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www.rhetorik.ch aktuell: (12. Feb. 2004)

Ich schockiere - also bin ich



Werber balgen sich bekanntlich um Aufmerksamkeit. Wir haben in verschiedenen Beiträgen auf fragwürdige Bilder, Plakate oder Texte hingewiesen. Weil das Publikum in einer Informationsgesellschaft mit Reizen überflutet ist, sind Agenturen gezwungen, Zunder zu geben, um beachtet zu werden. Die grösste Werbeagentur der Schweiz- Publicis - hat sich mit einer Inseratenserie für eine dicke Provokation entschieden:

In der Pendlerzeitung "20 Min" vom 3. Januar erschien das ganzseitige Bild einer Katze am Kreuz - im Stil eines Kirchenbildes. Dass man mit dieser Provokation empörte Tierfreunde, sowie aufgebrachte Christen am Hals hatte, lag in der Luft. Vielleicht erhofften sich die Werber aber auch den Sturm der Entrüstung. Provokateure sind in der Regel enttäuscht, wenn andere sich nicht provozieren lassen. Jeder Wirbel bringt Werbeagenturen, Filmschaffenden oder Buchautoren Beachtung. Oft sind sich Werber nicht bewusst, was eine Werbeaaktion bewirken soll. Das Ziel der Auftraggeber steht im Hintergrund. Kreativität kommt vor der Überzeugung.

Die Provokation kann aber auch rasch kontraproduktiv sein. Wie bei der Alltagskommunikation geht es auch darum, wie der Betrachter die Information versteht.


Gewiss meinten bei dieser Kampagne es die Werber gut. Die Katze - scheinbar gekreuzigt wie Jesus - mit Nägeln in den Pfoten schockierte jedoch viele Leser. Es waren nicht nur Kirchenvertreter empört.

"Ich finde diese Werbung völlig daneben und kontraproduktiv",


fand Heinz Lienhard der Präsident des Schweizer Tierschutzes. Die kreativen Macher der Werbeagentur Publicis hatten am Bildschirm die Katze ans Kreuz genagelt. Ein Vertreter der Agentur fand im Schweizer Fernsehen, dass die Werbung plakativ sei. Schock oder nicht. Jeder soll selbst entscheiden was er empfindet. Wer die Anzeige falsch verstehen will, der kann sie falsch verstehen. Wer das Ganze ein wenig offen betrachtet, der versteht es schon so wie es gemeint ist. Wie war nun das Bild tatsächlich gemeint? So wie es die Betrachter sehen oder so, wie es sich die Werber ausdenken? Geht es nur um: Schockieren als Selbstzweck? Der Chef der Agentur sagte:


"Schockierend ist die Tatsache, dass Tiere misshandelt werden. Wichtig ist, dass man darüber redet. Und zwar ziemlich deutlich und eindrücklich."


Das Büsiplakat ist übrigens der Sieger eines internen Wettbewerbes. Die Macher sollten zu einer kreativen Höchstleistung angespornt werden, Mit diesem Wettbewerb wollte Publicis der Nonprofitorganisation Zodiac zu einer Gratiswerbung verhelfen. Neben der Katze gab es noch das Sujet des gekreuzigten Hasen und des gekreuzigten Frosches.

Der Wirbel hatte immerhin Folgen. Die Gratiszeitung "20 Min" hat die Gratiswerbung sofort zurückgezogen. Die Entrüstung der Leser war zu gross. Den Hasen und den gekreuzigten Frosch werden wir deshalb kaum noch zu sehen bekommen. Die Tierschutzorganisation ZODIAC liess verlauten, sie habe die Kampagne einstweilen gestoppt und entschuldigte sich bei all jenen Leuten, die das Bild missverstanden haben. Nur Publicis findet die eigene Leistung schlicht toll! Kein Wort der Entschuldigung. Im Gegenteil: Die Kampagne sei gelungen. Man habe die Oeffentlchkeit mit wenig Mitteln auf das Problem aufmerksam machen können. (Tiere werden von Menschen misshandelt, gequält, ausgesetzt. Das müsse bekämpft werden) Der Präsident des Tierschutzes vertrat jedoch die Meinung:

"Tierschutz muss seriös verkauft werden. Wenn eine Aktion gemacht wird, so muss sie in eine Gesamtaktion eingebettet werden. Ein Gag, der einmal kommt und nachher wieder verschwindet, der bringt überhaupt nichts!"


Tierschützer wünschen, dass künftighin nicht mehr mit gekreuzigten Katzen und aufgenagelten Fröschen auf ihre wichtigen Anliegen aufmerksam gemacht werde.


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