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www.rhetorik.ch aktuell: (28. Juli, 2004)

Wirbel um Christiansens Clinton Interview



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Mehr als 4 Millionen TV-Zuschauer waren Zeuge, wie der ehemalige US-Präsident Bill Clinton in der ARD Talkshow "Sabine Christiansen" aus der Haut fuhr. Tatsächlich reagierte der frühere US-Präsident während dem Gespräch plötzlich recht ungehalten. Er schüttelte energisch den Kopf und zeigt sich verärgert.

"You are totally wrong."


("Sie liegen total daneben"), entgegnete er der entgeisterten Sabine Christiansen. Uns fiel auf, dass die Moderatorin den Ex-Präsidenten abwertete:

"Sie wurden ja nie vor die ganz grossen Herausforderungen gestellt."


Wir verglichen das Interview mit unserer Analyse. Ähnlich wie damals, überzeugte Clinton mit Überlegenheit, Gelassenheit und konkreten antizipierten Antworten. Clinton hatte jedoch nicht mit einer "harten" Befragung gerechnet. Als ihm Christiansen mit erhobenem Zeigefinger

"...Sie hätten über den Charakter dieser Beziehung gelogen..."


die Affären während seiner Präsidentschaft vorwarf:

"Letztendlich, die Tatsache an sich, das waren Sie. Und es war natürlich auch so, dass es viele Dinge gab, viele Halbwahrheiten, die nicht gerade dazu beigetragen haben, Ihre Glaubwürdigkeit zu stärken..."


Und erst noch Bilder von Clinton und seiner Geliebten Monica Lewinsky unterlegte - mit dem Beatles-Song

"Sexy Sadie" ("...was hast du getan, du hast alle zum Narren gehalten"),


da reagierte Clinton verärgert. Ein Beobachter im TV-Studio sagte:

"Ich habe gedacht, gleich steht Clinton auf und geht."


Nach der Sendung sprach Clinton nur noch kurz mit Christiansen. Im Gästebuch trug er sich lediglich mit Namen, aber ohne Widmung ein. Seinen Berlin-Besuch brach Clinton vorzeitig ab und flog im Privatjet direkt nach London. Clintons PR-Berater Claus Carlsberg von "Carlsberg Communication":

"Eigentlich war vorgesehen, noch eine Nacht in Berlin zu verbringen."


Sabine Christiansen äusserte sich persönlich nicht zu dieser Show. Wir teilen die Meinung ihrer Sprecherin Steffi Hagelüken:

"Journalistische Nachfragen sind das Geschäft und werden von einer Moderatorin erwartet."


Als Hillary Clinton vor einem Jahr als Stargast kam, war Sabine Christiansen sehr nett. Wir vermuten, dass Bill Clinton damit gerechnet hatte, dass Sabine Christiansen auch ein nettes Gespräch führt und auf hartes Nachfragen verzichtet und unangenehmen Geschichten höchstens streift.


Erkenntnis: Wer sich den Medien zu einem Gespäch zur Verfügung stellt muss mit allem rechnen. Mit Freundlichkeit, Hartnäckigkeit, mit Überraschungen, Vorwürfen. Journalisten dürfen irritieren, destabilsieren, suggestiv fragen, unterstellen, vermuten. Dar ist ihr Job. Clinton war darauf nicht vorbereitet und wurde dadurch überrascht.


Wir haben verschiedentlich Sabine Christiansens Moderation analysiert:
Ihre trockene, spitzige Art löst bei Gästen vielfach eine Abwehrhaltung ein. Vor allem, wenn sie mit dem Zeigefinger taktiert und dazu noch drauf los "schnattert" oder die Redner unterbricht.

(Es gibt Fernsehzuschauer, die Mühe haben, den Gedanken der Schnellprecherin zu folgen, zumal sie die Artikulation vernachlässigt).

Sabine Christiansen erntete böse Kritik

Für das Exklusivinterview vom 11. Juli 2004 in der ARD mit Ex- Präsident Clinton erntete sie nicht nur Kritik vom Gast selbst. Clintons Sprecher Jim Kennedy sagte nach dem Gespräch:

"Ich liebe Deutschland, ich liebe die Menschen und sie haben mir überschwänglich die Zuneigung gezeigt. Schade, wenn dann ein einem so wichtigen Interview mein politisches Leben auf eine private "Affaire" reduziert wird."


Wir haben das Gespräch auch gesehen und verstehen, dass Bill Clinton das Studio nach dem Interview mit Christiansen verärgert verlassen hatte. Denn die Moderatorin kam immer wieder auf das Thema Monika Lewinski zurück. Tatsächlich war Sabine Christiansen recht hartnäckig und griff immer wieder penetrant nach, als Clinton ausweichen wollte. Nach unserer Sicht hätte Clinton gewiss das Interview ohne weiteres selbst lenken können, anstatt auf die gleiche Frage immer wieder einzugehen. Journalisten dürfen und müssen nachhaken!

Die Medienkritik war vernichtend

Die ziemlich unangefochtende Profifrau Christiansen erntete in den meisten Blättern böse Worte:

"Ein Markenmonopol bröckelt. Das ist viel schief gegangen, ja man kann von Bruchschaden reden. Ein Star des Gewerbes hat sich zum Jubiläum relativiert." (Süddeutsche Zeitung)




"Christiansen beleidigt Bill Clinton" "Warum vergrätzte sie Bill Clinton?" "Bild"




"So verkrampft wie sie dasass und pseudoinvestigativ nach Schlüpfrigkeiten fragte, die zudem platt bebildert wurden, blieb dem ehemaligen Präsidenten kaum etwas anderes übrig, als sich körperlich von ihr ab- und in seiner Ansprache dem Publikum zuzuwenden." (FAZ)


Auch Zuhörer schrieben negativ über Sabine Christiansen. Hier ein Beispiel:

"Nun kann man über die einzelnen Gäste von Sabine Christiansen denken, was man will. Eines sollte jedoch feststehen: Man muss jedem Gast Respekt entgegen bringen, ihn ausreden lassen und die Grundregeln des Anstandes (Privatsphäre) wahren. Frau Christiansen hat in der Vergangenheit schon des öftern ihre Gesprächspartner nicht ausreden lassen und ist ihnen - quasi - über den Mund gefahren. Nun waren dies in der Regel grössere Runden und man kann vielleicht noch gelten lassen, dass sie sonst keinen "roten Faden" durchsetzen hätte können. Aber Bill Clinton ins Wort zu fallen, der exclusiv zur ihr in die Sendung kommt, ist unglaublich. Er - so mein Eindruck - stellt sich auch unangenehmen Fragen, meine Hochachtung, das hätte er nicht nötig (eine Promotion für sein Buch hätte er gefahrloser bekommen können). Bedauerlich, dass ein Staatsmann von Format durch eine solche Sendung und durch so eine ignorante Gesprächsführung, ein Bild von Deutschland erhält, für das ich nicht stehe. Man sollte Frau Christiansen mal sagen, dass die Welt nicht nur schwarz oder weiss ist...und die latente Verurteilung des Bill Clinton durch Frau Christiansen steht ihr nicht zu!! Wie kann man sich so über einen anderen schwingen? Das hat nichts mehr mit seriösem Journalismus zu tun. Das war mit das Peinlichste, was ich je im ARD gesehen habe."


Umgang mit Kritik

Uns erstaunte, dass die Quotenfrau nach der Woge an Kritik ein Interview mit der Bunte verweigerte und nach Mallorca abtauchte, ohne die Fragen zu beantworteten. Später faxte sie lediglich ein paar Zeilen, ohne auf die Fragen einzugehen: Christiansen schrieb lediglich im Fax:

Der Präsident hat in diesem Interview spannende und überzeugende Antworten gegeben. Das Einzelinterview hatte die höchste Quote und lobt am Schluss noch den sympathischen Staatsmann und sein Buch.


Klaus Kocks Das Urteil des Medienexperten Klaus Kocks, der die Glaubwürdigkeit der deutschen TV-Schaffenden laufend erforscht, war für uns beachtenswert, zumal wir in unseren früheren Analysen zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen. Wir schrieben schon vor Monaten von dem zu schnellen Geschnatter der Moderatorin und dem zu langen eigenen meist undeutlichen hektischen Geschwafel der kalt und steif wirkenden Medienfrau.
Kocks urteilte:

"Es gibt einen Scheitelpunkt, von dem an es bergab geht. Wir sind noch nicht sicher, aber der Stern Christiansens scheint zu sinken. Sie hat sich in die Beliebigkeit geschwafelt, was zwar Bekanntheit bringt, aber Glaubwürdigkeit kostet."


Ob diese Breitseite an Kritik an der Moderatorin abprallt wie bisher? Nach unserem Dafürhalten ist dies nicht mehr ganz so sicher. Wir haben schön früher darauf hingewiesen: Sabine Christiansen müsste endlich lernen, zuhörerorientierter zu moderieren, langsamer und deutlicher zu sprechen und vor allem nicht mehr so viel zu "schnattern".




Nachtrag vom 30. Juli, 2004: Sabine Christiansen: Keine Klage gegen Kritiker

"Bild" hatte am vergangenen Montag berichtet, das Sabine Christiansen gerichtlich gegen ein Buch zu ihrer Sendung vorgegangen sei. Jedoch hat sich die Moderatorin mit dem Verlag aussergerichtlich geeinigt. "Bild" hatte am vergangenen Montag berichtet, dass die Moderatorin Sabine Christiansen gerichtlich gegen das Buch "Meine Sonntage mit Sabine Christiansen" von Walter van Rossum vorgegangen sei.

Diese Meldung, die die Netzeitung übernommen hatte, war missverständlich. Tatsächlich hat Christiansen ausschliesslich den betreffenden Verlag durch ihren Anwalt abmahnen lassen, der daraufhin freiwillig und ohne Gerichtsverhandlung eine Unterlassungerklärung abgegeben hat.


Nachtrag vom 7. Dezember 2004: Sabine Christiansen will Einstweilige Verfügung gegen ein Theaterstück erwirken. : Die deutsche TV Talkmasterin Sabine Christiansen will eine einstweilige Verfügung gegen die Dresdner Inszenierung des Theaterstücks "Die Weber" erwirken. In einer Textpassage des Stückes werde zum Mord an der TV-Journalistin aufgerufen. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die umstrittene Aufführung.

"Wen ich sehr schnell erschiessen würde, das wäre Sabine Christiansen"


heisst es in einer der Textpassagen in der Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Stückes "Die Weber" am Dresdner Staatsschauspiel. Frank Jungbluth, ein Sprecher der TV-Journalistin:

"Sabine Christiansen ist Unicef-Botschafterin und steht für Toleranz, Verständigung und Humanität. Natürlich ist sie von so einem Satz erschüttert".


Seit Freitag habe sich die ARD-Talkerin mit dem Staatsschauspiel um eine außergerichtliche Einigung bemüht. Doch Regisseur Volker Lösch beließ die Passage in seiner Inszenierung.



Auch in Kunst, Satire und Literatur können Personen nicht nach Belieben beleidigt werden.


Link zum Thema: Wo sind die Grenzen der Kunst.




Nachtrag vom 22. Dezember: Klage abgewiesen (Quelle: Spiegel)

TV-Moderatorin Sabine Christiansen ist mit ihrem Antrag auf Unterlassung einer Passage in der Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Stücks "Die Weber" am Dresdner Staatsschauspiel gescheitert. Das Dresdner Landgericht sah am Donnerstag durch die Textstelle "Wen ich sehr schnell erschiessen würde, das wäre Sabine Christiansen" das Persönlichkeitsrecht der TV-Moderatorin nicht in "unerträglicher Weise" angegriffen. Christiansen hatte die Passage als Mordaufruf verstanden.

Das Stück darf bis auf Weiteres nicht aufgeführt werden. Der lizenzgebende Verlag 'Felix Bloch Erben' hatte erfolgreich beantragt, dem Schauspielhaus die Aufführung aller Szenen mit dem so genannten Chor der Arbeitslosen zu untersagen, die wegen scharfer Angriffe auf Prominente für Aufsehen sorgten.

Dabei hatte er sich jedoch nicht auf einzelne zu beanstandende Textpassagen gestützt, sondern nur festgestellt, dass die Änderungen in der Dresdner Inszenierung so gravierend seien, dass man sie nicht ohne Absprache mit dem Verlag einfügen könne.

Bei Zuwiderhandlung würde ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro fällig. Das Schauspiel wehrt sich gegen das Aufführungsverbot. Eine Entscheidung in diesem Verfahren soll erst am 11. Januar fallen.

Wir sehen in diesem Fall, dass die Klage immerhin die Aufführung vorübergehend stoppen konnte. Anderseits muss Sabine Christiansens aufpassen, dass sie mit ihren Klagen (auch wenn sie einmal nachträglich zurückgezogen wurde) nicht den Ruf einer zu überempfindliche Fernsehfrau bekommt.




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