Wirtschaftspessimismus
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Wir haben im Aktuell Beitrag
Reden und Taten vom 12. Oktober auf die
Binsenwahrheit hingewiesen, dass viele Regierungen ihre
Wahlversprechungen kaum einhalten.
In Deutschland hatten die Wählerinnen und Wähler
möglicherweise die Wahlversprechen allzu ernst genommen.
Nachdem sich nach wenigen Wochen gezeigt hatten, dass die Finanzlage in
Deutschland dramatischer aussah, als vorausgesehen und die Regierung Steuern und
Abgaben erhöhten musste und mit neuen grossen Verschuldungen der
Finanzkollaps abgewehrt werden wollte, spitzte sich der Unmut rasch zu.
Von Lüge und Irreführung ist in vielen Medien die Rede.
Es kam sogar zu Protestaktionen der Gewerkschaften.
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Apokalyptiker, die Prognosen stellen
Normalerweise legt sich nach Wahlen die Empörung über das
Nichteinhalten der Versprechen rasch. Die jetzige Regierung in
Deutschland fiel nach der Wahl aber bald in ein Tief.
Woche um Woche türmte sich wie ein Gebirge die Finanzmisere wie
zum Beispiel die gigantischen Fehlbeträge bei der
Renten- und Arbeitslosenversicherung. Ärger
macht sich breit.
Wer das Geschehen in den Medien
verfolgt, sieht in vielen Sendegefässen das Thema "Haushaltloch".
Die "NZZ" schrieb: "Der deutsche Pressekiosk hat sich in ein Ambulatorium
verwandelt, in dem Apokalyptiker die Diagnosen stellen".
Tatsächlich, die aktuelle "Zeit" Ausgabe ist voll mit
Überschriften wie
- "Deutschland im Leerlauf"
- "Sozis ohne Sinn fürs Soziale",
- "Die Deutschen sind selbst schuld" oder
- "Ende eines Aufbruchs".
Die NZZ schliesst den Kommentar mit den Worten:
"In eigenwilliger Unerschütterlichkeit weigern sich die
Deutschen bis jetzt, die Rolle zu spielen, die die Presse ihnen
derzeit anträgt. Ist das nun die Trägheit der Entpolitisierten oder
einfach nur der Widerstand von Zeitungslesern, die keine Lust haben,
sich zu den Agenten des neuesten Medien-Hypes machen zu lassen?"
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Schuldzuweisung durch Opposition
Die Opposition schreit aber nach einer Untersuchung und
vermutet, dass die Verantwortlichen von Rot-Grün
bereits vor der Wahl von der enormen Haushaltsmisere Kenntnis hatte.
und im Interesse des Wahlsieges bewusst die Unwahrheit gesagt hätten:
- Steuernerhöhung wäre der grösste
Unsinn und kommt für uns nicht in Betracht, sagte Schröder
noch explizit vor der Wahl.
- Keine neuen Schulden.
- Kein blauer Brief aus Brüssel.
Die Neuverschuldung im Haushalt 2003 wird trotz vorgesehener
Sparmassnahmen um 3.4 Milliarden auf 18.9
Milliarden zunehmen. Eichel fehlen im Haushaltentwurf
200 Mio Euro, die er bei den Beamten einsparen will, sowie
3 Milliarden Euro, die verteilt über die Ministerien gekürzt
werden sollen. Handelskammer Präsident Braun sprach in diesem Zusammenhang
von einem Regierungsprogramm zur Produktion von Pleiten.
Dass so krass und unverblümt "gelogen" werde, sei einmalig.
In den Medien wurden die alten Zitate immer wieder im Wortlaut abgespielt
und dem Volk im Langzeitgedächtnis verankert.
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Uns erstaunte vor allem, wie krass Worte verdreht und umgedeutet werden
können - wie zum Beispiel in einer Christiansen Sendung vom 17. November:
Allen sind die eindeutige Stellungnahmen des Kanzlers vor der Wahl bekannt,
als er immer wieder betont hatte: Unter seiner Regierung werde
auch bei einem Waffengang unter der Leitung der UNO kein deutscher
Soldat gegen Irak eingesetzt. Diese klare Aussage wurde in
verschiedenen Sendungen und Interviews unmissverständlich wiederholt
Nachdem auf Druck der USA zur Zeit die Waffeninspekteure im Irak sind,
wurde in der bei Sabine Christiansen Schilly daran erinnert, dass
Schröder mit seiner Haltung sich vorschnell aus einer künftigen
gemeinsamen Aktion herausmanöveriert habe und dadurch ein
gemeinsames Vorgehen problematisch werden könnte.
Otto Schilly wollte von der alten Schröderaussage
plötzlich nichts mehr wissen und behauptete sogar,
Schröder hätte es nie so gesagt. Der Kanzler habe
lediglich gemeint, er werde bei einem Konsens des Sicherheitsrates die
Angelegenheit neu prüfen. Eine solch krasse
Wortvordrehung hat wenig Argumentations Taktik zu tun sondern
gehört aus unserer Sicht eher in den Giftschrank der Rhetorik.
Die Satire feiert Hochkonjunktur
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Während sich die Sorgen um die Wirtschaftlage in Deutschland vermehren,
feiert die politische Satire Hochkonjunktur. Kanzler Schröder wurde
innert weniger Wochen zur Lachnummer. Der "Steuersong" steht dieser
Tage an der Spitze der Hitparade. Elmar Brandt singt darin:
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"Ich erhöh euch die Steuern - gewählt ist gewählt -
ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern."
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Ein Stimmenimitator, in der Rolle des Bundeskanzlers, macht sich zynisch
über die neue beschlossenen Steuererhöhungen
lustig. Auch die Presse kommt derzeit nicht ohne tägliche
deftige Schröder-Karikaturen aus.
Der geballte Liebesentzug trifft den Kanzler, der die Medienshow bisher so
meisterhaft beherrschte, unvorbereitet. Uns interessiert es, wie Gerhard
Schröder diese überraschende Situation künftig
bewältigt, ohne in eine Krise zu stürzen.
Hat Schröder seinen medialen Weg ins Land des Spottes selbst
bereitet? Die NZZ am Sonntag von 24. Nov meint dazu:
"Schröder nutzte seit je die Medien und spielte mit den Medien.
Er trat in der Fernsehshow "Wetten dass" auf. Nutzte den Kurzbesuch in
Kabul zur Demonstration seiner Fussballkünste.
Er warf bei einem Sommerfest folgenden Satz locker hin.
"Hol mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier."
und wollte mit dem Rap-ähnlichen Song ein Zeichen der
Volksnähe setzen.
Wer so einen Takt vorgibt, läuft bei den Medien vielfach Gefahr,
dass ihm dieser irgendwann selbst einmal entgegenschlägt."
(Man vergleiche dazu die Borer Geschichten.
Statt Respekt und Verehrung zollen die Journalisten heute dem Kanzler
Verachtung und Verunglimpfung. Und dies ausgerechnet während der
schlimmsten Tage.
Es kommt dazu, dass in Deutschland die Politik immer einen hohen
Unterhaltungswert hatte.
Wer die die Bundestagdebatten mitverfolgt, erlebt tagtäglich, dass
persönliche Herabsetzungen und das Lächerlichmachen der Gegner
zum normalen rhetorischen Gebahren gehört.
Scharfzüngige Reden haben Tradition. Satire ist ein ständiger
Begleiter des politischen Show-Business. Den Deutschen machen im Moment
Ihrem Steuerfrust mit Galgenhumor Luft.
Kaum war die Regierung vereidigt, kursierte der erste Witz:
Nachts klingelt das Telefon; Herr Schulze meldet sich mit seinem Namen.
Darauf der Anrufer.
"Ach tut mir leid. Ich habe mich verwählt." Schulze antwortet:
"Sie müssen sich nicht entschuldigen, verwählt haben
wir uns alle."
Solche Äusserungen spiegeln nicht nur die Krise der
rot-grünen Regierung. Es rührt von einem allgemeinen
Unbehagen im Zusammenhang mit dem "wirtschaftlichen Zusammenbruch" her.
("Berliner Tageszeitung").
In Deutschland dominiert heute der nörgelnde Konsument. Es sind die
nämlichen Personen, die überzogenen Erwartungen an den Staat
hatten und die wachsenden Sozialleistungen mit immer neuen Steuern
decken mussten. Dies wollen die Wenigsten wahr haben,
Harald Schmidt
brachte diese Problematik wie folgt auf den Punkt:
"Die Bundesregierung hat zu den USA bald das bessere Verhältnis
als zu Deutschland!"
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