Redner geben tatsächlich immer etwas von sich selbst preis. Unsere
Bundesräte lassen sich zwar oft die Reden von persönlichen
Mitarbeitern oder von Leuten der Verwaltung formulieren. Spörri hat
nun bewusst jene Stellen erforscht, wo die Magistraten Autoren zitieren.
Vielfach werden Zitate nicht zufällig ausgesucht. Zuweilen ist
erkennbar, ob ein Autor oder ein Werk dem Redner etwas bedeutet.
Der Thübinger Rhetorikprofessor
Gert Ueding findet:
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"Wenn man merkt, dass da ein Buch ist, welches prägend gewesen ist,
kann man durchaus auf den geistigen Horizont eines Redners schliessen."
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Nach "Sonntagszeitung" haben die Bundesräte dieses Jahr rund
90 wichtige Reden und Ansprachen gehalten. Der Fundus der Zitate
stamme aus ihrer Schulzeit:
- Bibel
- Antike Fabeln
- Aristoteles
- Goethe
- Gotthelf
- Keller
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Deiss verweist einmal auf den Philosophen Bernhard de Chartres.
Schmid zitierte Havel, Konfuzius oder den Dalai Lama. Nach der Untersuchung soll
Couchepin am seltensten Zitate einstreuen. Micheline Calmy-Rey zitierte
einmal Habermas. An den Solothurner Filmtagen verwendete sie Bausteine wie:
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"Kunst und Kultur beinhalten über ihren Eigenwert hinaus ein
Wirkungspotential, das aussenpolitisch fruchtbar gemacht werden muss."
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eine recht gut klingende Formulierug, die es jedoch dem Zuhörer überlassen,
wie die Umsetzung konkret erfolgen soll. Dies unterstreicht, dass
nach der klassischen Rhetorik Zitate keine starke argumentative
Kraft haben, sondern lediglich schmückendes Beiwerk sind.
Nach Spörri sind Leuenberger und Blocher unbestrittenermassen
die besten Redner im Bundesrat.
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Blocher verwendet nur dann Zitate, wenn er etwas belegen will.
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Leuenberger hingegen setzt Zitate eher assoziativ ein.
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Bei seiner Rede über "Lärmgrenzwerte" pendelte er zwischen
Horaz, Ryszard, Kapuscinski und Peter von Matt, um schliesslich bei
Mani Matters "Alpenflug" zu landen.
Die spontanen Formulierungen von Deiss:
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"Der Bundesrat ist noch kein Team, das aus einem Guss spiele."
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errinnert uns an den Ratschlag, dass man bei bildhafter Sprache aufpassen muss,
dass die Analogien und
Metaphern sprachlich und gedanklich überereinstimmen.
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