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www.rhetorik.ch aktuell: (5. November, 2004)

Faszination Ekel





Beim neuen Dschungel-Camp (RTL) steigen erstaunlicherweise die Zuschauerzahlen. Das Erfolgsrezept: die Ekelszenen werden immer krasser. Wir haben schon mehrmals dieses Phänomen beschrieben:




Über die Grenze des Zumutbaren (eine Illustration unten zeigt eine Kandidatin beim Verspeisen des links abgebildeten Känguruhodens), möchten wir in diesem Beitrag nicht sinnieren. Nachdem jedoch Fachleute darüber diskutiert haben, ob dieser Genre am Fernsehen nicht zur Verdummung führen könnte, zitieren wir einige Experten: Medienwissenschafter Prof. Dr. Jo Groebel findet:


"Ekel fasziniert immer! Das ist angeboren. Es ist ein Reflex."


Groebel vertritt die Meinung, die Stars wären gecastet worden und fährt weiter:

"Viele Zuschauer haben ihre Lieblings-peinliche-Persönlichkeit. Über die kann man nun wunderbar lästern- was jeder gerne macht. Wir fühlen uns dann als bessere Menschen, wenn wir beobachten können, was für einen ekligen Schwachsinn anderer machen. Darüber können wir uns so wunderbar aufregen - und das machen wir alle sehr gern."


Nach Groebel bleiben dumme Betrachter nach dem Betrachten dumm, und intelligente Menschen intelligent. Der Ex ZDF Intendant Prof. Dieter Stolte meint:

"Es gibt offensichtlich ein latentes Verlangen nach exhibitionistischen Darstellungen. Jeder muss selbst wissen, was er mit seiner Zeit anfängt."


Kommunikationswissenschafter Dr. Ulrich F. Schneider sagt:

"Ausserdem stellt sich die Frage, ob uns überhaupt die Unterhaltung etwas beibringen muss, uns also schlau machen sollte. Ich finde, das muss sie nicht. Intelligente Leute denken sich ihren Teil. Prominente sind heute nicht mehr völlig unantastbar. Durch die Dschungel-show haben die Zuschauer die Möglichkeit, zu sehen, wie Promis sind. Wie verhalten sie sich in Extremsituationen? Die Stars werden entlarvt. Ihnen wird die Maske heruntergerissen. Das fasziniert."


Unsere Meinung: Wir haben kein Erbarmen mit den "Opfern". Sie hatten sich für das Camp freiwillig beworben. Sie suchten bewusst den Medienkick und möchten ihre "Mediengeilheit" befriedigen. Promis sind keine Jugendlichen mehr, wie bei "Superstar", wo ahnungslose Teenager unvorbereitet der Exekutionsrhetorik Bohlens ausgesetzt worden waren. Prominente kennen die Folgeschäden bei emotionsgeladenen Szenen vor der Kamera. Sie benötigen auch keine psychologische Betreuung, so wie es bei Big Brother notwendig war.


Die Grusel- und Ekelsendungen führen nach unserem Dafürhalten weniger zu einer Verdummung, sondern vielmehr zu einer Abstumpfung. Wollen wir das? Wenn nicht - dann gibt es immer noch Knöpfe an der Fernbedienung des Fernsehgerätes.




Ein Spiegel Artikel "Nick scheitert im Terroraquarium" illustriert die Faszination des Mediums:

"Obwohl die Waldbewohner der RTL-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" zuletzt etwas müde wirkten, scheint das Zuschauerinteresse an dem Promi-Camp ungebrochen: Auch die jüngste Show, in der Désirée Nick im Terroraquarium unterging, war ein echter Straßenfeger.

36,9 Prozent der Zuschauer in der für die Werbewirtschaft wichtigen Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren verfolgten gestern die jüngsten Ereignisse im australischen Dschungel - viel zu sehen gab es dabei allerdings nicht. Zwar musste mal wieder "Mutti einkaufen gehen" (Désirée Nick über Désirée Nick), um für die "Kinder" im Camp das Essen zu besorgen. Doch diesmal kam "Mutti" im Einkaufsladen gar nicht zurecht.


Ihr wurde jene Prüfung gestellt, bei der auch schon Daniel Küblböck in der ersten Staffel versagt hatte: Sie musste ihren Kopf in einem Plexiglasbehälter stecken, dann wurde das Gefäß mit Wasser, Fischen, Spinnen und Aalen geflutet. "Tauchen und Schnorcheln ist nicht mein Sport. Ich habe Angst unter Wasser", sagte Nick. Dann schwieg sie zum ersten Mal während der Sendung - denn sie hatte einen Schnorchel zwischen den Zähnen.

Doch ähnlich wie seinerzeit Daniel Küblböck hielt auch Nick die Tortur lediglich drei Minuten aus - und bekam dafür dann auch nur drei Sterne, also drei zusätzliche Essenrationen. Peinlich, denn als Carsten Spengemann in der vorletzten Prüfung nur drei Sterne für die Gruppenküche erspielt hatte, war es Nick, die am lautesten darüber lästerte: "Was soll man mit einem Kerl anfangen, der nur drei Sterne holt?", waren ihre Worte."


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