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www.rhetorik.ch aktuell: (ab 15. Dezember, 2001)


Videobänder als Beweismittel?


Bin Laden Tape Ein Videotape von Osama Bin Laden (siehe Abschrift) zeigt Bin Laden Mitte November 2001 mit einer Gruppe von Anhängern wahrscheinlich in Qandahar, Afghanistan.

Bereits im Fall Aliesch hatte die Aufnahme eines Amateurfilmers zu reden gegeben. Damals bewiesen die Videoaufnahmen, dass Aliesch zusammen mit den umstrittenen Griechen gefeiert hatte. Er musste ihn - entgegen der Behauptung des Regierungsrates- gut gekannt haben.
Auch bei der Crossair konnten dank eines Amateurfilmers nachträglich belegt werden, dass der Flugkapitän der verunglücken Jumbolinomaschine früher einmal einen falschen Flugplatz (Sitten statt Aosta) angeflogen hatte. Der Fehler erst kurz vor der Landung festgestellt. Ohne die Videoaufzeichnung wäre der Vorfall wohl kaum publik gemacht worden, denn nur der Co-Pilot war Zeuge. Die Crossair überprüft den Fall aufgrund des Videos nachträglich. Nach Zeitungsberichten soll aber der Fall nicht mehr aufgerollt werden. Er liege zu lange zurück.
Das "Bin Laden Videoband" spricht Bände
Nach langem Zögern hatte das amerikanische Verteidigungsministerium ein in dessen Besitz gelangte Videoband mit Äusserungen Bin Ladens am 13. Dezember freigegeben. Vorangegangen war ein langes Lavieren. Es wurde abgewogen zwischen dem Risiko, zusätzliches Leid zu verursachen und dem Bedürfnis zu zeigen, welches das wahre Wesen des Terrorismus sei.
Bin Laden Tape Beim Video handelt es sich um ein von einem Amateur aufgenommenes Gespräch Bin Ladens, das nach Angabe des Pentagons mit äussester Akribie ins Englische übersetzt worden ist. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass die Koordination der Aktion, wie von den Untersuchungsbehörden vermutet, in der Hand des Aegypers Atta lag. Die Luftpiraten, zumindest jene, die nicht als Piloten vorgesehen waren, waren laut Bin Laden über den genauen Zweck der Operationen im Unklaren gehalten worden. Sie erfuhren erst beim Besteigen der Flugzeuge, dass sie nicht an einer gewöhnlichen Entführung teilnahmen. Auch kannten sich die Terroristen gegenseitig nicht. Nach den Aussagen Bin Ladens wurde die Wirkung des Aufpralls der Maschinen im World Trade Center im Voraus abgeschätzt. Man habe nicht mit dem Einsturz des ganzen Gebäudes gerechnet. Es scheint, dass Bin Laden als Drahtzieher der Aktion über jeden einzelnen Schritt unterrichtet war.
Nach den Videoaufnahmen machte er sich lustig, dass die amerikanischen Radiosender eine Viertelstunde nach dem ersten Attentat noch nicht darüber berichteten, während er er die Vollzugsmeldung schon erhalten hatte. Die USA wollte mit dem veröffentlichen Videoband der Welt beweisen, dass Bin Laden die Schuld an der menschenverachtenden Tat trägt.

Wie reagierte die arabische Welt auf die Videoaufnahmen?
Interviews in arabischen Ländern deutlich, dass dort auch an der Echtheit der Aufnahmen gezweifelt wird.
  • "Es ist alles von den Amerikanern nur manipuliert worden!"
  • "Warum wurde das Band so spät veröffentlicht?"
  • "Die Amerikaner brauchten Zeit, um das Band zu verfälschen."
  • "Das Ganze ist nur eine Verschwörung gegen den Islam."
Die zuständigen Stellen in den USA behaupten, das Band des Amteurfilmers sei echt. Die Videoaufnahmen hätten sorgfältig behandelt werden müssen. Der Texte mussten von verschiedenen Fachleuten überprüft werden und die Übersetzungen wurden von verschiedenen Stellen kontrolliert. Denn:
Eine falsche oder sinnverändernde Übersetzung hätten sich die amerikanischen Behörden bei diesem sensiblen Band nicht leisten dürfen. Der Text musste von verschiedensten Stellen sorgfältig überprüft werden. Es wurde nicht bekannt gegeben, wer das Videoband wo gefunden hat.

Weshalb liess sich Bin Laden filmen?
Bekannt waren die Terroristen beim Übermitteln von Informationen eher vorsichtig. Vergleiche den Artikel über Terrorkommunikation. Es wird aber vermutet, dass Bin Laden eitel und selbstgefällig ist und sich vor den Freunden gerne bewundern lässt. Deshalb scheint er diese Videoaufnahme im internen Kreis trotz aller Vorsichtsmassnahmen zugelassen zu haben. Auch war damals der Zusammenbruch des Talibanregims noch nicht abzusehen.
Es ist schwierig, aus den Videoaufnahmen ein eindeutiges Bild zu machen. Es gibt viele verwackelte Bilder, die Tonqualität ist schlecht. Unklar ist nach wie vor, für welchen Zweck das Video aufgenommen wurde. Die Behauptung eines Islamisten aus London, der erklärte, das Video sei gefälscht und Schauspieler würden die Rollen mimen ist eher unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu Bildmanipulationen an einzelnen Fotos ist eine Fäschung eines Videos viel schwieriger. Am ehesten noch könnte die Tonspur des Videos verändert worden sein.


Nachtrag vom 21. Dezember:
Nach CNN vom 20. Dezember 2001, haben die Übersetzer des Bin Laden Videos verschiedene Informationen ausgelassen. Nach Ali Al-Ahmed, dem Direktor Des Saudi Institute, einer Menschenrechtsorganisation in Saudi Arabien, habe Bin Laden neun der Entführer identifiziert und nicht Mohamed Atta, wie in der ursprünglichen Übersetzung. Nach Ahmed und einem unabhängigen anonymen Übersetzer, werden unter anderem auch die Brüder Nawaf al Hazmi and Salam al Hazmi genannt.

Kritik an der Übersetzung wurde auch vom Hamburger Orientalisten Professor Gernot Rotter geäussert Nach dem ARD Politmagazin "Monitor" sollen bei den "Geständnissen" Bin Ladens Bezüge hineinformuliert worden seien, aus denen eine eindeutige Täterschaft Bin Ladens abgeleitet werden soll. Es würden Zeitbezüge behauptet, die angeblich sein Vorwissen belegen, die aber in der arabischen Originalversion nicht auftauchen.

Auch Al-Ahmed kritisierte die Übersetzung der Stelle, wo Bin Laden beschreibt, was er gerade vor der Radiomeldung über den ersten WTC Treffer gesagt hatte: die richtige Übersetzung sei: "Wenn Du die Nachricht im Radio hörst, knie sofort nieder, das heisst, sie haben das World Trade Center getroffen." Die Interpretation, dass Bin Laden über den zweiten Treffer gewusst hatte, sei damit nicht klar.

Diese Argumente über Übersetzungsdetails ändern alle nichts Wesentliches an der Geschichte. Trotzdem: Es wäre interessant zu wissen, wie solche Scharmützel die Meinung des Publikums beeinflusst. Interessant ist auch, wie die Medien über die Kritiken berichten. Während in der USA die Meldungen über die Präzisierungen der Übersetzung die "Schuld" von Bin Laden noch zu vertiefen scheinen, sind einige Europäische Medien eher bereit, eine falsche Interpretation der ersten Übersetzung herauszuheben.


Nachtrag vom 30. Dezember 2001: Neues Videoband mit bin Laden.
Am 26. Dezember 2001 hat der arabische Fernsehsender Al-Jazeera ein weiteres Videoband mit einer Rede Bin Ladens verbreitet. Die Videopredigt könnte nach gewissen Hinweisen Mitte Dezember aufgenommen worden sein. "Amerikas Ende ist nahe, so Gott will". Die Anschläge vom 11. September werden von Bin Laden als "segensreich" bezeichnet. Wiederum wirft er dem Westen vor, einen "Kreuzzug gegen den Islam" zu führen. Auf dem Video wirkt Bin Laden müde und blass, hat dunkle Augenringe, spricht jedoch gefasst.
Der Redefluss war ruhig, zusammenhängend und beherrscht. Er trägt eine Jacke mit Tarnfarben. Neben ihm steht ein russisches Schnellfeuergewehr.
Die jüngste Videobotschaft Osama bin Ladens deutet darauf hin, dass der Al Qaeda Führer erschöpft oder verletzt ist. Er sitzt während der Aufnahme und ist allein. Die Gesichtsfarbe ist auffallend fahl. Die linke Hand gestikulierte nicht. Er hielt den Arm während der ganzen Aufnahme still. Die linke Hand blieb immer ausserhalb des Bildrahmens. Könnte dies Hinweise oder Signale der Erschöpfung, einer Verletzung oder einer Erkrankung sein?
Am Schluss der Rede sagt Bin Laden wörtlich: "Unser Terrorismus gegen die USA ist gesegnet und hat das Ziel, die Unterdrücker zu bestrafen, damit Amerika seine Unterstützung für Israel aufgibt."
Auf der Flucht sind Videokassetten eines der wenigen Kommunikationsmittel des Gejagten. Ob er damit seine Botschaft auch in der arabischen Welt wirkungsvoll durchbringen kann, ist zweifelhaft. Als Beweisstück wird es aber bei einem etwaigen Gerichtsprozess wohl auch gegen ihn verwendet werden können.


Nachtrag vom 11. Februrar 2003: Ein Audiotape von Osama bin Laden.
Am 11. Februar 2003 strahlte der Al-Jazeera Sender ein Audiotape mit einer Stimme aus, die wahrscheinlich von Osama bin Laden stammt. Der Sprecher rief alle Moslems auf, gegen einen Angriff der USA auf Irak zu kämpfen und warnte Islamische Nationen, dem Feind zu helfen. Interessanterweise gab es diesmal keine Bedenken einer Verbreitung der Meldung: die US Administration hätte dringend gerne Beweise einer Verbindung von Al Quaeda mit Irak. Das Fehlen der Bilder (nur Ton statt Film) schwächte jedoch die Wirkung.


Nachtrag vom 11. September, 2003, Neues Videoband zum Jahrestag
Bin Laden mit Ajman el Sawahri Vor dem zweiten Jahrestag der 911 Anschläge ist ein neues Videoband von Bin Laden im TV-Sender "al Jazeera" gezeigt worden, indem Osama Bin Laden und sein Stellvertreter Ajman el Sawahri zu sehen sind. Die Stimme von El Sawahri auf einer Audio-Kassette sagt:

"Verschlingt die Amerikaner, wie die Löwen ihre Beute verschlingen",


Nach Angaben von "al Jazeera" stammen die Aufnahmen von Ende April oder Anfang Mai. Ob die Dokumente echt sind, wurde nie 100 prozentig bewiesen.


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