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www.rhetorik.ch aktuell: (2. Februar, 2004)

Zum Grosserfolg von "Music Star" im Schweizer Fernsehen



Die Einschaltquoten machen deutlich, dass der neue Quotenschlager von SF DRS auf einer Erfolgswelle reitet. Jedem Sonntag konnten die Quoten erneut gesteigert werden. Seit anfangs Jahr sind es bereits 913'000 Zuschauer oder 52.1 Prozent. Das ist ein Drittel mehr als bei der ersten Sendung. Die "Hickhack- ARENA" verliert anderseits an Zuschauerzahlen. Letzten Freitag schauten drei Mal weniger Zuschauer als bei "Music Star". Die Leute sind sich der sturen "Entweder-oder Rhetorik" der "Arena" überdrüssig. Grund: Die Sendeanlage lässt keine echten Dialoge zu. Alle Positionen bleiben erstarrt. Niemand lässt sich überzeugen.

Der Erfolg von "Music Star" kann sicherlich auf das gesteigerte Bedürfnis nach Unterhaltung zurückgeführt werden. Aber es gibt noch andere Erfolgsrezepte.


Das Format wurde äusserst geschickt inszeniert. Die Moderatoren (Kilchsperger/Havel) zelebrieren das Muster der "Zehn kleinen Negerlein" so gut, dass nicht nur jeder Teenager mitfiebert und für oder gegen einen der mutmasslichen Stars (seinen Liebling) Stellung bezieht. Die Ausscheidungsrituale geben genügend Gesprächsstoff für die Pausenplätze. Wer nicht mit dabei war, wird somit genötigt, am nächsten Sonntagabend die Sendung ebenfalls mit anzusehen. Alle fiebern Woche für Woche dem Höhepunkt entgegen. So wird die Spannung zusätzlich aufgeschaukelt. Auch die Printmedien können wie nach einem Fussballmatch die banalsten Nebengeschichten kommentieren und vermarkten. Ob beispielsweise Daniela auch ohne Blick-Fotos "im erotischen Bereich" in der sechsten Finalrunde singt. Eine Hand wäscht die andere. Alle Medien profitieren. Das Publikum hat trivialen leichtverdaulichen Lese- und Gesprächstoff. Das Konzept ist geschickt inszeniert: Es wird von Laien kaum durchschaut.


Die "NZZ am Sonntag" vom 1. Februar schrieb treffend:
Das Ganze sei eine Mischung von
  • Teenager-Erotik,
  • Robinsonaden-Voyeurismus,
  • Fussballplatz-Ambiente,
  • Trash-Kultur,
  • Gesanglehrerinnen-Strenge.
Alles werde hernach durch den Wolf gedreht - gemixt mit einer kaum kaschierten Maschinerie aus Musikindustrie und Boulevard-Kommerz. Dabei entstehe eine Paste, die so grässlich schmecke, wie sie süss sei. Aber sie mache süchtig.


Kritik ist bei "Music Star" kaum möglich. Jedenfalls kann sie den Erfolg kaum schmälern. Im Gegenteil: Kritik schürt nur noch das Interesse. Je mehr von "Music Star" gesprochen wird, desto stärker steigen die Quoten. "Man muss es schliesslich auch gesehen haben, um mitzureden." Hier gibt es ein ähnliches Phänomen wie bei "Ich bin ein Star -holt mich raus!" Wie will man den Kommerz anprangern, wenn der Chef der Plattenfirma, welcher die Vermarktungsrechte von "Music-Star" besitzt, offen als Mitglied der Jury mitwirkt? Wenn der Blick-Journalist Elias Fröhlich seine Rolle als Juror und Boulevard Schreiber munter mischt und unverblümt eine Finalistin zu "erotischen Fotos" animieren versuchte? Es geht um Kommerz. Die Symbiose zwischen Boulevard und Unterhaltungsfernsehen konnte durch den halbbherzig inszenierten Streit zwischen SF DRS und Blick nicht cachiert werden.


Bei der Inszenierungen haben wiederum beide Seiten Nutzen gezogen.

Fazit: Music-Star bietet hervorragendes Anschauungsmaterial für die typischen Mechanismen, mit denen massenmediale Öffentlichkeit hergestellt und kommerziell genutzt werden kann.


Nachtrag vom 7. Februar: Konzessionsverletzung mit Telefon-Voting?

Das Bundesamt für Kommunikation hat gegen die SRG eine Voruntersuchung eingeleitet. Sie muss abklären, ob bei "MusicStar" eine Verstoss gegen das Radio und Fernmeldegesetz vorliegt. Es geht um die Finanzierung über das Telefon-Voting. Es ist nicht geklärt, ob dies überhaupt rechtlich zulässig ist. Die Sendung wird nämlich bereits von vier Sponsoren zu je 100'000 Franken gesponsert. Bis zum 21. Februar wird die SRG allein mit Voting Gebühren deutlich über eine Million Franken zusätzlich einnehmen. Am 8. Februarabend wurde bereits mit einer Zuschauerzahl von einer Million Zuschauer gerechnet. Erfahrungsgemäss beteiligt sich die Hälfte an der kostenpflichtigen Telefon-Abstimmung. Von den 70 Rappengebühren fliessen die Hälfte direkt in die SRG-Kasse. SRG jeden so jeden Sonntagabend 100'000 Fr. Für den Preisüberwacher ist dies keine "Quantité négligable" mehr.

SF DRS verweigerte bislang Auskunft über die Anzahl der Anrufe und Grösse der Einnahmen. Dass die Wahl mit den Publikumsumfragen verfälscht wird, haben auch die Jurymitglieder zu spüren bekommen. Ihr Urteil ist kaum ausschlaggebend. Entscheidend ist, ob eine Person als sympathisch oder unsympathisch eingestuft wird. Auch die Region der Kanditaten spielt eine Rolle. Es hat sich gezeigt, dass die Zuschauer in erste Linie den Kandidaten "vor der eigenen Tür" wählten. Auch viele "MusicStar"-Fans hinterfragen heute den Wahlmodus. Angeblich kommt das Mobilfunknetz an Grenzen und die Leitungen bleiben lange blockiert.


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