Rhetorik.ch


Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com

www.rhetorik.ch aktuell: (7. Dezember. 2002)

Das Lachen der neuen Bundesrätin

siehe Fortsetzung

Calmy-rey lachen

"Freundlichkeit weckt Freundlichkeit"

ist ein altbewährter Kommunikationsgrundsatz der auch für Micheline Calmy-Rey, die neue Schweizer Bundesrätin gilt. Micheline Calmy-Reys Markenzeichen ist ein Lachen, das immer wieder das ganze Gesicht "besetzt". Micheline Calmy-Rey wird nach Elisabeth Kopp, Ruth Dreifuss und Ruth Metzler die vierte Bundesrätin der Schweiz.
Calmy-rey lachen


Im Vorfeld der Wahl vom 4. Dezember ärgerten wir uns mit anderen Experten über die zahlreichen fahrlässigen Versuche, Äusserlichkeiten der Bundesratkandidatinnen wie, Frisur, Foulards, Aufmachung, Kleiderfarbe oder Augenfarbe zu thematisieren. In Beiträgen wie distanzierten wir uns von allen Versuchen, Menschen fahrlässig auf unwesentliche Äusserlichkeiten zu reduzieren. Beispiel: Warum sie denn in Rot und Weiss angezogen sei, will man von ihr wissen, müsse man das symbolisch lesen, gleichsam als zurechtgeschneiderte Schweizer Fahne? Nein, sagt sie lächelnd, das sei ihr erst nachher bewusst geworden; "ich fand in diesem Moment einfach, dass Rot mir steht".


Wenn wir mit einigen Gedanken auf das Lachen der neuen Bundesrätin eingehen, so beabsichtigen wir lediglich, unsere Wahrnehmung zu schulen und durch genaues Beschreiben von Beobachtungen gewisse Phänomene der nonverbalen Kommunikation bewusster zu machen. Uns geht es hier auch nicht darum, die neue Magistratin zu beurteilen, weder politisch noch rhetorisch.
Tagelang lächelte Micheline Calmy-Rey vor der Wahl in ungezählte Kameras. Die Genferin erwarb sich dadurch viel Sympathie. Am Wahltag hingegen war ihr die Anspannung der letzten Tage ins Gesicht geschrieben. Samy Molchos These: "Der Körper lügt nicht" trifft auch bei der neuen Bundesrätin zu.
Wichtig ist immer, wie ein Mensch auf andere wirkt, nicht seine Meinung über sich selbst. Molcho ist der Auffassung, dass ein Mensch erst dann etwas ändern muss, wenn das, was er meint, nicht mit dem, wie er wirkt.
Wir hatten das Gefühl, die neue Bundesrätin habe sich am Abend nach dem "Kampf" und "Wahlmarathon" tatsächlich so gefühlt, wie sie im Fernsehen (10 vor 10) in der Schlussrunde gewirkt hat. Wir hatten den Eindruck, dass das äussere Bild der inneren Stimmung der Kandidatin entsprochen hat.


Wenn die innere Stimmung mit dem Verhalten übereinstimmt, stimmt jeder Kommunikationsprozess.


Die neue Bundesrätin erdete mit den Armen auf den Oberschenkeln. Der Oberkörper war nach vorn gebeugt - etwas in sich zusammengefallen. Das typische Lachen dominierte nicht mehr.
In den Medien wurde die Genfer Finanzdirektorin überall als charmant und sympathisch beschrieben. Ihr Lachen, das in jeder Situation dominiert, wirkte für die meisten Adressaten positiv. Wer sich jedoch mit dem Phänomen Lachen, Lächeln auseinandersetzt, erkennt, dass das Lachen auch eine Möglichkeit sein kann, auf freundliche Art die Zähne zu zeigen.

Die 57 jährige Finanzexpertin Calmy-Rey hatte in Genf der Ruf einer eisernen Lady. Manche nannten sie sogar "Cruella", ein Übername, den sie 1990 beim Anführen der die Opposition gegen die bürgerliche Regierung bekommen hatte. Ihr Lachen darf gewiss nicht als "abschwächendes Verhalten" oder "Verlegenheitslachen" gewertet werden. Die Bundesratskandidatin beschwerte sich in einem Gespräch im Vorfeld der Wahlen, dass ihr das Ettikett der "Grausamen" mehrfach kolportiert worden war. Sie sei dadurch nur noch auf ihre Hartnäckigkeit reduziert worden und damit sei das Charisma ausgeblendet worden. Wir haben mit einer kleinen Umfrage die Wirkung ihres Lachens bei Fernsehkonsumenten erkundet. Das Resultat ist aufschlussreich:

  • Das Lachen wirkt für einige zu aufgesetzt, zu starr
  • Das Lachen ist ein erworbenes Ritual, meinten andere
  • Die Lachfalten beweisen, dass die Politikerin oft lacht. (Das Gesicht als Landkarte der Seele).
  • Das Lachen geht auch in die Augenpartie und ist nicht mit dem "Say Cheese-lachen" einer Frau Fielding Borer vergleichbar.
  • Das Lachen ist antrainiert und gleichsam eine Maske (sagt eine Minderheit).
  • Das Lachen ist echt und kommt von innen.
  • Das Lachen ist ein persönliches Markenzeichen (wird oft erwähnt).


Wir glauben, die neue Bundesrätin trotz des dominierenden Lachens Biss zeigen wird und bei politischen Anliegen Durchsetzungsvermögen beweisen wird. Wir werden sicherlich eine Bundesrätin erleben, die wie Frau Dreifuss bei der Krankenversicherung ihre politischen Anliegen durchsetzen wird. Es wäre naiv, ihr Lachen als Schwäche interpretieren zu wollen.


Ruth Dreifuss Übrigens: Dass sich Politiker von Äusserlichkeiten stark beeinflussen lassen, bewies auch die Wirkung der mütterlich, "bieder" wirkenden Bundesrätin Ruth Dreifuss. Die melodiöse, ruhige, sonore Stimme täuschte. Bundesrätin Dreifuss vertrat eisern und "knallhart" ihre Anliegen der sozialen Gerechtigkeit und des Ausgleichs. Sie überstand alle Angriffe und jeden Gegenwind unbeschadet. Rückblickend hat sie mit ihrer "landesmütterlichen" Art mehr erreicht, als eine militante "Kampfrhetorikerin".


Unsere Prognose: Wir sind überzeugt, dass auch die neue Bundesrätin mit ihrem Charme - als liebevolle "Grand-mama" - den bürgerlichen Politikern Zustimmung zu vielen konkrete Anliegen der Sozialdemokratie (Krippenplätze, Mutterschaftsversicherung, das Bezahlen der Krankenkassenprämien über Steuerprozente usw.) in kürzester Zeit abringen wird.

Calmy-Rey mit Grosskind PS: Ob die neue Bundesrätin ihren Plan, jeden Samstag - trotz der enormen Belastung - für die Enkelkinder da sein zu können, tatsächlich umsetzen kann, bezweifeln wir. Aber vielleicht lebt Micheline Calmy-Rey bereits mit den wichtigsten Prinzipien des Zeitmanagements.


Links zur Thematik



Nachtrag Aktuell vom 8. Dezember.
Die frischgebackene Bundesrätin bewies nach wenigen Stunden, dass sie das Harvard Prinzip kennt, und damit Hartnäckigkeit in der Sache und Freundlichkeit mit Personen unter einen Hut bringen kann. Bei Kommunikationsprozessen ist es etwas vom Schwierigsten, einzusehen, dass das "Verstehen der Kontrahenten" etwas anderes bedeutet als das "Einverstandensein mit seinen Gedanken". In einem Interview in der Sonntags Zeitung vom 8. Dezember bekannte Micheline Calmy-Rey:
Eine Frau kann nicht einfach auf den Tisch hauen und sagen: "So ist es jetzt!" Das funktioniert vielleicht bei einem Mann. Macht ist viel komplexer. Frauen müssen Macht anders ausüben. Wir Frauen wissen, wie man Harmonie schafft und Streit schlichtet. Das ist eine Art von Management, die wir verinnerlicht haben. Die bringen wir mit in die Politik ein.


"Streng aber menschlich" titelt die Sonntagszeitung vom 8. Dezember den Beitrag über Micheline Calmy-Rey. Die neue Bundesrätin lasse niemanden unberührt. Sie könne hart sein, bleibe jedoch immer charmant. In Genf hinterliess die Finanzdirektorin den Ruf als gut organisierte, disziplinierte, ehrgeizige, perfektionistische arbeitsame und führungsstarke Person. Die neue Bundesrätin werde ungeduldig, wenn sie auf Fragen nicht postwendend Antworten erhalte. Der einzige Fehler der Politikerin sei die übertriebene Genauigkeit. Die Dialektik zwischen Strenge sowie Charme und Menschlichkeit sei tief in Calmy-Reys Wesen verankert, sagt Staatsschreiber Hensler. "Entweder schätzt man sie bis in den Tod", meint er. "Oder man verabscheut sie und wünscht ihren - politischen Tod."
Wir haben die Bundesrätin in der Arena vom 6. Dezember mitverfolgt. Eine Frage des Journalisten konterte die Bundesrätin mit der schroffen Bemerkung:

"Dies ist eine dumme Frage!"


Hier war die frischgewählte Magistratin recht mutig und erntete beim Publikum Applaus. Obschon wir auch Journalisten gegenüber hart sein dürfen, ging uns diese Antwort doch zu weit.

Die Antwort verstösst gegen das Prinzip der Medienrhetorik, Fragen von Journalisten nicht zu qualifizieren. Mit der Wertung "dumm" wird der Journalist als Person abgewertet. Somit wurde leider bei dieser Antwort das Harvard-Prinzip nicht angewandt.


Die Bundesrätin hätte mit der Antwort zeigen können, dass die Frage dumm sein kann. Oder: Sie hätte mit einer Klärungsfrage dem Journalisten zeigen können, dass die Frage unangemessen ist.


Rhetorik.ch 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com