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www.rhetorik.ch aktuell: (1. Januar, 2002)


Jugendsprache als Ursache der Leseschwäche?


Im Zusammenhang mit der Feststellung, dass die Schweizer Kinder schlechter lesen können als Jugendliche anderer Länder (PISA Studie), kam es in der Schweiz im Dezember 2001 zu einem Kulturschock.
Es wurde sich gefragt, ob das Land Kellers, Gotthelfs und Dürrenmatts den Weg ins Analphabetentum schreibt. Auch in den naturwissenschaftlichen Fächern schnitten die Schweizer Schüler relativ schlecht ab.
Politiker forderten deshalb sofort Änderungen im Bildungswesen, zum Beispiel die Förderung der Lesekompetenz bereits im Kindergarten! Sofort waren Experten da, die den Grund der mangelnden Lesefertigkeit scheinbar erkannt hatten. Sie wussten es sofort:
"Hört nur wie die Kinder reden! Man hört ja förmlich, dass sie nicht mehr lesen können."

Wir müssen vorsichtig sein mit derartig voreiligen Schlüssen. Seit langem hatten Erwachsenen Mühe mit der Sprache der Jugendlichen.
Pubertierende Jugendliche wollen sich oft bewusst von der Erwachsenenwelt abgrenzen. Dies gilt auch für die Haartracht, die Kleidung oder beim Verhalten. Als die Eltern rauchten, waren viele Jugendliche plötzlich vehemente Nichtraucher. Nachdem sich das Nichtrauchen durchgesetzt hatte, griffen Jugendliche wieder vermehrt zur Zigarette. Dieses Abgrenzen erfolgt auch in der Sprache. Jugendliche haben ihre eigenen internem Signalworte bei emails, bei SMS Botschaften sowie in der Umgangssprache. Für viele Erwachsene ist diese Sprache gleichsam eine Fremdsprache.
Heinrich Löffler Bei vielen Begriffen verstehen sie nur noch "Bahnhof". Das ist aber von den Jugendlichen beabsichtigt oder erwünscht. Heinrich Löffler, Sprachwissenschafter an der Uni Basel meint dazu:
"Keine Jugendsprache beeinflusst die Lesekompetenz!
Signalwörter markieren nur die Gruppenzugehörigkeit, wie die blauweissen Schals der GC Fussball-Fans."
Wir müssen die nachfolgenden Beispiele von Signalwörtern also nicht als Anzeichen eines Zerfalls der Sprachkompetenz sehen.
"spitz" sexy, geil
"schoo" So was
"Mungo" Volltrottel, Idiot
"stylisch" Schick
"Stinker" Erwachsener, der uns nicht respektiert
"hange bliibe" Wer begriffsstutzig ist, bleibt hängen

Diese Auswahl von Signalwärtern soll lediglich veranschaulichen, dass es den Jugendlichen immer ein Bedürfnis war, sich bewusst von der Erwachsenenwelt abzugrenzen. Jede Jugend kreiert ihre eigene Sprache. Es ist eine Art Geheimsprache. Ein Jugendlicher der darauf angesprochen wurde, meinte:
"Hey Mann, diese Sprache ist krass!"

Wenn es um die Lesekompetenz geht, stellt sich vielmehr die Frage, ob nicht folgende Bereiche vermehrt gepflegt und sogar trainiert werden müssten:
  • Das Zuhören lernen (Aussage eines Schülers: "Mich scheisst es einfach an, zuzuhören!")
  • Das regelmässige Lesen (Jugendlicher: "Wir haben meist Blätter, da müssen wir nur noch Fragen ankreuzen." Oder: "Bücher interessieren mich nicht.")
  • Lautes Lesen oder Vorlesen. (Zitat eines Schülers: "In unserer Klasse gibt es nur zwei, die einen Text vorlesen können. die anderen melden sich nie.")
  • Die Umgangssprache vermehrt verbessern. (Jugendlicher: "Obwohl wir viele Ausländer in der Klasse haben, redet die Lehrerin immer Dialekt. Nur wenn ein Schulbesuch kommt, sollten wir dann plötzlich schriftdeutsch reden.")
  • Für Jugendliche interessante Bücher und Texte regelmässig lesen lassen.
Es müsste ferner zu denken geben, dass es bei der Lehrerweiterbildung kaum noch Möglichkeiten im Bereich Sprache gibt. Dafür gibt es zahlreiche Kurse und Angebote in Randbereichen der Psychologie. Vielleicht sollten bei der Weiterbildung vermehrt Fächer zur Förderung des Sprachverständnisses Pflichtfach werden.
Wir würden Rhetorik falsch verstehen, wenn wir uns in den Beiträgen aussschliesslich aufs Reden beschränken.
Zu den Redeprozessen gehören auch
  • Lesen
  • Schreiben (Notizen machen)
  • Denken, überlegen
  • Laut denken
  • Aussagen verständlich formulieren
Eine Aussage muss immer adressatengerecht sein. Es ist durchaus zulässig, dass Fachspezialisten wie zum Beispiel Informatiker oder Ärzte unter ihresgleichen ihre eigene Fachsprache pflegen. Auch Jugendlichen steht das Recht zu, unter sich die eigene "Esotherikersprache" zu haben. Denn diese Sprache wird intern von allen verstanden. Sobald wir aber ausserhalb von Fachgruppen reden, müssen wir uns einem gemeinsamen Code unterordnen und die Begriffe dem Adressaten anpassen.
Wir haben beispielsweise erlebt, dass auch bei Medizinern nur wenige fähig waren, in den Medien komplizierte Sachverhalte einfach und "strassengängig" zu vermitteln.
Mit einem K+K Coaching können Sie das adressatengerechte Kommunizieren verbessern.


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