In der Rundschau vom 11. Juni sass Nationalrätin Chiara Simoneschi auf dem
heissen Stuhl. Es ging um die Hanfpolitik im Tessin. Es ist in der Rundschau
zulässig, Personen in die Zange zu nehmen. Provokationen sind erlaubt. Das
Unterbrechungsspiel ist zur Überprüfung der Stabilität eines
Gesprächspartners nichts Aussergewöhnliches und darf uns nicht stören.
An die Art und Weise der harten Befragungen à la Hannes Britschgi, Reto
Brennwald usw. hat sich der Fernsehzuschauer inzwischen gewöhnt, obschon bei
den ersten Rundschausendungen einige Leute fanden, die Befragung sei an der
Grenze des Zulässigen.
Bei den früheren Interviewern nahmen die Journalisten immerhin ihr
Gegenüber - auch beim hartnäckigem Nachhaken - immer ernst und
liessen die befragte Person angemessen zu Wort kommen.
Wir sind überzeugt, dass die Zuschauer die schulmeisterliche Besserwisserei
dieses "ausgebildeten" (oder eher "eingebildeten?") Journalisten negativ
gewertet haben. Tatsächlich gingen die Sympathiepunkte, trotz allem - an Chiara
Simoneschi. Gewiss nicht nur aus Mitleid. Wir haben bei 15 Fernsehzuschauern
unsere Vermutung überprüft. In deren Urteilen wurden am Interviewer
kein gutes Haar gelassen. Wir hörten beispielsweise:
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- "Der wollte gar nicht zuhören!"
- "Dies war gar kein Interview. Der Journalist wollte nur seine Meinung
verkaufen."
- "Dem Journalisten ging es nur darum, die stärksten Argumente der
Nationalrätin abzuwürgen."
- "So etwas habe ich noch nie gesehen: Ein Journalist, der die
Gesprächspartnerin gar nicht anhören will!"
- "Uns hätte die Meinung der Politikerin interessiert. Sie kam nicht zu Wort.
Sie durfte gar nicht richtig argumentieren. Der Journalist fuhr ihr
ständig über den Mund."
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Diese Echos bestätigten uns, dass das Verhalten des Journalisten die Leute
befremdete. Ein Interviewer darf beim "heissen Stuhl" in der Sache hart sein
und er kann Gegenargumente ins Feld führen. Es muss aber auf das
Mitdiskutieren verzichten und sollte sich nicht mit dem Gegenüber
duellieren. Bei der Rundschau sind harte Fragen und Provokationen zwar
zulässig, doch würde kein Profiinterviewer die Argumentation des
Gesprächspartners, so wie Hansjürg Zumstein, abwürgen und
mit seiner eigenen Meinung überdecken.
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Bei einer Befragung auf dem heissen Stuhl gehören verschiedenste
Destabilisierungstechniken zum Werkzeugsortiment eines erfahrenen
Journalisten. Wenn er aber nur eine Methode des Irritierens im Sortiment
hat, finden wir dies zu dürftig. Hansjürg Zumstein nutzte lediglich eine
Technik, die Bleihammermethode, d.h. das ständige Dreinreden, Wortabwürgen
und Unterbrechen. Aus unserer Sicht wirkte Hansjürg Zumstein als Befrager
unanständig. Wir finden dies, obschon die Nationalrätin immer wieder
den Faden finden konnte und das Interview inhaltlich Einiges hergab.
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Wo kann das Problem liegen? Es ist verständlich, dass ein unerfahrener Befrager
versucht, sich zu profilieren, wenn er im Rampenlicht steht und die Chance zum
Durchbruch wittert. Wir bezweifeln nicht, dass Hansjürg Zumstein als
Sendeverantwortlicher oder bei seiner Schreibtischarbeit ein guter
Journalist sein kann. Wenn jemand aber als Interviewer verbissen dominieren will,
so besteht die Gefahr, dass er sich wichtiger nimmt als den Gesprächspartner.
Das war beim heissen Stuhl vom 11. Juni eindeutig der Fall. Aus der Sicht des
Kommunikationberaters zählt ein derartiges Verhalten zu den Todsünden bei
Gesprächen. Der Adressat (auch wenn er verhört wird) muss immer ernst
genommen werden.
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Im erwähnten "Interview" - es war aus unserer Sicht eher ein "Abkanzeln" -
haben wir von der Nationalrätin zu wenig erfahren. Dafür sehr viel
über die Selbstdarstellung Zumsteins. Er gab innerhalb von wenigen Minuten
seine Schwächen preis. Trotz der dürftigen Leistung als Interviewer
wissen wir, dass menschenorientiertes Verhalten nicht seine Stärke ist.
Er brachte es nicht fertig, die notwendige positive Grundstimmung
zu schaffen, die jedes Gespräch erfordert.
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Ob Hansjürg Zumstein sein "Meisterwerk" später einmal kritisch begutachten
wird? Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens ein interner "Hofnarr" dem
Kollegen sein übles Verhalten bewusst macht. Aus Fehlern kann
bekanntlich immer gelernt werden.
Dies ist nach Christine Maier ein weiteres
negative Beispiel, das für Ausbildungszwecke bei der Journalistenausbildung
hilfreich sein könnte.
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