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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Juli, 2004)

Bundesrats-Rhetorik



Balz Spoerri Wir haben seit Jahren zahlreiche Auftritte verschiedener Bundesräte analysiert (siehe die Liste von Aktuell artikeln). Der Beitrag "Schmückendes von fremden Federn" von Balz Spörri in der "Sonntagzeitung" vom 25. Juli 2004 bestätigt weitgehend unsere Erkenntnisse:

Samuel Schmid eher trocken
Micheline Calmy-Rey nüchtern (für uns - trotz des aufgesetzten Lachens - eher hart)
Hans Rudolf Merz kurz, klar. Die Voten enthalten oft stimulierende Elemente
Joseph Deiss dozierend, trocken
Christoph Blocher hemdärmlig, verständlich, einfach, bildhaft
Moritz Leuenberger assoziativ, selbstironisch, humorvoll
Pascal Couchepin von sich zu eingenommen, unverblümt






Redner geben tatsächlich immer etwas von sich selbst preis. Unsere Bundesräte lassen sich zwar oft die Reden von persönlichen Mitarbeitern oder von Leuten der Verwaltung formulieren. Spörri hat nun bewusst jene Stellen erforscht, wo die Magistraten Autoren zitieren. Vielfach werden Zitate nicht zufällig ausgesucht. Zuweilen ist erkennbar, ob ein Autor oder ein Werk dem Redner etwas bedeutet.

Der Thübinger Rhetorikprofessor Gert Ueding findet:

Gert Ueding "Wenn man merkt, dass da ein Buch ist, welches prägend gewesen ist, kann man durchaus auf den geistigen Horizont eines Redners schliessen."


Nach "Sonntagszeitung" haben die Bundesräte dieses Jahr rund 90 wichtige Reden und Ansprachen gehalten. Der Fundus der Zitate stamme aus ihrer Schulzeit:

  • Bibel
  • Antike Fabeln
  • Aristoteles
  • Goethe
  • Gotthelf
  • Keller


Deiss verweist einmal auf den Philosophen Bernhard de Chartres. Schmid zitierte Havel, Konfuzius oder den Dalai Lama. Nach der Untersuchung soll Couchepin am seltensten Zitate einstreuen. Micheline Calmy-Rey zitierte einmal Habermas. An den Solothurner Filmtagen verwendete sie Bausteine wie:

"Kunst und Kultur beinhalten über ihren Eigenwert hinaus ein Wirkungspotential, das aussenpolitisch fruchtbar gemacht werden muss."


eine recht gut klingende Formulierug, die es jedoch dem Zuhörer überlassen, wie die Umsetzung konkret erfolgen soll. Dies unterstreicht, dass nach der klassischen Rhetorik Zitate keine starke argumentative Kraft haben, sondern lediglich schmückendes Beiwerk sind.

Nach Spörri sind Leuenberger und Blocher unbestrittenermassen die besten Redner im Bundesrat.
Blocher verwendet nur dann Zitate, wenn er etwas belegen will.
Leuenberger hingegen setzt Zitate eher assoziativ ein.


Bei seiner Rede über "Lärmgrenzwerte" pendelte er zwischen Horaz, Ryszard, Kapuscinski und Peter von Matt, um schliesslich bei Mani Matters "Alpenflug" zu landen. Die spontanen Formulierungen von Deiss:

"Der Bundesrat ist noch kein Team, das aus einem Guss spiele."


errinnert uns an den Ratschlag, dass man bei bildhafter Sprache aufpassen muss, dass die Analogien und Metaphern sprachlich und gedanklich überereinstimmen.


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