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Wenige Tag vor ihrem grossen Auftritt war Angela Merkels Stimme heiser,
die Grippe hatte sie erwischt. Die Stimme musste noch kurz für die
wichtigste Rede ihrer Karriere am Sankt Nikolaustag krächsfrei
werden. Das Auskurieren des Grippeanfalls gelang noch rechtzeitig.
Für uns war die Vorbereitung der Auftrittes spannend.
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Ziele: Merkel musste mehrere Aufgaben erfüllen:
- Die Rede musste mitreissend sein.
- Gleichzeitig sollte sie für die eigenen
Anhängerschaft visionär sein.
- Nach dem wochenlangen Streit mit der Schwesterpartei
mussten Zweifel an Führungsfähigkeit zerstreut werden .
- Als Signal an die politischen
Gegner hatte die Rede zudem kämpferisch zu sein.
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Kernaussagen wurden gesucht:
- Der Zwist ist beigelegt.
- Wir schaffen Vertrauen.
- Irritationen sind beseitiget.
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Ende Oktober begann man mit einem Brainstorming.
Nach "Welt am Sonntag" spannte sie dazu den ganzen Mitarbeiterstab
ein. Anwesend waren die Mitarbeiter der Planungs- und der
Strategieabteilung im Adenauerhaus,
sowie enge Mitarbeiter und Vertraute. Seit diesem Start kam es
beinahe täglich zu neuen Redeentwürfen, an manchen Tagen
sogar mehrere.
Per Telefon, Fax, Email oder SMS gab Merkel
Änderungswünsche weiter. Das endgültige Manuskript lag
erst kurz vor Redebeginn, am 6. Dezember fest.
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Die Eckpunkte waren fixiert:
- Der Schwesternstreit ist vorbei. Es gilt zu betonen, dass der Zwist
auch fruchtbar gewesen war.
- Die CDU ist die Reformatorpartei, die die CSU voranbrachte.
- Der Reformprozess steht jedoch erst am Anfang.
- Überhöhte Vokabeln zu Nation und Patriotismus wie
Formulierungen, wie "Schicksalsgemeinschaft von 80 Millionen Menschen" oder
"Liebe zum eigenen Land" wurden eingebaut.
- Mit den patriotischen Tönen sollte den Parteivorstände die
Möglichkeit geboten werden, Einigkeit zu zeigen.
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Reaktionen auf die Rede
Wir verzichten auf eine Analyse des Auftrittes. Die
Medienechos zeigen aber, dass die vorbereiteten Kernaussgen der
Rede die Gegenseite aus dem Busch klopfte.
Die Kritik gegen patriotischen Töne von der Grünroten Seite
machen bewusst, dass die Rede auch Wirkung zeigte:
- Die SPD und die Grünen haben die Patriotismusdebatte in der Union
hart kritisiert. Wer das Land wie die CDU schlecht rede und Reformen
nicht mittrage, der sei unpatriotisch, sagte SPD-Generalsekretär
Klaus Uwe Benneter nach der Rede.
Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck sagte,
es gehöre "eine unglaubliche Dreistigkeit dazu, auf dem CDU-Parteitag
so zu tun, als habe die CDU die moralisch-politische Kraft und Grundlage für
eine solche Diskussion". Wenn die Union etwas von Moral verstehe, dann
nur von Doppelmoral.
- Die FDP will sich als Koalitionspartner für die Union
profilieren. Die Union brauche einen starken Reformpartner, um den
Politikwechsel vorzubereiten, sagte FDP-Generalsekretärin Cornelia
Pieper nach der Wiederwahl Merkels. Merkel habe sich beim
CDU-Parteitag für eine marktwirtschaftliche
Erneuerung ausgesprochen. Nun müsse die Union beweisen, dass
ihr Kurs nicht wieder einer sei, "der von zähen
Personaldiskussionen durchkreuzt wird".
Darüber hinaus begrüsse es die FDP, wenn sich die
grossen konservativen Parteien mit den "Werten unseres Landes
beschäftigen", sagte Pieper. Es sei allerdings falsch, wenn die
Konservativen dieses Feld allein besetzten. Patriotismus sei nicht Sache
einer Partei oder einer Imagekampagne, sondern vielmehr Ausdrucksform
von modernem Leben.
- Die Grünen warfen der Oppositionspartei vor, ideologisch
aufzurüsten und den Patriotismus-Begriff zu "verhunzen". Die
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf der CDU soziale Kälte und
unpatriotisches Verhalten vor. Die Patriotismusdebatte, wie sie von der
CDU geführt werde, grenze aus. Sie finde, Deutschland müsse
die Heimat von Menschen sein, die hier lebten - "auch von denen, deren
Grosseltern aus der Türkei kommen".
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen,
Volker Beck, kritisierte Merkels Äusserungen zur Gleichstellung
homosexueller Lebenspartnerschaften im Erbrecht. Damit komme Merkel
drei Jahre zu spät, da die Gleichstellung von eingetragenen
Lebenspartnerschaften im Erbrecht grundsätzlich bereits seit 2001 gelte.
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