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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Mai, 2004)

Die Wirkung der Wortes "Oekoterror"



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In der "Tagesschau" vom 24. Mai bezeichnete Stadtpräsident Elmar Ledergerber den Rekurs des VCS gegen das vorgesehene Stadion als "Terror". Zum "Blick" sprach er von "Ökoterror".

Mit diesem Wort hatte sich der sozialdemokratische Stadtpräsident in die Nesseln gesetzt. (Umgangsprachlich hat das Wort Terror auch die Bedeutung, dass etwas nervt. So hatte es Elmar Ledergerber gemeint.)


Der VCS, der mit Einsprachen den rechtzeitigen Bau des Stadions gefährdete, schaffte sich nicht nur beim Fussballpublikum Feinde. Die verbale Entgleisung kam nun dem VCS gelegen, den Sündenbock weiterzureichen. Nach dem VCS hatte der Stadpräsident den VCS auf die Ebene der schlimmsten Terroristen gestellt. Der VCS protestierte wortlaut.

Das Beispiel zeigt einmal mehr: Jedes Wort hat einen "Bedeutungshof". Für Elmar Ledergerber wird im Alltag "Terror" nicht immer im Zusammenhang mit Terroristen gebraucht. Eine Mutter sagt beispielsweise dem Kind: "Mach keinen solchen Terror!" In der Umgangsprache werde "Terror" gar nicht so verstanden, wie es der VCS sieht.

Zürichs Stadtpräsident Elmar Ledergerber entschuldigte sich dennoch dafür, dass er das Verhalten des VCS Zürich als Ökoterror bezeichnete uns schrieb am 26. Mai in einer persönlichen Erklärung:

"Selbstverständlich habe ich in keiner Weise einen Vergleich mit dem schrecklichen Terror angestellt, der heute viele bedroht. Sollte ich mit meiner zornigen Aussage jemanden verletzt oder vor den Kopf gestossen haben, so tut mir das aufrichtig leid."






Echo der Parteien: Die Hauptschuld für die verfahrene Situation liegt gemäss der bürgerlichen Parteien dennoch bei der Zürcher VCS-Sektion. SVP, FDP und CVP/EVP erinnerten daran, dass das Stimmvolk der Stadionvorlage mit der umstrittenen Mantelnutzung im September 2003 zugestimmt hatte. Der "Verhinderungsclub der Schweiz" (so die SVP) foutiere sich um diesen demokratisch legitimierten Entscheid, hiess es, der VCS trete die Demokratie mit Füssen. Zudem missbrauche er das Verbandsbeschwerderecht, so die FDP. Es bestehe die Gefahr, dass Grossanlässe in diesem Land offensichtlich nicht mehr durchgeführt werden können. Die Einsprachen des VCS haben übrigens dem Verkehrsclub enorm geschadet. Es gab zahlreiche Rücktritte.

Fazit: Es lohnt sich, stets zu überlegen, wie die eigenen Worte beim Gegenüber aufgenommen werden könnten. Verstehen, Missverstehen, Interpretieren, bewusstes "Falschverstehen", Nichtverstehen-wollen, Assoziationen zu einem Begriff. Alles liegt recht nahe beieinander. Dadurch führen so viele Kommunikationsprozesse zu Problemen.
Apropos Assoziationen, Missverstehen und Kommunikationsprozesse: Ein Aprilscherz meldete dieses Jahr, dass private Investoren angeführt von der Credit Swiss - damit die Fussball-EM 2008 nichts ins Wasser fällt - ein Projekt "Arena im See" in der Schublade haben sollen. Auf einer Insel vor der Landiwiese soll ein Stadium mit 30'000 Sitzplätze für 20 Millionen in einem Jahr erstellt und nach der EM wieder abgebaut werden.






Nachtrag vom 18. Juli: Rolf Schweiger setzt sich mit "Oekkofaschisten" ins Wespennest.

Nach Elmar Ledergerbers Wort "Oekkoterror" sorgt nun der Begriff "Oekkofaschisten" für rote Köpfe. Rolf Schweiger, Präsident der "Aktion für eine vernünftige Energiepolitik" entschuldigte sich (Quelle: "Sonntagsblick"): "Es geschah ohne mein Wissen. Ich finde diese Wortwahl denn auch unrichtig." Der Autor des Textes hingegen findet:

"Die Methoden von Greenpeace sind faschistisch. Die Organisation übe Druck aus, der über die erlaubte Grenze hinausgeht."


Wir finden:

Es lohnt sich immer, mit Begriffen bedacht umzugehen.






Nachtrag vom 25. Juli, 2004: Am 25. Juli schiebt nun Rolf Schweiger auf der Homepage der "Aktion für vernünftige Energiepolitik" (Aves) eine Belehrung hinterher:
Faschismus habe mit Nazitum nichts zu tun. Gemäss DTV-Lexikon bedeute das Wort:

"Im übertragenen Sinn ganz einfach politischer Bund oder Bündnis."


Damit sei Greenpeace mit dem Begriff "Oeko-Faschismus" gar nicht verunglimpft, sondern sachlich richtig eingeordnet worden.
Wir fragen uns lediglich, weshalb Aves noch verspricht, "sich auch in Zukunft mit klarer Sprache" vernehmen zu lassen. War damit doch nicht alles so klar? Bei Kommunikationsprozessen ist letztlich entscheidend, was beim Gegenüber ankommt.


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