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www.rhetorik.ch aktuell: (7. Dezember, 2004)

Angela Merkel's Vorbereitung auf ihre Rede



Angela Merkel ist erneut zur Vorsitzenden der CDU gewählt worden. Ohne Gegenkandidat stimmten 88,4 Prozent der Delegierten für Merkel. Bei ihrer Wahl vor zwei Jahren in Hannover hatte Merkel noch 93,7 Prozent erhalten, im April 2000 war sie mit rund 95,9 Prozent zur Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble an der Parteispitze gewählt worden. Das neuste Ergebnis gilt als "mager" (NZZ), "Dämpfer" (Deutsche Welle), "Männerintrige" (Bild).

Wie hat sich Angela Merkel und ihr Mitarbeiterstab auf die Rede vor der Wahl vorbereitet? Ein Artikel Ein Artikel von Christian Reiermann in der "Welt am Sonntag" vom 5. Dezember gab dazu ein paar Details.




Wenige Tag vor ihrem grossen Auftritt war Angela Merkels Stimme heiser, die Grippe hatte sie erwischt. Die Stimme musste noch kurz für die wichtigste Rede ihrer Karriere am Sankt Nikolaustag krächsfrei werden. Das Auskurieren des Grippeanfalls gelang noch rechtzeitig. Für uns war die Vorbereitung der Auftrittes spannend.


Ziele: Merkel musste mehrere Aufgaben erfüllen:
  • Die Rede musste mitreissend sein.
  • Gleichzeitig sollte sie für die eigenen Anhängerschaft visionär sein.
  • Nach dem wochenlangen Streit mit der Schwesterpartei mussten Zweifel an Führungsfähigkeit zerstreut werden .
  • Als Signal an die politischen Gegner hatte die Rede zudem kämpferisch zu sein.
Kernaussagen wurden gesucht:
  • Der Zwist ist beigelegt.
  • Wir schaffen Vertrauen.
  • Irritationen sind beseitiget.
Ende Oktober begann man mit einem Brainstorming.

Nach "Welt am Sonntag" spannte sie dazu den ganzen Mitarbeiterstab ein. Anwesend waren die Mitarbeiter der Planungs- und der Strategieabteilung im Adenauerhaus, sowie enge Mitarbeiter und Vertraute. Seit diesem Start kam es beinahe täglich zu neuen Redeentwürfen, an manchen Tagen sogar mehrere.

Per Telefon, Fax, Email oder SMS gab Merkel Änderungswünsche weiter. Das endgültige Manuskript lag erst kurz vor Redebeginn, am 6. Dezember fest.
Die Eckpunkte waren fixiert:
  1. Der Schwesternstreit ist vorbei. Es gilt zu betonen, dass der Zwist auch fruchtbar gewesen war.
  2. Die CDU ist die Reformatorpartei, die die CSU voranbrachte.
  3. Der Reformprozess steht jedoch erst am Anfang.
  4. Überhöhte Vokabeln zu Nation und Patriotismus wie Formulierungen, wie "Schicksalsgemeinschaft von 80 Millionen Menschen" oder "Liebe zum eigenen Land" wurden eingebaut.
  5. Mit den patriotischen Tönen sollte den Parteivorstände die Möglichkeit geboten werden, Einigkeit zu zeigen.


Reaktionen auf die Rede

Wir verzichten auf eine Analyse des Auftrittes. Die Medienechos zeigen aber, dass die vorbereiteten Kernaussgen der Rede die Gegenseite aus dem Busch klopfte. Die Kritik gegen patriotischen Töne von der Grünroten Seite machen bewusst, dass die Rede auch Wirkung zeigte:
  • Die SPD und die Grünen haben die Patriotismusdebatte in der Union hart kritisiert. Wer das Land wie die CDU schlecht rede und Reformen nicht mittrage, der sei unpatriotisch, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter nach der Rede. Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck sagte, es gehöre "eine unglaubliche Dreistigkeit dazu, auf dem CDU-Parteitag so zu tun, als habe die CDU die moralisch-politische Kraft und Grundlage für eine solche Diskussion". Wenn die Union etwas von Moral verstehe, dann nur von Doppelmoral.
  • Die FDP will sich als Koalitionspartner für die Union profilieren. Die Union brauche einen starken Reformpartner, um den Politikwechsel vorzubereiten, sagte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper nach der Wiederwahl Merkels. Merkel habe sich beim CDU-Parteitag für eine marktwirtschaftliche Erneuerung ausgesprochen. Nun müsse die Union beweisen, dass ihr Kurs nicht wieder einer sei, "der von zähen Personaldiskussionen durchkreuzt wird". Darüber hinaus begrüsse es die FDP, wenn sich die grossen konservativen Parteien mit den "Werten unseres Landes beschäftigen", sagte Pieper. Es sei allerdings falsch, wenn die Konservativen dieses Feld allein besetzten. Patriotismus sei nicht Sache einer Partei oder einer Imagekampagne, sondern vielmehr Ausdrucksform von modernem Leben.
  • Die Grünen warfen der Oppositionspartei vor, ideologisch aufzurüsten und den Patriotismus-Begriff zu "verhunzen". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf der CDU soziale Kälte und unpatriotisches Verhalten vor. Die Patriotismusdebatte, wie sie von der CDU geführt werde, grenze aus. Sie finde, Deutschland müsse die Heimat von Menschen sein, die hier lebten - "auch von denen, deren Grosseltern aus der Türkei kommen". Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kritisierte Merkels Äusserungen zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften im Erbrecht. Damit komme Merkel drei Jahre zu spät, da die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Erbrecht grundsätzlich bereits seit 2001 gelte.




Nachtrag vom 7. Dezember 2004. Obschon wir in diesem Fall auf eine nachträgliche Analyse der Rede Merkels verzichtet hatten, gestatten wir uns dennoch eine kurze Bemerkung zum effektiv gehaltenen Referat:

Uns fehlte die Wärme - die "wärmende Rhetorik" bei der Merkel Rede. Wir zweifeln daran, dass der gut vorbereitete Auftritt die Herzen des Publikums erwärmt hat. Eine noch so gute Vorbereitung nützt wenig, wenn beim Auftritt das Feuer der Begeisterung fehlt. Kriegerisches Vokabular allein genügt nicht.

Wir können beim Publikum kein Feuer entzünden, wenn in uns kein echtes Feuer brennt!


Die aktuellen Medienechos bestätigen diese Wahrnehmung.




Nachtrag vom 12. Dezember: Obschon die lange Rede Merkels vor laufender Kamera Schwung hatte, passierte es: Merkel stolperte über eine Wendung in ihrem Manuskript, brach kurz ein, verstummte und sagte im Anflug von Verzweiflung irgend etwas. Es klang nach "Pulla-pulla". Es war französisch und hätte "L'art pour l'art" lauten sollen. Das Fernsehen ist unbarmherzig. Es speichert alles. Für die Witzbolde ist dies eine herrliche Fundgrube. In dieser Branche ist eine der führenden Firmen "Brainpool". Sie hat ihren Sitz in Köln Mülheim. Emsige Sichter verbringen die Arbeitstage damit, die schlimmsten Pannen, die in Sendungen vorkommen, zu sammeln. Auch das "Pulla-pulla" von Frau Merkel wurde entdeckt und Stefan Raab weitergereicht. Raab selbst bezeichnet sich als Kaiser der Witzhierarchie und fand:

"Wenn jemand auf neunmalklug machen will, darf man's eben nicht verwuppern."


Frau Merkels groteske Floskel war für ihn ein gefundenes Fressen. Er zeigte am Dienstag im TV- Total einen ironischen Kommentar zum entsprechenden grotesken Filmausschnitt und grinste in gewohnter Manie dazu. Raab lebt vom "Lächerlichmachen". Das kommt beim Publikum gut an, weil Gelächter provoziert wird und Lachen bekanntlich entspannt.



Bei Blödeleien und Witz sollten aber nie alle Mittel recht sein. Schade, dass dies bei Stefan Raab der Fall ist. Er lässt es leider nicht bei derart lustigen Blödeleien bewenden wie beim Verulken des Versprechers. Raab liebt Zotereien. Er besuchte den Frauen - Kegelverein mit dem Namen "Die Muschis" und ist auch sonst bereit für jeden "Scheiss".




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