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www.rhetorik.ch aktuell: (7. November, 2003)

Duell der Documentardramen



Am Sonntag, dem 9. November 2003, um 9 Uhr findet im Amerikanischen Fernsehen ein ungewöhnlicher Kampf um Fernsehzuschauer statt. NBC strahlt "Saving Jessica Lynch" aus, eine Dokumentargeschichte der Befreiung einer Amerikanischen Kriegsgefangenen im Irak. Zur gleichen Zeit sendet der Sender CBS die "Elizabeth Smart Story", eine Nacherzählung einer ungewönlichen Kindsentführung, die im März 2003 zu Ende gegangen ist.


Parallelen

Beides sind Geschichten einer Gefangennahme mit Happy-End. Beide Helden sind blonde weibliche Teenager, die erste 19, die zweite nun 15 Jahre alt. In beiden Fällen ist nicht klar, ob die Opfer sexuell misbraucht worden sind. Beide Geschichten umgibt eine Aura der Ungewissheit. Die Vorfälle waren in beiden Fällen lange in den Schlagzeilen der US Medien. Von beiden Vorkommnissen wurde ein Dokumentardrama gedreht.
Der NBC Film zeigt die Geschichte der 19 jährigen Jessica Lynch, die in Irak in einen Hinterhalt geraten ist und gefangen genommen wurde. Mit der Hilfe der Irakers Mohammed Al Rahaief gelang am 1. April 2003 eine Medienwirksame Befreiung. Lynch, die selbst am Film nicht mitgewirkt hat, weil sie einen Buchvertrag unterschrieben hatte, weiss selbst nicht viel über ihre Gefangennahme und Rettung. Lynch beklagte sich später, dass sie für PR Zwecke misbraucht worden sei.
Der CBS Film zeigt das Schicksal von Elizabeth Smart einem damals 14 jährigen Mädchen, das in Salt Lake City am 5. Juni aus ihrem Schlafzimmer entführt worden ist und 9 Monate später zusammen mit Brian Mitchell und Wandabarzee in Verkleidung entdeckt wurde. Die Frage, warum das Mädchen nicht von seinen Entführer weggelaufen ist (sie wäre dazu in der Lage gewesen), hat die Medien lange beschäftigt. Etwas mysteriös ist die Tatsache, dass die Familie aus dem Vorfall Kapital schlägt, mittels einem Buch "Das Heimkommen von Elizabeth: eine Reise durch Glaube und Hoffnung" und mehreren Interviews in TV shows.




CBS-NBC Rivalität

Die Fernsehsender CBS und NBC rivalisieren sich auch im Bereich der Nachtkomödien Shows. NBC hat Jay Leno, CBS hat David Letterman. Während die Kritiker Letterman als den besseren Unterhalter beurteilen, hat Jay Leno die meisten Zuschauer. Das Dilemma, ob höheres Niveau oder höhere Zuschauerzahlen ist eine ständige Herausforderung für Fernsehstationen.


Fazit

Diese Beispiele mit den fragwürdigen Geschichten müssten die Medienverantwortlichen wachrütteln:

Der gnadenlose Kampf um Einschaltquoten birgt immer die Gefahr in sich, dass durch das Konkurrenzdenken "Einschaltquotedenken" das Verantwortungsbewusstsein erlahmt.


Es geht weder um eine Verstaatlichung der Medien noch um eine Zensur oder Maulkorbpolitik. Hingegen sind Medienverantwortliche gefordert, die Einfluss auf die Programmstrukturen haben. Sie müssen Mittel und Wege finden, damit nicht wie in den USA gerade geschehen aus ungeklärten Geschichten Kapital geschlagen werden kann. Selbstkritik ist gefragt.


"Es versteht sich von selbst, dass beide Filme "Saving Jessica Lynch" and "The Elizabeth Smart Story" schamlose Versuche der Fernsehstationen sind, Kapital aus wirklich passierten Horror Geschichten zu schlagen.
  - New York Times, 7. November 2003




Nachtrag vom 10. November 2003: CBS gewinnt das Duell. Der CBS Film über Elizabeth Smart wurde von 15.7 Millionen Zuschauern gesehen, während der NBC Film über Jessica Lynch 14.9 Millionen Zuschauer vor den Fernsehen fesselte. Trotzdem ist NBC zufrieden. Nach CNN sind das die besten Zuschauerzahlen seit 2000.


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