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Der Parteitag in Bochum führte die SPD nicht zur erhofften
Geschlossenheit. Schröder hatte in einer Rede versucht, die
Parteibasis zu einigen. Doch die SPD-Basis folgte nicht.
Die Zerstrittenheit der SPD liess sich auch bei den Vorstandswahlen
besichtigen.
Nach "Bild" mochte sich der Kanzler noch weit nach Mitternacht
nicht beruhigen. In Rage gebracht hatte Schröder, dass die
Delegierten des Parteitages SPD-Generalsekretär Olaf Scholz beinahe
abgewählt hatten. Ihm sprachen nur etwas mehr als 52 Prozent der
Genossen ihr Vertrauen aus. Hätten nur dreizehn der mehr als
fünfhundert Delegierten gegen Scholz gestimmt anstatt für ihn,
er hätte abtreten müssen mit unkalkulierbaren Folgen für
die SPD.
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Die in Hannover erscheinende "Neue Presse" berichtet, Schröder
habe SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner am Rande des Parteitags vor
allem wegen des schwachen Abschneidens von Scholz gedroht:
"Euch mache ich fertig." In der "Bild"-Zeitung wird der Kanzler mit
den Worten zitiert:
"Was Ihr da abgeliefert habt, war eine Sauerei."
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Nach "Spiegel" beruft sich das Boulevardblatt "Bild" bei diesem Zitat
auf Informationen aus Parteikreisen. Das Temperament des Kanzlers
fürte auch schon früher zu Geschichten:
(Vgl. Haariges und
Drohrhetorik).
Der angegriffene Jüttner reagierte zunächst kurz angebunden:
"Das kommentiere ich nicht." Dann aber wies er die Vorwürfe des
Kanzlers zurück. Jüttner sagte, Niedersachsen habe keine Intrige
organisiert. "Wer das behauptet, hat etwas zu verschleiern und soll sich
an die eigene Nase fassen." Jüttner sagte laut "Neuer Presse", er
selbst habe trotz berechtigter Kritik an Scholz vor Delegierten für
die Wiederwahl des Generalsekretärs geworben. "Hätte ich das
nicht getan, wäre Scholz weit unter 50 Prozent gerutscht." Die
SPD-Führung habe die Lage vor dem Parteitag falsch eingeschätzt.
Auch am Mogen des 18. Novembers soll der Zorn des Kanzlers noch nicht verraucht
gewesen sein. Ein "Akt kollektiver Unvernunft" sei das Wahlergebnis
für Scholz, knurrte er.
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Landeschefs wie Jüttner, so Schröders Verdacht, hätten
nicht genug für den angeschlagenen General getrommelt, ihn ins
Messer laufen lassen. Die Basis kümmerte sich scheinbar nicht um die Ansagen
von oben und gab per Stimmzettel einen Warnschuss ab.
Der Parteitag schrumpfte auch andere Genossen: Mit Wirtschaftsminister
Wolfgang Clement musste sich auch ein zweiter enger Schröder-Vertrauter
von den Delegierten "abkanzeln" lassen. Für seine unbequemen
Äußerungen beim Kündigungsschutz gab es nur 56 Prozent.
"Bild" werweisst, dass Schröder einen starken Olaf Scholz als Kabinetts-Reserve
für die voraussichtlich im Frühjahr 2004 anstehende
Regierungsumbildung braucht. Der Generalsekretär käme als
Innenminister in Frage, wenn Otto Schily in die Rente gehen wird.
Schröder persönlich kam knapp über die
80-Prozent-Hürde: kein Ausdruck von inniger Liebe. Es ist das
drittschlechteste Ergebnis für einen SPD-Vorsitzenden nach
dem Krieg.
Schröder nahm es sportlich, reichte
den Blumenstrauß für ihn gleich seine Gattin weiter und
erklärte:
"Vor dem Hintergrund der Debatte, die wir führen, ist das ein ehrliches Ergebnis."
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Die besten Ergebnisse verbuchten Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
mit 90 Prozent und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck
mit 82 Prozent. Beck löste damit den im Dauersinkflug befindlichen
Rudolf Scharping ab, der nicht mehr antrat und auch nicht zum Parteitag
erschien.
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Bei den Wahlen zum SPD-Vorstand scheint es von Vorteil zu sein, auf dem
Parteitag kein Wort gesagt zu haben. Das beste Ergebnis erreichte am
Dienstagnachmittag der Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck mit
369 Stimmen, der wegen einer Lungenentzündung gar nicht nach Bochum gereist war.
Auch Heiko Maas aus dem Saarland konnte wegen schwer entzündeter Stimmbänder
nicht ans Rednerpult treten und wurde mit der vierthöchste Stimmenzahl (298)
belohnt.
Die "Zeit": "Es scheint, als zerfasere die Partei, als drifteten die unterschiedlichen
Flügel zunehmend auseinander. Früher gab es verlässliche
Bündnisse und Absprachen zwischen Lagern und Landesverbänden. In
Bochum haben diese zumindest bei den Personalentscheidungen nicht
mehr funktioniert. Die Streitigkeiten der letzten Monate haben ganz
offensichtlich tiefe Gräben hinterlassen."
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