Ständig in den Schlagzeilen
Kurz vor dem "Absturz" wurde Möllemanns Immunität aufgehoben
und eine grosse internationale Razzia mit Hausdurchsuchungen gestartet. Nach
seinem Tod wurden jedoch alle Ermittlungen gegen ihn unverzüglich
eingestellt. Der umstrittene Politiker stand nach Krisen oder Misserfolgen
immer wieder im Rampenlicht. Sein Credo lautete:
"Kämpfen und wieder aufstehen- kämpfen und wieder aufstehen!"
Der ehemalige FDP Politiker meisterte tatsächlich viele Krisensituationen.
Er galt als hervorragender Redner und wusste die Medien gekonnt zu nutzen.
Dank dieser Fähigkeiten kletterte der ehemalige Grundschullehrer rasch die
Erfolgsleiter zum Vizekanzler empor. Mit seinen Talenten geriet Jürgen
Möllemann immer wieder auf Abwege. Obwohl er laufend in Fallen tappte
("Briefbogenaffaire", "Flugblattaffaire", "Antisemitismustreit",
"Rüstungsgeschäfte" usw.) überraschte der zu Masslosigkeit neigende
Möllemann das Volk. Auch die letzten Titel des Boulevardblattes "Bild"
veranschaulichen, wie Möllemann in den Medien dauernd für Schlagzeilen
sorgte:
- Alkohol-Vorwürfe gegen Möllemann
- Möllemann verlässt die FDP
- FDP wirft Möllemann aus der Fraktion
- Ausschluss aus Landestagsfraktion gescheitert
- Möllemann verteilt schon wieder sein Hetzblatt
- "Schlappschwänzig!" - Möllemann greift FDP Spitze an
- Möllemann spricht erstmals über seine Krebst-OP
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Fehlender Sprachfilter
Im Umgang mit Worten fehlte dem umstrittenen Politiker eine Sperre.
Deshalb hatte Möllemann auch viele Feinde:
- Fraktionskollege Solms nannte ihn einen "Quartalsirren".
- Irmgard Schwätzer schimpfte ihn ein "intrigantes Schwein".
- Graf Lambsdorff fragte: " Ist der Mann bei all seiner Begabung, bei all
seinem politischen Geschick, ist der normal?"
- Genscher sagte 1997 gleichsam hellseherisch:
"Möllemann ist ein political animal. Sein grösster Gegner
ist er selbst."
Show
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Auch als Fallschirmspringer wusste sich der ungewöhnliche Politiker in
Szene zu setzen. Die FDP- Botschaft (18) brachte er mediengerecht vom Himmel.
"Die FDP schafft 18 Prozent der Wählerstimmen! "
Möllemann liebte es, Tabus zu brechen. Israel kritisierte er und sprach von
"staatlichem Terrorismus".
Wenige Tage vor seinem Tod fragte ihn noch Sabine Christiansen, ob er - wie
vermutet - nach seinem Parteiaustritt eine neue Partei gründen wolle.
Mit seiner Antwort erntete der geächtete Politker grossen Applaus. Möllemann
verstand es - auch noch kurz vor dem Tod - die Medienplattform zu nutzen.
Ohne die Frage mit Ja oder Nein zu beantworten, machte er mit wenigen
Worten deutlich, dass das Volk mit den Parteien unzufrieden ist. Er baute
sein Statement auf dem vorherrschenden Unmut der Bevölkerung auf. Was von
den Parteien versprochen werde, halte keine Partei ein. Es fehle an
konsequentem Verhalten und an Verlässlichkeit. Bei diesem letzten
Medienauftritt zeigte sich erneut, dass es Möllemann immer geschickt
verstanden hat, die Bevölkerung - selbst nach Tiefschlägen - zu
mobilisieren.
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Marktlücke: Populistische Partei in Deutschland
Tatsächlich fehlt in Deutschland eine populistische Partei,
im Unterschied zu
| Frankreich mit Jean-Marie Le Pen |
| Oesterreich mit Joerg Haider |
| Schweiz mit Christoph Blocher |
Dem langjährigen FDP-Politiker hätten wir es zugetraut, in Deutschland die
Spielart des "radikal-medialen Populismus" einzuführen.
Möllemann versuchte es immer wieder, die FDP auf den Massenmedienbetrieb und
auf seine Vorlieben zu trimmen. Treffend beschreibt dies der Journalist
Roger de Weck:
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Möllemann pflegte
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- Form statt Inhalt
- Laune statt Überzeugung
- Effekt statt Wissen
- Konflikt statt Kompromiss
- Provokation statt Differenzierung
- Verpackung statt Substanz
- Auftritt statt Auftrag
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Vermutlich dachte Möllemann tatsächlich an eine neue Partei, die noch
medialer hätte sein können.
Die Journalisten schätzten jedenfalls jahrelang den populistischen Stil. Doch
nach und nach wurde dem Infotament- Glanz misstraut. Er blendete nicht mehr.
Er wurde sogar abgelehnt. Der letzte Medienauftritt bei Sabine Christiansen
war nur noch möglich, weil Möllemann im Rampenlicht der Kritik stand.
Objekt für Kinesik und Körpersprachespezialisten
Die schillernde Figur Möllemann galt auch für den Kinesikspezialisten
Samy Molcho seit je als ehrgeizig und empfindlich.
Molcho beobachtete den Politiker schon vor vielen Jahren und
beurteilte ihn damals auf Grund seines Verhaltens. Wir sahen uns nach dem
Tod Möllemanns jene Analyse auf einem alten Videoband nochmals an und waren verblüfft.
Erstaunlicherweise bewahrheiteten sich Molchos Beobachtungen. Wie ein
"Hellseher" kam der Körpersprachespezialist schon damals zum Schluss:
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"Möllemann ist ein gefühlsbetonte Person. dies zeigt er mit dem "Klicken"
der Augen; als ob er sage: 'Ist das nicht so?' 'Stimmt es?'"
- Er greift oft mit der Hand an die Nase. Dies findet Molcho ein
biologisches Erbe. (Bevor wir das Essen in den Mund stecken, wird es mit
der Nase überprüft). Die Nase ist eine kritische Instanz: "Riecht es faul?"
Möllemann überprüft ebenfalls beim Sprechen, was er sagen soll. Er fragt
sich: "Wie soll ich es sagen?"
Dass Möllemann die Kontrolle wichtig ist, zeigt er damit,
dass er nach dem Reden oft seinen "Spickzettel" überprüft:
"Habe ich alles gesagt, was wichtig ist?"
- Weil Möllemann eine gefühlsbetonte Person ist, besteht
dadurch die Gefahr, dass er zu spontane Aussagen macht. Er könnte
missverstanden werden. Mit der Hand vor dem Mund signalisiert er:
"Soll ich dies sagen?" Oder: "Soll ich lieber nicht schweigen?"
- Wenn Möllemann zuhört - er hört in der Regel aufmerksam zu -
streckt er oft nur den Zeigefinger. Die Hand sieht dann aus wie eine Pistole. Manchmal
nimmt er sogar beide Hände zusammen und bildet damit mit beiden Zeigefingern
eine "doppelte Pistole". Molcho interpretierte dies so:
Möllemann hört nur so lange zu, bis der Gegner ein schwaches Argument
liefert. Dann schiesst er! Das Gehörte nutzt er für sich; greift den
schwachen Punkt auf und kontert. Der Politiker ist angriffig.
- Obschon bei Möllemann die Kontrolle wichtig ist und er dieses
Kontrollverhalten signalisiert, muss er aufpassen, dass ihm nicht das, was
er denkt, ungefiltert hinausrutscht.
Weil er eine lockere Zunge hat, handelt sich der Politiker zwangsläufig
Probleme ein. Denn: In seiner politischen Position darf eine nicht alles
sagen, was sie sagen möchte.
- Es kostet Möllemann eine enorme Anstrengung, sich ständig unter
Kontrolle zu halten. Grund: Einerseits ist er recht spontan, impulsiv und
anderseits will er sich kontrollieren.
- Die ständige Kontrolle macht ebenfalls deutlich: Möllemann ist ehrgeizig!
Als wir diese alten Aussagen Molchos nach dem Tod nochmals anhörten (vor über
10 Jahren hatte wir diese Analyse auf Video aufgenommen), stellten wir - einmal mehr -
fest: Die Körpersprache offenbart oft mehr, als uns bewusst ist. Im
Nachhinein hatte Molcho das Wichtigste an der Persönlichkeitstruktur eines
viel beachteten Politikers erstaunlich präzise auf den Punkt gebracht.
Eine neuere Analyse von Samy Molcho wurde vor wenigen Monaten
im Buch: Samy Molcho: "Körpersprache von Promis", Goldmann Verlag,
München, 2003, veröffentlicht. Molcho kommentierte darin auch einige
Fotos des FDP Politikers aus der jüngsten Zeit. Ausschnitte mit Zitaten von
Molcho befinden sich im Kästchen rechts.
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"Vielgestaltig sind die Möglichkeiten, ein
Glas zu halten. Wieder wird mit der Betonung des
Mittelfingers angedeutet, wie wichtig dem Politiker
die Selbstgestaltung sein muss".
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"Möllemann zupft an seinen Ohr. Strafe oder
Stimulation in einem Augenblick der Verlegenheit?"
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"Der betont aktive Mittelfinger der linken Hand
weist auf einen starken Wunsch nach Selbstprofilierung".
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"Seine Hände blockieren, der Blick geht fragend
leicht seitwärts, konfrontiert daher nicht: als
Moment der Unsicherheit."
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"Der Blick ist skeptisch. Mittelfinger und
Gefühls-(Ring) finger suchen nach einem
treffenden Argument, das ihm emotional entspricht
und ihn wirkungsvoll darstellt."
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"Die Hand hackt zu, was auf schneidende Argumente
schliessen lässt. Der intensive Blick entspricht
einer Drohgebärde."
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"Die Hände errichten eine Schutzpyramide, nach
vorn gerichtet wirken sie wie ein Eisbrecher. Alles
wird weggeleitet."
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Diese neue Analyse der Körpersprache des bekannten Politikers überraschte
uns nicht weniger als die beschriebene Analyse vor über 10 Jahren.
Tatsächlich sagen alle Molcho- Kommentare mehr aus als die zahlreichen
fragwürdigen pseudopsychologische Rezepte zur Thematik "Körpersprache".
Molcho analysiert als Profi dank seiner untrüglichen Wahrnehmungsfähigkeit.
Er sagte schon vor Jahren an einem Seminar, das wir mitverfolgen konnten:
"Der Körper ist der Handschuh der Seele!"
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In der Regel ist die Körpersprache tatsächlich aussagekräftiger und
ehrlicher als gesprochende Worte. Darauf haben wir bei der Wirkung der
Stimme schon einmal hingewiesen.
Der "zu Fall" gekommene Politiker hat mit seinem Verhalten und Handeln
bestätigt, dass die Molcho-Beurteilungen überraschend gut sind:
- Er war ehrgeizig. Sein Erfolgsweg verlief vom Grundschullehrer zum Vizekanzler.
- Er war emotional. Nachdem er angeschossen wurde, erkrankte er.
- Er war empfindlich. Kritik liebte er nie.
- Er litt an Selbstprofilierung FDP Fallschirm-Aktionen.
- Er übertrieb die Kontrolle. Wenn er angeschlagen war, wirkte er
in den Medien immer sicher.
- Er war angriffslustig Angriff gegen Israel, gegen Friedmann,
nach dem Austritt aus der FDP gegen seinen ehemaligen Parteifreund Westerwelle.
- Er war zu spontan, eigenmächtiges Vorgehen beim Flugblatt usw.
bei der unbedachten Wortwahl.
Verschwörungstheorien und Memorabilia
Ungewöhnliche Vorfälle oder Ereignisse mobilisieren näturlich
die Verschwörungstheoretiker und Memorabilien Sammler, wie auch schon beim
- Beim 11. September Anschlag,
wo zum Beispiel die 20 Dollarnote
beweisen kann, dass die Sache vorauszusehen gewesen wäre, und wo schon
Tage nach dem Vorfall Dutzende von Leuten auf Ebay Memorabilien vom Vorfall
angeboten hatten, zum Beispiele Teile der WTC Trümmmer.
- Schon Stunden nach dem
Columbia disaster wurden Teile des Shuttles auf eBay
zum Verkauf angeboten. Auch Verschwörungstheorien begannen zu kursieren.
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Im Falle Möllemanns, wo die Frage, ob der Vorfall Selbstmord, Unfall oder Mord
war, nicht 100% geklärt ist und vielleicht nie geklärt sein wird, haben die
Verschwörungstheoretiker Spekulationsmaterial und Legendenbildung. Auch
Wahlkampfflyers und Unterschriften werden im Moment gehandelt.
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Der "Fall Möllemann" ist die Geschichte eines Politikers, der den Medien
immer das gab, was sie wollten. Nämlich: Geschichten.
Mit seinem dramatischen Sturz gab er den Medien auch noch seine letzte
Geschichte. Falls es eine Selbsttötung gewesen war, so hätte
Möllemann diese letzte Geschichte gut inszeniert.
Der Fall erinnert zwangsläufig an Ikarus, der den Sonnenstrahlen zu nahe kam
und ebenfalls abstürzten musste.
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Nachgrag vom 1. Juni, 2004: Neue Spekulationen
Ein Jahr nach dem tragischen Todessprung wird jetzt darüber
spekuliert, dass Möllemann Selbstmord verübt haben könnte,
weil seine Ehe in einer Krise gesteckt hatte.
Das "Süddeutsche Zeitung"-Magazin berichtete gestern: Im Dezember
2002 dachte Carola Möllemann-Appelhoff erstmals darüber
nach, sich von ihrem Mann zu trennen. Auf dem Höhepunkt der
Möllemann-Affäre um das Israel-kritische Flugblatt habe sie ihm
die "Vertrauensfrage" gestellt. Eine Scheidung hätte der FDP-Rebell
aber kaum verkraftet.
Auch Möllemanns Pläne, nach seinem FDP-Austritt eine neue
Partei zu gründen, belasteten die Ehe schwer. Das "Süddeutsche
Zeitung"-Magazin schreibt: In den letzten Wochen vor seinem Tod habe
zwischen den Eheleuten Sprachlosigkeit geherrscht.
Möllemann-Freund Uwe Tönningsen bestätigte dem
Boulevardblatt "Bild" "Die Stimmung zwischen Jürgen und Carola war
gereizt. Sie hat Dinge über Jürgens Geschäfte erfahren,
die haben sie nicht erfreut."
Anfang 2003, so berichtet der frühere FDP-Landesschatzmeister
Andreas Reichel, sei Möllemann dann "mitten in einem Gespräch
zusammengebrochen". Aber der FDP-Rebell hatte immer damit kokettiert,
er sei ein "Stehaufmännchen", eine "Kampfmaschine".
Das "Süddeutsche Zeitung"-Magazin schreibt: "Vielleicht hat Carola
Möllemann-Appelhoff Signale auch deshalb nicht ernst genommen ...".
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