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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Juni, 2003)

50 Jahre Schweizer Fernsehen




Vom politiklosen Passivitätsverführer ...

Nach der Einführung des Fernsehens dominierten in der Schweiz die kritischen Stimmen gegenüber dem neuen Ton-Bild-Medium. So wurde damals behauptet, die Television verführe zur Passivität. Die Skepsis gegenüber dem Konkurrenten des Radios war vorerst erstaunlich gross, obschon nur wenige Stunden am Abend gesendet wurde. In der Anfangsphase dominierten Direktübertragungen wie zum Beispiel Bundesratswahlen oder Sportberichte. Es gab praktisch keine politischen, geschweige denn politik-kritischen Berichterstattungen. Samuel Isler ein Journalist der Basler Zeitung beanstandetet als einer der ersten die lahmen und spannungslosen Berichte des Schweizer Fernsehens.



... zum politischen Sendegefäss.

Das Freitagsmagazin mit Roman Brodmann war das erste nonkonformistische politische Sendegefäss. Erstmals wurden Pfeile gegen das Establishment geschossen. Die "Antenne"- Mitarbeiter schrieben sich ebenfalls politische Relevanz auf die Fahne. Der sogenannte "anwaltschaftliche Journalismus" weckte bald Gegenkräfte, weil sich viele Journalisten unverblümt als Anwälte von Minderheiten, Randgruppen oder oppositionellen Kräften sahen. Als Gegengewicht zu den "Mächtigen" wurde diese Einseitigkeit jahrelang toleriert.



Von der Institution zum Medienunternehmen

Nach und nach sahen jedoch die Fernsehschaffenden ein, dass sie nicht als Medienpriester eine Mehrheit zu belehren hatten, dass Journalisten nicht den Auftrag haben zu sagen, was das Volk denken soll. Die Zeit des missionarischen Eifers, des Belehrens machte beim Schweizer Fernsehen der Erkenntnis Platz, dass in erster Linie die Konsumenten als Konzessionäre und Kunden zufriedengestellt werden müssten. Die "Institution Fernsehen" wurde zum "Medienunternehmen". Bundesrat Tschudi verlangte anlässlich der Einweihung des neuen Studios vor allem "gute Inhalte. Aber was versteht man unter "gut"? Ein Unterhaltungsbrei, Kulturelle Sendungen, Politisch neutrale Informationen oder ein Fernsehen als Plattform der Regierung? Ein verbindlicher Verfassungsauftrag fehlte.



Ausgewogenheit oder Plattform der Aussenseiter?

Jahrelang hielten sich die Politiker hinsichtlich Medienauftritten bewusst zurück. Man wünschte möglichst wenig Medienpräsenz. Möglicherweise deshalb, weil das Fernsehen in vielen Sendungen zu offensichtlich Anwalt der oppositionellen Meinung war. Bei kontroversen Themen schimmerte zu oft die persönliche Meinung der Macher - auch bei Informationsgefässen - durch. Zum Beispiel bei Berichterstattungen von Demonstrationen oder Wehrvorführungen des Militärs. Unter den Medienschaffenden bildeten sich hierauf zwei Fraktionen: Jene, welche die Sachverhalte möglichst neutral abbilden wollten, und jene, die das Fernsehen auch als Plattform der Aussenseiter sahen.



Themenauswahl als Verantwortung

Viele Sendungen wurden jahrelang gezielt beanstandet. Es bildete sich unter anderem der medienkritische "Hofer-Club", der eine verschärfte Kontrolle der SRG gefordert hatte. Vor allem bei Armeefragen schieden sich die Geister. Werner Hofer wünschte eine positivere Darstellung der Landesverteidigung. Allmählich wurde erkannt, dass durch die Themen-, Redner- und Bildauswahl oder Kameraführung die Meinung der Zuschauer beeinflusst werden kann. Selbst jene Gruppen, die sich für die Pressefreiheit stark machten, setzten sich für eine pluralistischere Zusammensetzung bei Medienschaffenden ein. Es wurde eingesehen, dass die Themenauswahl eine Verantwortung ist. Die jahrelange Kritik an einseitig gefärbten Sendungen hatte Konsequenzen: Das Fernsehen verpflichtete sich der Ausgewogenheit.



Kamerapräsenz als Chance

Die Journalisten wurden in dieser Phase vorerst eher Regierungssprecher. Das Fernsehen übernahm den Jargon der Politik. Damit näherten sich die Politiker ans neue Medium an und waren zu TV- Auftritten bereit. Es dauerte nicht lange, und alle Meinungsträger erkannten die Wichtigkeit, am Bildschirm wahrgenommen zu werden, dass Kamerapräsenz eine Chance ist, seine Meinung zu verbreiten. Über das Fernsehen konnten politische Bewegungen ausgelöst werden. Nach verschiedenen Konzessionsverletzungen kam es dann im Jahre 1976 zum ersten Verfassungsartikel, der eine ausgewogene und objektive Berichterstattung verlangte. Es war Willi Ritschard, der als erster Bundesrat das Fernsehen als elektronische "Landsgemeinde" zu nutzen verstand.



Kurze Statements erfordern Medientraining

Gegner und Befürworter von Sachfragen, wie auch Politiker sahen bald ein, dass es sich lohnt, sich "medienrhetorisch" ausbilden zu lassen. Sie lernten, kurze Statements von 40 Sekunden abzugeben, welche für das Publikum verständlich waren. Schon damals waren in den USA Aussagen von lediglich 20 Sekunden die Norm. Heute sind Antworten von 30 Sekunden eine Selbstverständlichkeit. Heute dominiert der aggressivere Boulevardstil im Format der "Arena". Jeder muss sich in kurzer, knapper Form darstellen können. Wer die damit verbundenen Spielregeln nicht kennt, hat das Nachsehen. Im Zeitalter von Lokalradio und Lokalfernsehstationen muss heute das "Ein mal Eins der Medienrhetorik" in Theorie und Praxis beherrscht werden.



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Quellen: Der Pressedienst von SFDRS hat eine fantastische Sammlung von Bildern und Dokumenten, die auf der Webseite abrufbar sind.




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