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www.rhetorik.ch aktuell: (13. Juni, 2003)

Hansjürg Zumsteins "Meisterstück"



In der Rundschau vom 11. Juni wurde Chiara Simoneschi auf dem heissen Stuhl von Hansjürg Zumstein über die Hanfpolitik im Tessin befragt. Obwohl bei Interviews auf dem heissen Stuhl die Befragungen traditionell hart sein können und Irritationen in Kauf genommen werden, wirkten die Unterbrechungen in diesem Interview eindeutig zu penetrant.


In der Rundschau vom 11. Juni sass Nationalrätin Chiara Simoneschi auf dem heissen Stuhl. Es ging um die Hanfpolitik im Tessin. Es ist in der Rundschau zulässig, Personen in die Zange zu nehmen. Provokationen sind erlaubt. Das Unterbrechungsspiel ist zur Überprüfung der Stabilität eines Gesprächspartners nichts Aussergewöhnliches und darf uns nicht stören. An die Art und Weise der harten Befragungen à la Hannes Britschgi, Reto Brennwald usw. hat sich der Fernsehzuschauer inzwischen gewöhnt, obschon bei den ersten Rundschausendungen einige Leute fanden, die Befragung sei an der Grenze des Zulässigen.

Bei den früheren Interviewern nahmen die Journalisten immerhin ihr Gegenüber - auch beim hartnäckigem Nachhaken - immer ernst und liessen die befragte Person angemessen zu Wort kommen.

Unserer Meinung nach interviewte Britschgi-Imitator Hansjürg Zumstein am 11. Juni in einer unangenehmen Art. Was war zu beanstanden? Das "Opfer" wurde nicht ernst genommen. Obschon die Nationalrätin immer wieder freundlich darauf hingewiesen hatte, dass sie den jeweiligen Gedanken zu Ende bringen möchte, unterbrach Hansjürg Zumstein die Parlamentarierin laufend - und zwar auf eine penetrante Art. Das "Dreinreden" war zum Teil begleitet von einem Lächeln, das einem "Auslachen" glich. Zwei Ausschnitte - vom Bildschirm abgefilmt - links und rechts abrufbar.


Wir sind überzeugt, dass die Zuschauer die schulmeisterliche Besserwisserei dieses "ausgebildeten" (oder eher "eingebildeten?") Journalisten negativ gewertet haben. Tatsächlich gingen die Sympathiepunkte, trotz allem - an Chiara Simoneschi. Gewiss nicht nur aus Mitleid. Wir haben bei 15 Fernsehzuschauern unsere Vermutung überprüft. In deren Urteilen wurden am Interviewer kein gutes Haar gelassen. Wir hörten beispielsweise:
  • "Der wollte gar nicht zuhören!"
  • "Dies war gar kein Interview. Der Journalist wollte nur seine Meinung verkaufen."
  • "Dem Journalisten ging es nur darum, die stärksten Argumente der Nationalrätin abzuwürgen."
  • "So etwas habe ich noch nie gesehen: Ein Journalist, der die Gesprächspartnerin gar nicht anhören will!"
  • "Uns hätte die Meinung der Politikerin interessiert. Sie kam nicht zu Wort. Sie durfte gar nicht richtig argumentieren. Der Journalist fuhr ihr ständig über den Mund."
Diese Echos bestätigten uns, dass das Verhalten des Journalisten die Leute befremdete. Ein Interviewer darf beim "heissen Stuhl" in der Sache hart sein und er kann Gegenargumente ins Feld führen. Es muss aber auf das Mitdiskutieren verzichten und sollte sich nicht mit dem Gegenüber duellieren. Bei der Rundschau sind harte Fragen und Provokationen zwar zulässig, doch würde kein Profiinterviewer die Argumentation des Gesprächspartners, so wie Hansjürg Zumstein, abwürgen und mit seiner eigenen Meinung überdecken.


Bei einer Befragung auf dem heissen Stuhl gehören verschiedenste Destabilisierungstechniken zum Werkzeugsortiment eines erfahrenen Journalisten. Wenn er aber nur eine Methode des Irritierens im Sortiment hat, finden wir dies zu dürftig. Hansjürg Zumstein nutzte lediglich eine Technik, die Bleihammermethode, d.h. das ständige Dreinreden, Wortabwürgen und Unterbrechen. Aus unserer Sicht wirkte Hansjürg Zumstein als Befrager unanständig. Wir finden dies, obschon die Nationalrätin immer wieder den Faden finden konnte und das Interview inhaltlich Einiges hergab.


Wo kann das Problem liegen? Es ist verständlich, dass ein unerfahrener Befrager versucht, sich zu profilieren, wenn er im Rampenlicht steht und die Chance zum Durchbruch wittert. Wir bezweifeln nicht, dass Hansjürg Zumstein als Sendeverantwortlicher oder bei seiner Schreibtischarbeit ein guter Journalist sein kann. Wenn jemand aber als Interviewer verbissen dominieren will, so besteht die Gefahr, dass er sich wichtiger nimmt als den Gesprächspartner. Das war beim heissen Stuhl vom 11. Juni eindeutig der Fall. Aus der Sicht des Kommunikationberaters zählt ein derartiges Verhalten zu den Todsünden bei Gesprächen. Der Adressat (auch wenn er verhört wird) muss immer ernst genommen werden.


Im erwähnten "Interview" - es war aus unserer Sicht eher ein "Abkanzeln" - haben wir von der Nationalrätin zu wenig erfahren. Dafür sehr viel über die Selbstdarstellung Zumsteins. Er gab innerhalb von wenigen Minuten seine Schwächen preis. Trotz der dürftigen Leistung als Interviewer wissen wir, dass menschenorientiertes Verhalten nicht seine Stärke ist. Er brachte es nicht fertig, die notwendige positive Grundstimmung zu schaffen, die jedes Gespräch erfordert.


Ob Hansjürg Zumstein sein "Meisterwerk" später einmal kritisch begutachten wird? Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens ein interner "Hofnarr" dem Kollegen sein übles Verhalten bewusst macht. Aus Fehlern kann bekanntlich immer gelernt werden. Dies ist nach Christine Maier ein weiteres negative Beispiel, das für Ausbildungszwecke bei der Journalistenausbildung hilfreich sein könnte.


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