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www.rhetorik.ch aktuell: (13. November, 2004)

Schuster bleib bei Deinen Leisten



Illustration: Bunte Nr 44/2004
Boris Becker ist seit April dieses Jahres Talkmaster beim Deutschen Sportfernsehen DSF. Kaum jemand will jedoch diese Sendung sehen. Sponsoren fehlen. Für uns sind die Gründe klar: Journalismus ist ein Beruf, wie das Tennisspielen. Ein guter Sportler ist nicht automatisch ein guter Talkmaster. Ein guter Journalist lässt sich zuerst auch gründlich ausbilden, so wie ein Sportler. Das Studio 10 des DSF ist eben nicht mehr der Centrecourt von Wimbledon.

Es gibt zwar positive Beispiele von Sportlern, die als Co-Moderatoren gut ankamen. Sie unterstützten die Sportjournalisten mit guten Hintergrundinformationen, basierend auf den eigenen Erfahrung. Dies wurde vom Publikum geschätzt. Wir erinnern an Bernhard Russi oder Marc Surer. Diese Sportler überschätzten sich nicht. Sie glaubten nicht, dank den Sproterfolgen auch ausgebildete Talkmaster zu sein.


Nicht alle Sportlerinnen und Sportler sind gute Kommunikatoren. Wer erinnert sich nicht an das eintönige, unverständliche, farblose Gerede einer Martina Hinggis. (Erstaunlicherweise konnte die Tennisspielerin für den Werbespot einer Waschmaschine plötzlich besser sprechen. Wir gehen davon aus, dass sie nun für die paar Sätze eingehend geschult wurde. Wir fragen uns aber: Weshalb nicht früher?) In verschiedenen Analysen haben wir dargelegt, dass bei Medienauftritten jene Sportler viel mehr überzeugten, die den Umgang mit Medien gelernt hatten. Weil der Auftritt vor Mikrofon und Kamera stresst, gilt es, im Mediensimulator diese Situationen kennen zu lernen, damit die Sportler dann bei echten Auftritten natürlich und überzeugend reden. Im Umgang mit Medien ist eben das Einfache nicht mehr so einfach. Wir haben dies beim Coaching von Spitzensportler gesehen:

Simone Niggli-Luder, Sportlerin des Jahres 2003 hat uns bei allen Auftritten überzeugt. Sie wirkte stets natürlich und kam beim Publikum ganz gut an. Im Radiogespräch "Musik für einen Gast" vom 31. Oktober 2004 im Schweizer Radio DRS 2 mit der Journalistin Ellinor von Kauffungen machte die Sportlerin erwähnenswerte Aussagen im Hinblick Sportlerin und Umgang mit Medien:




Ellinor von Kauffungen: "Sie sind in Rapperswil über Nacht ins Rampenlicht katapultiert worden. OL - wie gesagt eine Randsportart - über die man sonst nicht so viel spricht. Plötzlich waren alle Zeitungen voll. Alle wollten etwas von Ihnen. Waren Sie darauf vorbereitet oder wurden sie darauf vorbereitet?" Simone Niggli-Luder: "In den letzten Jahren hat sich das immer mehr gesteigert. Von da her hatte ich meine ersten Erfahrungen gemacht. Es ist so: Nach der Weltmeisterschaft in der Schweiz war das Interesse enorm. Wir hatten mit dem Schweizer Kader ein Medientraining. Wie wir mit den Medien umzugehen haben. Das hat sicher geholfen. Gerade mit dem Fernsehen ist das immer eine spezielle Sache und ist es immer noch. Da ist es eine Nervosität, die da ist. Aber vielleicht eine etwas andere Nervosität, wie vor dem OL Start."
Ellinor von Kauffungen: "Aber ich meine auch Triage. Was mache ich mit? Was wollen die Medien alles von mir? Was lasse ich alles nicht mit mir machen? Das ist auch eine schwierige Entscheidung in solchen Momenten." Simone Niggli-Luder: "Das ist sicher ein Punkt, den man gut überlegen muss. Ich bin froh, dass mir hier auch mein Mann Matthias etwas hilft. Er ist mein Puffer. Ich lasse ihn die Telefone abnehmen."
Ellinor von Kauffungen: "Und dann kommen immer die selben Fragen - auf die man immer die selben Antworten geben muss. Die man vielleicht nicht weiss: - Wie gehen Sie mit dem Druck um? - Was sind Ihre Zielsetzungen? Ect. Nervt einem das zwischendurch auch mal wieder?" Simone Niggli-Luder: "Manchmal habe ich schon das Gefühl. Das habe ich doch schon X Mal gesagt. Man muss dennoch probieren, immer eine frische gute Antwort zu geben. Das ist ja für mit auch gut und für den Orientierungslauf - wenn ich mich präsentieren kann und der Orientierungslauf publiker wird."


Simone Niggli Luder hat nach unserem Dafürhalten das Wichtigste im Umgang mit Medien hervorragend zusammengefasst:

  1. Es braucht ein fachgerechtes Training.
  2. Vor Auftritten braucht es stets eine Überlegungspause.
  3. Die "immer gleichen" Fragen können wir antizipieren Wenn etwas 50 Mal gesagt werden muss, so gilt jedes Mal: volle Konzentration. Nervosität muss sein, denn es ist immer wieder "Das erste Mal". Niggli betont: Ich muss immer eine frische gute Antwort geben!
  4. Jeder Auftritt ist ein Chance. Für die Sportlerin, die Sponsoren sowie für die Sportart!


Zurück zu Boris Beckers -Absturz in sieben Sätzen:

Seine Quotenbilanz liest sich wie eine Doppelfehlersstrategie. Nur 200'000 Zuschauer im Durchschnitt wollten Becker mit seinen Gästen sehen. Am 21. September 04 waren nur noch 40'000 Zuschauer. Der Marktanteil war zu dürftig. 0.9 statt 1.2 %. Beckers Show wurde vom "Samthandschuhformat" zur Chefsache erklärt. Bei jeder Sendung gab es ein Defizit in geschätzte fünfstelliger Höhe. Es ist verständlich, dass selbst die persönlichen Becker-Sponsoren als Geldgeber abwinkten.


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