Nach einem Riesenkrach im Schweizer Fernsehen zwischen
dem Chefredaktor Filippo Leutenegger und Direktor Peter Schellenberg
hatte voraussichtlich Filippo Leutenegger den Kürzeren gezogen.
Morgen, am 29. Januar soll jedenfalls der Chefredaktor abgesetzt werden.
Nun eröffnete heute am 28. Januar die Boulevardpresse "Blick" unverhofft
eine angebliche Skandalgeschichte.
Bei Skandalierungen gerät eine Person über Nacht in eine Krisensituation,
weil beispielsweise ein mutmassliches Fehlverhalten veröffentlicht wird.
(Siehe dazu Aliesch skandal Beispiel,
oder Skandale: Massnahmen und Verhaltensmöglichkeiten.)
Ein anonymer Überbringer von vertraulichen Zahlen aus der DRS
Buchhaltung brachte Schellenberg in Bedrängnis.
Die Design-Firma "Schellenberg + Frey AG" von Schellenbergs Sohn Florian
soll scheinbar für SF DRS zwischen 1996 und 2001 Leistungen im
Wert von 1.96 Millionen Franken erhalten haben.
Es geht bei diesem Skandalierungsversuch um Vorwürfe, wie:
- "Schellenberg habe seinen Sohn auf TV Kosten unterstützt."
- "Die Buchhaltung von SF DRS und der angebliche Produktionsfirma tpc seien
nicht sauber getrennt."
Uns interessierte vor allem die erste Reaktion eines Medienprofis bei diesem
Versuch der gezielten Skandalierung. Peter Schellenberg sagte lediglich:
"Diese Schlammschlacht wurde schon vor vier Jahren inszeniert.
Wir haben schon damals alles offen gelegt. Seither ist nichts Neues dazugekommen."
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Die Kernaussage des Profis ist folgendermassen aufgebaut:
- Ist ein "alter Hut"
- Alles liegt offen und war immer transparent
- Es hat sich nichts geändert!
Ist mit dieser Antwort die Sache abgeschlossen?
Gefahr ist, dass - wie sie wie bei vielen Skandalen üblich -
andere Medien als Trittbrettfahrer auf die Thematik aufspringen werden
und es zu einer Eigendynamik kommen kann. Dann könnte es für
Schellenberg gefährlich werden.
Nachtrag 31. Jan:
Nachdem Filippo Leutenegger bei SF DRS freigestellt worden ist,
orientierte der Regionalratsausschluss recht dürr und formulierte
In der üblichen "Wolkensprache"
von Politikern. Wortwörtlich zitieren wir aus dem nichtssagenden Text:
"Grund für die Freistellung sind unüberbrueckbare Differenzen in
wichtigen strategischen und organisatorischen Fragen,
tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über
Führungsprinzipien und das nicht mehr vorhandene Vertrauensverhältnis
zwischen Fernsehdirektor und Chefredaktor."
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Dieser Text veranschaulicht wie die Öffentlichkeit
mit Gemeinplätzen abgespiesen werden kann.
Schellenberg wies lediglich zurück, dass sich der
Konflikt an den Sparmassnahmen entzündet habe.
Auf den oben beschriebenen Skandalierungsversuch geht selbst der
Blick heute nicht mehr gross ein. Die ganze Geschichte scheint
ohne grossen Belang abzuklingen. Armin Walpen wies mögliche
Fehlleistungen des Fernsehdirektors eindeutig zurück.
Die inszenierte Geschichte mit dem Sohn sei bereits 1998 Publik
geworden. Man habe die Vorgänge seit 1998 untersucht und
komme 2002 zum nämlichen Ergebnis:
"Auf Grund meines Wissens sind bei diesen Vergaben keinerlei
unlautere Methoden zur Anwendung gekommen, geschweige denn
illegale Aktivitäten."
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Untersucht werde höchstens, wie diese Zahlen aus der
Buchhaltung an die Öffentlichkeit gelangen konnten.
Doch sei es erfahrungsgemäss schwierig, die verantwortlichen
Personen bei derartigen Indiskretionen auszumachen.
Der Skandalierungsversuch hatte in diesem Fall scheinbar keine Chance.
- Es fehlten die konkreten Belege von unlauteren Aktivitäten
- Der TV-Direktor verhielt sich professionell.
Seine Antwort war überlegt, kurz und überzeugte.
und war deckungsgleich mit den Aussagen des Generaldirektors Walpen.
Leutenegger und Schellenberg hielten sich bis heute strikt an das
vereinbarte Stillschweigeabkommen.
Das konsequente "Nichtssagen" führt hoechstens dazu, dass über die
konkreten Hintergründe in der Medienlandschaft weiter spekuliert wird.
Obwohl dieser Skandalierungsversuch fehlgeschlagen ist, muss Peter
Schellenberg sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sich nun um seine Person
zu viel Macht ballt: Tele 24 gibt es nicht mehr.
TV3 ist gestorben. Schellenberg ist Alleinherrscher über alle wichtigen
nationalen Kanäle und ersetzt nun auch noch vorübergehend den
Chefredaktor.
Seine Frau hat ebenfalls eine wichtige Funktion im Fernsehen und
sein Sohn hat wie erwähnt auch mit seiner Firma Aufträge von seinem Vater.
Kritiker sind bestimmt schon in den Startlöchern.
Die Bouvardmedien heizen in der Regel eine Skandalgeschichte für
einige Tage an. Andere Medien übernehmen dann gerne die Thematik.
Selbst dann, wenn noch nichts bewiesen ist, erhalten Skandale rasch
eine Eigendynamik. Es braucht aber doch eine kritische Masse von
Brennmaterial um das Feuer richtig auflodern zu lassen.
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Blick strickt jedenfalls die Schellenbergeschichte nicht mehr gross
weiter. Lediglich das Duell zwischen dem ehrgeizigen Arena-Star Leutenegger
und dem erfolgreichen Fernsehdirektor wird auf der Frontseite in kleinerer
Aufmachung nochmals abgehandelt. Es wird darin lediglich die tpc Firma
erwähnt, die Mit den 790 Angestellten - seit dem Wegfall von TV3 -
In arge Bedrängnis geriet.
Möglich aber unwahrscheinlich ist, dass die nun bekanntgewordene
Entlassung des populären Chefredaktors Leutenegger das Feuer der Skandalierung neu
Aufflackern lässt. Die redaktionelle Leitung von SF DRS übernimmt
übergangsweise Peter Schellenberg.
Nach NZZ vom 30. Januar, 2002, waren Leuteneggers Kontakte mit Bern
mit ein Grund für die Ernennung zum Chefredaktoren.
Die Hoffnung war, damit die finanziellen Vorteile von
SF DRS gegenüber der privaten Konkurrenz (TV3 und Tele 24) zu verteidigen.
Gerade im Krisenherbst 2001 führte Tele 24 aber nicht nur einmal
vor, wie man mit kleinerem Budget besseren Newsjournalismus machen kann.
Bei der Berichterstattung über das Attentat in Zug zum Beispiel
hatte Schawinski die Leute schon vor Ort während bei SF DRS eine
überforderte Moderatorin einen müde wirkenden Filippo Leutenegger
interviewte. Pikanterweise musste damals Leutenegger im Zuge
des Spardrucks beim Schweizer Fernsehen gerade die finanziellen
Ansprüche seines Newsbereich gegen die teuren, von Schellenberg
forcierten Kultur-Eigenproduktionen verteidigen.
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