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www.rhetorik.ch aktuell: (27. März 2003)

Kriegsbilder, die Reaktionen auslösen




In der ersten Woche des zweiten Golfkrieges war viel von der Rolle der Medien im Krieg zu lesen. Wir beleuchten ein paar Punkte über die Kriegsberichterstattung in einem Krieg, bei dem das Monopol westlicher Fernsehanstalten gebrochen worden ist und arabische Nachrichtenagenturen mitinformieren.
Zeichnung: NZZ.


Wiederholung von Schlüsselbildern

22. März Wir können davon ausgehen, dass die meisten Bilder, die bis anhin vom zweiten Golfkrieg veröffentlicht wurden echt sind, dass die Aufnahmen nicht nachgestellt oder manipuliert worden sind.
Doch geht es meist nur um Schnappschüsse und Einzelaufnahmen, die nachträglich als Schlüsselbilder immer wieder gezeigt werden.
So wurde das Bild der Mann mit der erhobenen weissen Fahne von den US Medien dauernd wiederholt. Wie auch Bilder jener Soldaten, die sich freudig in die Gefangenschaft begaben.
Die Irakis zeigten ihrerseits immer wieder den verletzten Knaben im Spital. Es sind immer wieder die gleichen drei Kinder, die gezeigt wurden.
Andrew Kohut, der Director des Pew Research Centers:
Bilder sind enorm wichtig. Das amerikanische Publikum wird von Bildern bestimmt.

Kriegsgefangene

ab 23. März Die Bildern gefangenen Amerikanischer Soldaten (Iraki TV vom 23. März) hatten enormen Einfluss auf die Stimmung der Öffentlichkeit. Die amerikanischen Medien unterschlugen die Bilder zuerst mit der Begründung, dass die Bilder ein Kriegsverbrechen seien. Vor allem dann, wenn Gefangenen hingerichtet werden. Es gehe nicht an, dass die Identität der Opfer über die Medien bekannt gegeben würden.
Solche Bilder beeinflussen natürlich den Kriegsverlauf und erhöhen den Druck, den Krieg nicht in die Länge zu ziehen um Gefahr zu laufen, dass die Stimmung im Volk nicht zu stark umschlägt. Die von den arabischen Medien gezeigten Bilder sollen nicht nur aufrütteln und die Gegenseite demütigen. Die Informationsverantwortlichen erhoffen sich einen Stimmungswandel. Die Bilder wurden im Interesse der Bewussseinsbildung (und natürlich der Tatsache, dass Internetuser sich jederzeit die Bilder anderswo betrachten konnten) später auch in den US Medien gezeigt. In den verschiedensten TV Sendern wurde über die Wirkung dieser Bilder gesprochen.
Nach Regeln der Genfer Konventionen dürfen Gefangene nicht der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Ob sich die Amerikaner an diese Kriegsregel gehalten haben als sie als erste Fotos von Gefangenen gezeigt hatten, da gehen die Meinungen auseinander.
Fachleute im Westen behaupteten, dass die Szenen mit gefangenen US Soldaten ein Verstoss gegen die internationalen Regeln gewesen sei und die Aufnahmen für die Angehörigen pietätlos seien, da die Gesichter der Gefangenen am Bildschirm deutlich gezeigt wurden. TV-Redakteure wussten nach diesen Veröffentlichungen zuerst nicht, ob sie nun diese Bilder auch publizieren sollten. Die deutschen Fernsehstationen - auch andere - zeigten aber die Aufnahmen mit der Begründung, dass der Öffentlichkeit bisher die Illusion eines klinisch sauberen Krieges vorgegaukelt worden war. Mit diesen Aufnahmen könne der Glaube an einen perfekten Krieg gebrochen werden. Die Visionierung der umstrittenen Szenen erfolgte mit dem Wissen, dass das irakische Fernsehen diese Filme zu Propagadazwecken laufend wiederholte, um die Widerstandskämpfer zu motivieren. Die irakische Armeeführung ist sich bewusst: Verletzte US-Soldaten animieren junge Iraker, sich als Untergundkämpfer zu melden. Bilder können als Propagandawaffen genutzt werden. Für die Amerikaner sind die jüngsten Bilder ein Schock. Obschon man weiss, dass es keinen schmerzlosen, sauberen Krieg geben kann, beeinflussen die Bilder die Emotionen.

Ausschalten von Internetseiten und Fernsehstationen

ab 25. März In der ersten Woche des Krieges wurden die Internetseiten Al Jazeera.net des Arabischen Fernsehsenders Al Jazeera und deren Englische Version english.aljazeera.net lahmgelegt. Auf diesen Seiten waren auch die Gefangenenbilder gezeigt worden. Sogenannte "Denial of Service" (DOS) Attacken lämten die Seite, leiteten sie um und ersetzte sie mit anderen Inhalten.
Die Al Jazeera Editoren behauteten in Kanadischen Medien, die Aljazeera Webseite sei vom Pentagon gehackt worden. Experten sagen jedoch, dass solche Sabotage, in denen eine Webseite mit 300 Megabits pro Sekunde überlastet wird und lahmlegt auch von einem Hacker nach ein paar Wochen Training gemacht werden könne. Weniger erstaunlich ist, dass keine Jagd auf die patriotischen Hacker gemacht wird.

Am 25. März wurde das Irakische Fernsehen zeitweise durch Raketenangriffe ausgeschaltet. Es war dann zeitweise aber wieder sendefähig. Nach einem Kommentar der New York Times war das Irakische TV am Anfang von den Allierten verschont worden, weil man geplant hatte, es später wieder zu gebrauchen. Nach dem aber der Sender auch Bilder von den Kriegsgefangenen ausgestrahlt hatte, änderte man die Meinung und schlug zu.

Zivilopfern

26. März
Unvergessen sind noch die Bilder eines Massakers von Sarajevo im Februar des Jahres 1994. Damals hatte die serbische Artillerie auf dem Marktplatz der bosnischen Hauptstadt ein Blutbad angerichtet.
Diese Bilder lösten damals Verständnis für eine militärischen Intervention in Jugoslawien aus. Im Irak-Krieg gibt es nun ähnliche Bilder.


Laut irakischen Angaben wurden auf einem Marktplatz fünfzehn Menschen durch US-Raketen getötet und mehrere hundert verletzt. Die Aufnahmen des Blutbades auf einem Marktplatz in Bagdad empörte nicht nur die arabischen Welt.
Fernsehbilder vom getroffenen "El Schaab" Wohnviertel wurden im 15 Minuten-Takt gesendet. Zu sehen waren Leichen, zerstörte Autos, beschädigte Gebäude. Wiederum war es Al-Jazeera, die als erste arabische Fernsehstation die Bilder effektvoll päsentierte. Der Sender entschied sich für ein "Screen-Splitting". Auf der rechten Bildhälfte pries der amerikanische Brigadegeneral Vincent Brooks die Erfolge "überlegener Hochtechnologie" oder es liefen Videos von "präzisen Bombeneinschlägen in Kerbala, Samawa und Nadschaf". Währenddessen sah das Publikum auf der linken Bildhälfte die teilweise verkohlten, entstellten Leichen irakischer Zivilisten, die langsam in Plasikplanen eingehüllt und dann auf die Ladefläche eines Pritschenwagens gelegt wurden. Mindestens 20-mal wiederholten Al Dschasira und andere arabische Fernsehsender diese entsetzlichen Szenen. Durch das "Screen-splitting" wurde die politische Botschaft noch deutlicher: Die Angreifer sprechen von einem sauberen Krieg. In Tat und Wahrheit werden jedoch unschuldige Zivilisten getötet.
Es ist nichts Neues, dass die Medienkonsumenten nach einer solchen Tat nicht mehr erkennen können, was tatsächlich stimmt. General Brooks behauptete am 26. März an einer Medienkonferenz in Doha, dass nicht die Amerikaner die Iraker getötet hätten, sondern dass "Iraktische Zivilisten von Irakern umgebracht worden seien." Später war davon aber nicht mehr die Rede. Im CNN Archiv und CNN "Wartracker" findet man den Vorfall nach ein paar Tagen schon nicht mehr.
Einmal mehr sehen wir, dass Bilder die Wirkung nicht verfehlen. In der arabischen Welt wird mit den jüngsten Bildern das Bild vom "Kriegsverbrecher Bush" abgerundet. Saddam Hussein, an dessen Händen das Blut von hundertausender Unschuldiger klebt, steigt damit zum Helden des Widerstandes auf. Der Irakkrieg veranschaulicht recht eindrücklich, dass der Kampf um Bilder tobt.
Auch in Meta-Anlysen geht es um psychologische Kriegsführung, Information, Desinformation, Propaganda und Gegenpropaganda. Zunehmend schwieriger wird es für Aussenstehende sich der Wahrheit anzunähern.
28. März Nachtrag. Nach Reuters gab es am 28. März im Poor al-Shula Stadteil von Bagdad nochmals 63 Tote nach einem Raketenangriff. Die Alllierten haben bisher 54 Tote zu beklagen.

Sorge um die Bilder

29. März
Dass sich die Amerikanische Führung auch um die Medien sorgt wird dadurch veranschaulicht, dass Donald Rumsfeld sich über die Medienberichterstattung geärgert hat:
Die jüngstem TV- Bilder würden ein falsches Bild vermitteln, monierte er. Auf die Frage, ob den Amerikanern nicht vor dem Krieg der Eindruck gemacht wurde, dass der Krieg schnell vorbei sein werde, sagte Rumsfeld: "Nicht von mir, und auch nicht von General Myers."

Die US Regierung ist natürlich nicht begeistert, wenn Tote, Verletzte und Gefangene gezeigt werden. Anderseits ärgern sich auch Angehörige von Soldaten über zensierte CNN Fernsehbilder und möchten, dass man alles ungefiltert zeigt. Die Frage ist berechtigt: Was geschieht denn tatsächlich mit den Angehörigen an der Front, wenn bekannt ist, dass eingebetteten Reporter sich an starre Regeln halten müssen.
Noch nie gab es ein Krieg mit solch intensiver Medienberichterstattung, wo Soldaten interviewt werden, während sie kämpfen, nachdem sie mit dem Falschirm abspringen, die erste Bombe geworfen haben, oder kurz nachdem sie gerade verwundet worden sind.
Folgendes Zitat eines "eingebetteten Journalisten" zeigt, dass sich die Reporter auch in der Kampftruppe eingebettet fühlt und sich mit einer der Parteien identifiziert:

"Wir werden beschossen. Aber sie haben uns nicht getroffen. Wir schiessen zurück und haben sie weggeblasen."


Es ist aber vorprogrammiert, dass jeder zusätzliche Kriegstag Bilder produzieren wird, die Menschen beeinflussen werden.
Die Washington Post:

"100 Dinge können gut gegen, aber wenn 5 Dinge schieflaufen, sieht man sie Live und in Farbe. Der 'gut dokumentierte Krieg' berichtet vom ganzen Krieg, ob er nun gut oder schlecht gekämpft wird. Er liefert zwangsweise doppeldeutige Bilder. Die einen werden ein Foto als ein Bild der Erniedrigung interpretieren, andere sehen es als ein Abbild von Soldaten, die gewissenhaft und vorsichtig in einer feindlichen Umgebung arbeiten."
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