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www.rhetorik.ch aktuell: (23. Oktober, 2003)

Werbung mit Selbstmord-Video



Verschiedentlich haben wir über die Grenzen der Werbung hingewiesen:



Das Ziel provokativer ist Aufmerksamkeit zu erwecken. Der Skandal, die entfachte Diskussion sind dabei geplant. Jüngstes Beispiel dieser Strategie ist ein düsteres Selbstmord-Video von "ver.di", das sogar (etwas hypokritisch) von der Boulevardpresse "Bild" hinterfragt wurde. Das größten Boulevardblatts Deutschlands titelte:

"Geschmacklos! Gewerkschaft wirbt mit Selbstmord-Teenagern".


Der verstörenden Kurzfilm "Stand up and fight" = "Steh auf und kämpfe" lief im Musiksender "Viva". Im Spot wirbt die Jugendorganisation der Dienstleistungs-Gewerkschaft "ver.di" für mehr Ausbildungsplätze. Der Film soll auf die alarmierende Situation auf dem Ausbildungs-Markt aufmerksam machen.


Im Werbe-Video von ver.di legt sich ein Teenager zu aggressiver Punk Musik einen Strick um den Hals. Ein Jugendlicher sitzt im Auto und lässt sich durch das Seitenfenster einen Schlauch mit Abgasen ins Wageninnere blasen. Ein Junge steckt sich einen Revolver in den Mund. Ein Mädchen zieht eine Rasierklinge übers Handgelenk, Blut tropft ins Waschbecken.


In der Schlusssequenz heisst es "Berlin: Nach offiziellen Angaben fehlen zurzeit in Deutschland mehr als 150.000 Ausbildungsplätze", ertönt eine ungerührte Nachrichtensprecherstimme. Dann erscheinen die Slogans der neuen Verdi-Kampagne: "Jugend braucht Zukunft. Jugend braucht Ausbildungsplätze".


Ist der Spot einfach nur schlechter Geschmack? Oder ist das Zeigen der Szenen gar verantwortunglos? Selbst Bundesjugend Chef Torsten Tenbieg findet: "Wir wollten mit dem Clip starke Reaktionen hervorrufen, Die Szenen sind sehr hart." Man habe bewusst solch heftige Szenen gewählt, um der Forderung nach einer Umlagefinanzierung Ausdruck zu verleihen - und damit die Medien endlich mal wieder über eine Verdi-Kampagne berichten.


Bei Test-Vorführungen habe das Video vor allem bei Mädchen unter 16 Angst und Nachdenklichkeit hervorgerufen. Fast die Hälfte aller Zuschauer empfand es als "zu heftig". Doch grundlegend sei die Resonanz positiv gewesen, hieß es.

Wir fragen uns ebenfalls, ob eine Gewerkschaft auf solche Art für mehr Ausbildung werben soll. "Ver.di"-Chef Frank Bsirske rechtfertigt sich:

Inm Musiktext des Spots werden die Teenager darauf hingewiesen, dass Selbstmord keine Probleme löst. In der Pressemitteilung heißt es, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Suizid und fehlenden Ausbildungsplätzen suggeriert werden soll. Der Bundesvorstand stehe hinter dem Spot. Dass die Suizidszenen "logischerweise überzogen" sind, sei kein Problem. Schließlich warne der Text in der Hintergrundmusik geradezu vor dem Selbstmord, der keine Lösung für Probleme sei. Tenbieg: "Ich glaube jedem ist klar, dass dies kein Aufruf zum Selbstmord ist".


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