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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Juli, 2001)


Schockbilder: Gibt es Grenzen?


Schockbilder an den Medien hatten gewiss schon viel Positives bewirkt:

Napalm in Vietnam Robben Jaeger Massengraeber in Bosnien
Flüchtendes Kind im Vietnamkrieg (Beschleunigung des Kriegsendes) Robben, die zu Tode geschlagen wurden (Gesetzesänderung) Greueltaten im Bosnienkrieg (Eingreifen mit Truppen)


Nachdem die verschiedenen Fernsehstationen um Einschaltquoten kämpfen, kam es in jüngster Zeit gleichsam zu einem rücksichtslosen Krieg um Bilder, die blutiges Geschehen live oder aufgezeichnet möglichst realistisch darstellen. Jeder will den Primeur und noch mehr Details. Die Sensationspresse hatte in dieser Hinsicht seit je weniger Hemmungen. Vielen Medienkonsumenten gingen jedoch die jüngsten Bilder zu weit, wenn

  • die Selbsttötung eines Entführers mitverfolgt werden kann
  • bei brutalen Verkehrsunfällen die Verletzte und Tote in Nahaufnahmen gezeigt werden
  • intime Liebesszenen (big brother) zur Schau gestellt werden-
  • Leute beim echten Seelenstrip gefilmt werden (talk shows)-- Gesprächsunkultur
  • bei Katastrophen die Angehörigen in Nahaufnahmen gleichsam "entblösst" werden.
  • bei Sportunfällen der Ablauf vom Crash über den Todeskampf bis hin zum Tod alles live gezeigt wird
  • Betroffene unmittelbar nach einem Unglück gefilmt werden
Medienleute sprechen in diesem Fall intern vom "Wittwenschütteln" (damit die Bilder stimmen). Viele Redaktionen haben eigene Richtlinien erlassen und entscheiden von Fall zu Fall darüber, welche Schockbilder gezeigt werden dürfen. Bei all diesen Szenen wird heute leider immer mehr Nähe zelebriert. Zoomaufnahmen ermöglichen die Tendenz, Emotionen zu verstärken. Paparazzis sind Meister in dieser Kunst.

Die wenigsten Leute sind sich aber gar nicht bewusst, was die Medien und die Schockbilder nachträglich bewirken. Psychologen sprechen bereits von einem Medienopfersydrom. Denn die psychischen Auswirkungen folgen erst später, nachdem Betroffene leichtfertig einverstanden waren, gefilmt zu werden. Leider wissen viele Journalisten, dass heute der Spruch gilt:

Ich bin im Fernsehen, also bin ich.


Und diese Erkenntnis ermöglicht es, Leute auch in Notzeiten oder in schwierigen Situationen vors Mikrofon oder vor die Kamera zu bringen. Oft haben wir bei Reportagen das Gefühl, dass betroffene Zeugen freudig alle Details schildern, nur weil sie endlich Gelegenheit haben, jemand zu sein.

Fazit: Zwischen Informationspflicht und Sensationslüsternheit besteht ein Unterschied. Es gibt immerhin viele Redaktionsstuben, wo über die Thematik "Schockbilder: Muss dies sein?" laufend hart diskutiert wird. Dass es nicht leicht fällt, auf sensationelle Schockbilder zu verzichten, ist nachvollziehbar.

Letzlich entscheiden wir Konsumenten, wie weit die Medien gehen können. Würden nämlich die Einschaltquoten bei Schockbildern zurückgehen, wären diese Bilder nicht mehr so gefragt.

Siehe zu diesem Thema auch Schocktexte auf diesen Seiten.


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