Fundamentalisten brachten es fertig, dass aus amerikanischen
Schulbüchern und Examen-Texten das Wort "Dinosaurier"
verbannt wird. Christliche Fundamentalisten, welche die Evolutionslehre
ablehnen, werten sich mit Erfolg gegen das Wort.
Feministische Rhetorik verbannen das Wort "Schneemänner"
Statt "Snowman" muss es nun "Schneeperson" heissen.
Das Kinderbuch (The little engine that could) "Thomas,
der Dampfzug"
wurde schon aus Schulstuben verbannt, weil der Zug männlich ist.
Ursprung solcher Zensuren ist ein übertriebener Fairnessgedanke.
Auf der Suche nach sprachlichen Stolpersteinen können die
Gleichmacher aber auch über das Ziel hinausschiessen.
Während Wörter wie "Negro" oder "Gringo" zu Recht aus
dem Wortschatz gestrichen wurden - sie gelten als Schimpfwort
- sind auch Worte wie "Delphin" zu vermeiden. Denn es geht um
regionale Benachteiligung, wenn ein Kind im Landesinnern der USA
keinen Bezug zu diesem Tier herstellen könne und damit in
Prüfungen schlechter abschneide. Das Buch "Der freundliche Delphin"
(The friendly Dolphin) wurde so aus den Lehrstuben verwiesen.
In den USA wurde im Jahre
2003 staatliche Schulprüfung, in der es darum geht, einen
Aufsatz über einen "Schneetag" zu verfassen,
für ungültig erklärt, weil es Kinder geben könnte, die noch nie
Schnee gesehen haben könnten. Es wird dabei ausser Acht gelassen,
dass die meisten Kinder im Fernseh und Internetzeitalter virtuell
mehrmals um die Welt gereist sind.
Alle Anspielungen auf Rassenunterschiede werden auch aus älteren
Literaturtexten gestrichen. Obwohl gewisse Erlebnisse erste durch
den Umstand, dass ein einziges weisses Kind in einem schwarzen
Stadtviertel lebt, aussagekräftig wird, oder ein Schwarzer
als Sklave in einer weissen Familie arbeiten muss wie in
"Onkel Toms Hütte".
Sprachpolizisten säubern Texte hinsichtlich Bezüge
auf Religion, Ethnie, Drogen, Sex, harmlose Flüche.
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Diane Ravitch - Professorin für Erziehungsgeschichte an der
New Yorker Universität - beschreibt im Buch "The Language Police"
wie grotesk die Zensur im Bereich Schulmaterial wütet.
Ravich findet dass Änderungen wie in den nebenstehenden Kasten
schädlich für das Kind ist. Es fördere die Langeweile und
mache die Jugendlichen zynisch.
Ravich schlägt vor, es den Lehrern
zu überlassen, welches Buch- und Schulmaterial sie verwenden wollen.
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- Frauen sollen nicht als Haushaltshilfe, Männern
keine Doktoren oder Juristen sein.
- Ältere Leute müssen aktiv und kräftig gezeigt werden.
- Bergsteigergeschichten würden Kinder diskriminieren,
die in flachen Regionen leben.
- Mädchen dürfen nicht gezeigt werden wie sie dem Sport
zuschauen, sie müssen den Sport betreiben.
- Kinder dürfen nicht gezeigt werden, wie sie die Autorität
der Erwachsenen in Frage stellen.
- Hauptcharaktere dürfen nicht Waisen, Geister, oder Tiere mit negativen
oder schmutzigen Assoziationen sein wie Mäuse, Käfer oder Skorpione.
- Ehnische Vorurteile dürfen nicht verbreitet werden, wie dass Kinder mit
Irischem Blut Polizeibeamte sind, schwarze Personen Athleten oder
Leute mit mexikanischem Ursprung Gärtner.
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Märchen sind out, weil Prinzessinnen sexistisch sind und
Zauberer unchristlich.
- Hinweise auf Speck und Eier oder
Eis werden nicht mehr so
ohne Weiteres akzeptiert. Dies aus Vorbehalten über die
Essgewohnheiten der Kinder.
- Worte wie "Yacht" oder
"Polo" sind verbannt, weil sie
elitär sind.
- Worte wie "Bücherwurm"
oder "blind" werden vermieden, weil
sie anstössig sind.
- Worte wie "Zur Hölle" sind zu stark
und werden durch "Zum Kuckuck" ersetzt.
- "Gott" ist verbannt, weil zu religiös.
Ravitch sagt, es sei amüsant, dass sogar Titel wie der Klassiker
"The old man and the sea"
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(Der alte Mann und das Meer)
von Ernst Hemingway bei jedem Wort ausser "the" und "and"
anstössig sei:
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- "Alt" ist "ageistisch" (altersdiskriminierend),
- "Mann" ist "sexistisch" (geschlechterdiskriminierend),
- "Meer" ist geographisch
diskriminierend und kann nicht verwendet werden, weil nicht alle am Meer leben.
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Der Titel müsse also neutral so heissen:
"The Older Person and the Water"
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(Die ältere Person und das Wasser).
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Protestgruppen nutzen die Gelegenheit, ihre zum Teil grotesken
Ansprüche bei den wenigen Schulbuchverlagen geltend zu machen.
Interessanterweise sind die Sprachpolizisten sowohl auf dem linken oder rechten
politischen Lager zu finden. Auf der rechten werden zum Beispiel Worte wie
"Homosexuell, Gay" gestrichen, auf der linken
Hinweise auf "Yachten, Golf, Polo".
Die Verlage geben im Allgemeinen sofort nach. Der Ruf, kontrovers zu sein,
könnte den Verkauf eines Buches verhindern. Die Verlage gehen
deshalb noch einen Schritt weiter: Sie berücksichtigen
allfällige Einwände von sich aus. Somit wird Jugendlichen
ein blutleerer, abgeschliffener Lesestoff vorgesetzt.
Die Sprachpolizei filtert auch wegen Markenschutz, denn
Prozesskosten sind für die Verleger teuer. Beispiele:
1) Erfolgreiche Produktnamen werden
oft auch als Synonym zum Überbegriff benannt.
Da das längerfristig der Marke schaden könnte,
wehren sich Firmen dagegen.
Nachtrag vom 15. August:Der Aktuellartikel:
Marken als generische Sprachbegriffe thematisiert diese Problematik.
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Google = Suchen |
Hoover = Staubsauger |
Jeep = Geländewagen |
Xerox = Photokopierer |
Kleenex = Papiertaschentuch |
Rollerblade = Inline Skates |
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2) Firmen mit Produktenamen, die mit gängigem
Vokabular gebildet sind, schränken deren Gebrauch in
ähnlichem Kontext ein:
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"Windows" (Microsoft) = Computerbenützeroberfläche.
In einem Schulbuch müssten alle Betriebsysteme (Apple, PC) erscheinen.
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"Memory" (Ravensburger) = Gedächnisspiele. Ein Schultextbuch
oder ein Test dürfte ein Gedächtnisspiel nicht so benennen. (Siehe
Massenabmahnungen in diesem Beispiel).
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3) Der Gebrauch von Firmennamen in Texten könnte versteckte Werbung sein und
wird deshalb vermieden.
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Expliziten Automarken
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Expliziten Getränkenamen
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Expliziten Waschmittelnamen
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Namen von Ferienorten
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Nachtrag vom 6. Februar, 2004. Nachdem der
Amerikanische Bundesstaat Georga den Begriff
"Evolution"
aus dem Schulvokabular verbannen wollte, ist die Sache
rückgängig gemacht worden. Die Motivation
des Schrittes war gewesen, dass der Begriff "Evolution"
zu kontrovers sei und deshalb mit
"Biologischem Wechsel im Laufe
der Zeit" ersetzt werden müsse. Der Schritt wurde
aber heftig kritisiert und der ehemalige Präsident
Jimmy Carter meinte, dass die Sache den Staat Georgia der Lächerlichkeit
preisgebe. Die Superindendentin Kathy Cox von Georga meinte nun,
dass sie vorschlagen werde, den alten Begriff wieder
einzuführen. Anstadt Kontroverse zu verhindern,
habe die Sache mehr Kontroverse verursacht.
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