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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Juni, 2004)

Spuck-Rhetorik auch im Sport?



Der italienische Fussballnationalspieler Francesco Totti war diese Woche von der Uefa für drei Spiele gesperrt worden, nachdem er bei den Europameisterschaftsspielen im Match gegen Dänemark Christian Pulen ins Gesicht gespuckt hatte. Totti kann theoretisch erst wieder im Halbfinale des EM-Turniers eingesetzt werden. Totti und Poulsen


Volker Roth Etwas Schlimmeres als Spucken gibt es im Fussball nicht.


sagte Volker Roth, Vorsitzender der UEFA-Schiedsrichterkommission zu dem Vorfall.

Die Sponsoren von Totti wird die Sache teuer zu stehen kommen. Laut Schätzungen der Mailänder Gesellschaft Eta Meta Research müssen die Sponsoren des Profis von AS Rom mit Einbussen in Höhe von über 35 Millionen Euro rechnen. Skandale im Sport haben sofortige Auswirkungen auf die Unternehmen und Marken, die sich mit den Spielern assoziieren. Der Imageschaden betrifft nicht nur die Sponsoren, sondern auch die italienischen Nationalmannschaft.

Die Kommunikationsform "Spucken" scheint im Fussball Schule zu machen. Jedenfalls leitet die Disziplinarkommission des Europäischen Fussballverbandes ebenfalls gegen den Schweizer Nationalspieler Alex Frei ein Verfahren ein. Er wird beschuldigt, den Engländer Steven Gerrard angespuckt zu haben. Der Entschied zu dieser Spuckaffaire wird demnächst gefällt.
Links: Quellen:


Nachtrag vom 20. Juni, 2004: Die Disziplinar-Kommission der Uefa sprach Frei mangels Beweisen frei. Frei kann das für die Schweiz entscheidende Vorrundenspiel gegen Frankreich am Montag bestreiten. Die konsultierten Videobänder liessen keine klaren Schlüsse zu, ob Frei tatsächlich, wie TV-Bilder des ZDF vermuten liessen, Gerrard angespuckt hat.

Nachtrag vom 21. Juni, 2004: Der Fussballer Frei wurde gestern mangels Beweise freigesprochen. Nun sind neue TV Bilder aufgetaucht, die eindeutig zeigen, dass er gespuckt hat. Nun wird die Sache neu aufgerollt und die Medien haben einmal mehr eine publikumsträchtige Geschichte. Dem Stürmer Frei, der im Gegensatz zu Totti seine Tat geleugnet hatte, droht nun eine ungleich längere Pause. Es sei davon auszugehen, dass das Verhalten des Spielers Auswirkungen auf das Urteil habe, sagte Uefa-Ankläger Gerhard Kapl im Schweizer Fernsehen, das die neuen, von einem Techniker zufällig entdeckten Bilder, ausgestrahlt hatte. Auch Uefa-Sprecher Robert Faulkner stellte "eine harsche Bestrafung" des 24-Jährigen in Aussicht.




Nachtrag vom 21. Juni, 2004: Dampf ablassen befreit, aber...

Nicht nur Psychologen finden es gut, wenn sich Menschen entstauen, anstatt zu schweigen. Sie finden: Für das Seelenheil sei es besser, Dampf abzulassen. Ausbrüche würden "reinigen" und befreiend wirken. Peinlich könnten Ausbrüche lediglich hinsichtlich Image sein. Dampf abzulassen ist gewiss gesünder, als alles in sich hineinzufressen. Für die Karriere muss ein Blackout nicht immer Absturz bedeuten. Es gibt Personen, die schlimme Ausrutscher mit einer kurzen Entschuldigung beseitigen können. Und alles ist in Ordnung.

Selbst Bundesrat Moritz Leuenberger bewies 2001, dass es sich Luft zu verschaffen wusste. Im Kontrast zu seiner sonst so feinsinnigen Art, kommentierte er die Fragen eines Journalisten mit


"Huere Scheiss!"


und
"isch doch nid zum ushalte."




Leuenberger glaubte damals, die Kameras wären schon abgeschaltet. Der Bundesrat ging trotz Veröffentlichung dieser Sequenz gar nie auf seinen Ausraster ein. Der Ausrutscher hatte auch keinerlei Nachspiel. Schawinski verlor einmal vor laufender Kamera die Nerven, als er bei einer Auseinandersetzung mit Caterine Herriger ihr Buch quer durchs Studio warf.


Sich beherrschen oder das Geschirr an die Wand schmeissen? Beide Thesen stimmen: "Druck ablassen" und "Das sich Beherrschen können".

Wer sich Luft verschafft, hilft gewiss seiner Gesundheit. Wer immer alles schluckt, kann krank werden (Herz, Magen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen). Wer sich jedoch nicht beherrschen kann und die Wut unkontrolliert "laufen lasst", schadet sich aber auch. Jähzornartige, unkontrollierte Ausbrüche können nämlich ebenfalls krank machen. Letztlich geht es auch hier um das Finden einer Balance - der Balance zwischen Kontrolle und Aussprechen der Kritik.

Viele Jugendliche können sich nicht mehr beherrschen und sind nicht fähig, Ungerechtigkeiten kontrolliert zu regeln. Für eine kurdische Schülerin genügte lediglich ein längerer Blick, um sich provoziert zu fühlen. Auf dem Pausenplatz verprügelte die vierzehnjährige Schülerin eine Mitschülerin. 2Ich habe ihr zuerst mit den Fäusten ins Gesicht gehauen. Dann zog ich sie an den Haaren runter und rammte ihr das Knie ins Gesicht - immer wieder. Nachher tat es mir leid. Das Mädchen hatte ein geschwollenes Gesicht, ein blaues Auge und ausgerissene Haarbüschel."


Dieses Beispiel veranschaulicht, wie bei einem Wutausbruch die Kotrolle verloren gehen kann. Sehr wahrscheinlich muss das "Sich-beherrschen-können" langfristig trainiert werden. Wer nicht gelernt hat, Frust zu ertragen, neigt dazu die Nerven zu verlieren und unkontrolliert zu handeln. Dies zeigt sich tagtäglich gegenüber Autoritätspersonen, wie Eltern, Lehrern, Polizisten usw.
Wer sich unkontrolliert Luft verschafft, kann im Umgang mit Menschen innert weniger Sekunden das Geschirr so zerschlagen, dass ein irreparabler Schaden zurückbleibt. Vor allem auf der Beziehungsebene können wir nicht erwarten, dass sich alle Mitmenschen bedanken, wenn man ihnen "auf der Nase die Zigarette ausdrückt".

In einem Schulhausprojekt erlebten wir es, dass lediglich ein beleidigendes Wort genügte, um eine Beziehung "für immer" zu zerstören. Bei jenem Vorfall (vor 15 Jahren) reden die beiden beteiligten Lehrkräfte immer noch nicht miteinander. Der unbeherrschte Ausbruch führte zur Lösung "Stecker raus", das heisst, jedigliche Kontakt wurde abgebrochen.


Wenn es darum geht, Belastungen auszusprechen, so lohnt es sich bestimmt, bedacht zu handeln. Wir haben zahlreiche Videobeispiele, die veranschaulichen, dass unbeherrschtes Verhalten kontraproduktiv ist.




K+K vermittelt Ihnen Werkzeuge im Umgang mit Beleidigungen. Wir helfen Ihnen weiter.






Nachtrag vom 22. Juni, 2004: Fehlte das Krisenmanagement bei der Schweizer Nationalmannschaft?

Es macht den Anschein, dass das Ausscheiden der Sturmspitze - im wichtigsten Match gegen Frankreich - vom Fussballverband nicht antizipiert worden war. Jedenfalls scheinen die Konsequenzen der Sperre die Verantwortlichen in grosse Verlegenheit gebracht zu haben. Die Verbandspitze trat am Montag vor die Medien und hinterliess dabei einen recht nervösen Eindruck. Die Medien stellten hernach sofort kritische Fragen:
  • Wurde der Spiele von oben zum Lügen gedrängt?
  • Hat der Fussballverband wirklich von der Spuckattacke nichts gewusst?
Die folgende Reaktion machte uns deutlich, dass die Verantwortlichen den Kopf verloren haben: Der Verband beschloss nämlich, das Fernsehen DRS zu boykottieren. Mit der Begründung: Das Schweizer Fernsehen habe jene Bilder ausgestrahlt, die heute als Beweismittel ausschlaggebend sind. Das Schweizer Fernsehen wird deshalb ab sofort boykottiert und es werden auch keine Interviews gegeben. Dieses kopflose Strafaktion spricht für sich: Der Verband machte bei dieser Krise alles falsch:
  • Anstatt gut zu überlegen, wird unbedacht gehandelt.
  • Mit dem Boykott schadet der Verband nicht nur dem Fussball, er schadet auch sich selbst und vermittelt ein Bild des schlechten Gewissens.
  • Bestraft werden letztlich die Fernsehzuschauer.
  • Das Boykott vermittelt die Botschaft: "Das Fernsehen darf nicht der Wahrheit verpflichtet sein. Im Interesse des Fussballs, muss das Fernsehen Tatsachen verschweigen."
  • Das Boykott erinnert an die Zensur totalitärer Staaten.


Wir vertreten die Meinung: Es ist ein gutes Zeichen, wenn Medien unabhängig von Parteien, Interessengruppen und Religionen Unzulänglichkeiten aufdecken.






Nachtrag vom 30. Januar 2005: Skandale im Fussball: Die Sonntagszeitung vom 30. Januar stellt Skandale im Fussball zusammen.
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