Das Ziel provokativer ist Aufmerksamkeit zu erwecken. Der Skandal, die entfachte
Diskussion sind dabei geplant. Jüngstes Beispiel dieser Strategie ist
ein düsteres Selbstmord-Video von "ver.di", das
sogar (etwas hypokritisch) von der Boulevardpresse "Bild" hinterfragt wurde.
Das größten Boulevardblatts Deutschlands titelte:
"Geschmacklos! Gewerkschaft wirbt mit Selbstmord-Teenagern".
Der verstörenden Kurzfilm "Stand up and fight" = "Steh auf und kämpfe"
lief im Musiksender "Viva".
Im Spot wirbt die Jugendorganisation der Dienstleistungs-Gewerkschaft
"ver.di" für mehr Ausbildungsplätze.
Der Film soll auf die alarmierende Situation auf dem Ausbildungs-Markt
aufmerksam machen.
Im Werbe-Video von ver.di legt sich ein Teenager zu aggressiver Punk Musik
einen Strick um den Hals. Ein Jugendlicher sitzt im Auto und lässt sich
durch das Seitenfenster einen Schlauch mit Abgasen ins Wageninnere blasen.
Ein Junge steckt sich einen Revolver in den Mund. Ein
Mädchen zieht eine Rasierklinge übers Handgelenk, Blut tropft
ins Waschbecken.
In der Schlusssequenz heisst es "Berlin: Nach offiziellen Angaben
fehlen zurzeit in Deutschland mehr als 150.000 Ausbildungsplätze",
ertönt eine ungerührte Nachrichtensprecherstimme. Dann
erscheinen die Slogans der neuen Verdi-Kampagne: "Jugend braucht
Zukunft. Jugend braucht Ausbildungsplätze".
Ist der Spot einfach nur schlechter Geschmack?
Oder ist das Zeigen der Szenen gar verantwortunglos?
Selbst Bundesjugend Chef Torsten Tenbieg findet:
"Wir wollten mit dem Clip starke Reaktionen hervorrufen,
Die Szenen sind sehr hart."
Man habe bewusst solch heftige Szenen
gewählt, um der Forderung nach einer Umlagefinanzierung Ausdruck
zu verleihen - und damit die Medien endlich mal wieder über eine
Verdi-Kampagne berichten.
Bei Test-Vorführungen habe das Video vor allem bei
Mädchen unter 16 Angst und Nachdenklichkeit hervorgerufen. Fast die Hälfte
aller Zuschauer empfand es als "zu heftig". Doch grundlegend sei die Resonanz
positiv gewesen, hieß es.
Wir fragen uns ebenfalls, ob eine Gewerkschaft auf solche Art
für mehr Ausbildung werben soll. "Ver.di"-Chef Frank Bsirske
rechtfertigt sich:
Inm Musiktext des Spots werden die Teenager
darauf hingewiesen, dass Selbstmord keine Probleme löst. In der
Pressemitteilung heißt es, dass kein direkter Zusammenhang
zwischen Suizid und fehlenden Ausbildungsplätzen suggeriert
werden soll. Der Bundesvorstand stehe hinter dem Spot.
Dass die Suizidszenen "logischerweise überzogen" sind, sei kein
Problem. Schließlich warne der Text in der Hintergrundmusik geradezu
vor dem Selbstmord, der keine Lösung für Probleme sei. Tenbieg:
"Ich glaube jedem ist klar, dass dies kein Aufruf zum Selbstmord ist".