlich erhobene Vorwurf, der Verteidigungsminister hätte vor Journalisten versehentlich ein Geheimnis eines Truppenaufmarsches preisgegeben, wies der Verteidiungsminister scharf zurück. (Vorwurf des Geheimnisverrates). Sein Versprecher an der Medienkonferenz habe keine Folgen gehabt.
Am Dienstag muss jedoch Scharping nochmals vor dem Ausschuss antreten. Es geht nicht nur um den Gemheimnisverrat, sondern noch um einen Flug nach Mallorca, der überprüft werden muss. Die Geschichte wurde in den Medien als Zitterpartie bezeichnet. Heute scheint zwar ein Rücktritt kaum noch durchsetzbar.
Die Opposition verlagert heute die Vorwürfe auf das Erscheinungsbild des Ministers. Er habe nicht nur sich, sondern auch die Bundeswehr lächerlich gemacht.
Wegen "latenten Wirklichkeitsverlusts" sei Scharping nicht mehr im Amt zu halten.
Die NZZ schreibt von "politischer Instinktlosigkeit". (Poolgeschichte, während sich die Bundeswehr auf den Einsatz vorbereitete).
Der Verteidigungsminister wäre der achte Minister gewesen, der unter Schröder das Regierungsschiff verlassen müsste.
Als ehemaliger Kanzlerkandidat und Parteichef der SPD und heute als Nr 2 (hinter Gerhard Schröder) ist Scharping für Schröder kein gewöhnlicher Politiker.
Der Verteidigungsminister bedauerte erstmals vor den Medien seine Mallorcageschichte.
Trotz der Reinwäsche zweifeln die Medien immer noch an der Glaubwürdigkeit des Ministers.
Mit Nachwehen sei zu rechnen. Aber nur beim Nachweis eines formalen Regelverstosses würde Schröder den nicht mehr beliebten Verteidigungsminister fallen lassen.
Uns erstaunten übrigens die verhältnismässig guten Medienauftritte Scharpings am Montag.
Scharping machte noch nie so eine gute Figur wie an diesem Tag. Ein Journalist vermutete sogar, dass der Politiker für diesen Anlass bestimmt gut gecoacht worden sei. (Gezieltes Medientraining?) Jedenfalls hatte Scharping alle harten Fragen gut vorbereitet.
Dies würde uns einmal mehr bestätigen, dass es sich immer lohnt, heikle Auftritte gut zu bedenken und im Medienimulator zu üben.



Nachtrag, 13. September 2001
Der Terrorkrieg in den USA vom 11. September hatte für den deutschen Verteidiungsminister immerhin eine gute Seite: Durch das Medien-Grossereignis wurde die "Scharping Geschichte" zur Bagatelle. Der Terrorkrieg überschattete alle lokalen Themen. Der Verteidigungsminister musste pötzlich seines Amtes walten und kann sich dadurch in einer Krisensituation neu bewähren. Vielleicht ist damit die alte Geschichte abgeschlossen. Der Terroranschlag hatte die Welt verändert. In Deutschland standen plötzlich alle Parteien zusammen. Interne Streitereien hatten keinen Raum mehr nach der hinterhältigen Attacke gegen demokratische Staaten.



Nachtrag, 27. September 2001
Weil keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Straftat festgestellt worden sind, hat die Berliner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Verteidigungsminister Rudolf Scharping eingestellt. Die Anzeigen wegen unerlaubter Bundeswehr-Flugeinsätze seien nur spekulativ. Damit scheint diese Skandalgeschichte abgeschlossen.



Nachtrag, 12. Mai 2002
Scharping 2002 Nach einem Spiegel Artikel stellte die FDP anfangs Mai 2002 den Antrag, Scharping zu entlassen. Als Begründung wurde angegeben, dass der Verteidigungsminister beim Projekt des Miltärtransporters A400M gegen das Haushaltsrecht verstossen habe. Die Union will sich der FDP-Initiative anschliessen. Die rot-grüne Koalition steckt nun in einem Dilemma: sie muss den Minister stützen, obwohl sie ihn gerne weg hätte. Sharping, der seit der Mallorcageschichte von Komikern und Kabarettisten dankbar durch den Kakao gezogen wird, gilt für viele mehr und mehr als Witzfigur. Auf der Beliebtheitskala ist Scharping auf dem zweitletzten Platz. Auch international tappt der Bundeswehrchef in Fettnäpfe. Ende April, während eines USA Besuchs, hatte er angekündigt, dass die Awacs Flugzeuge, die nach dem Terrorangriff auf New York zur Überwachung des US-Luftraums eingesetzt worden sind, bis Ende August dort bleiben sollten. Wenige Stunden später teilte aber die US Regierung mit, dass die Maschinen nicht mehr gebraucht würden und zurückkehren könnten. Die Hoffnung der roten und grünen Parlamentarier, Scharping würde die Peinlichkeiten durch einen Rücktritt lösen, wird sich wohl nicht erfüllen: TV-Spassmacher Harald Schmidt spöttelte:
"Das Handtuch wirft Scharping ja nur, wenn ein Liegestuhl in der Nähe ist".


Fortsetzung, 18. Juli 2002


Rhetorik.ch 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com