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www.rhetorik.ch aktuell: (30. August, 2003)

Guter Einfall oder Reinfall mit Bildern am Rheinfall?



Rheinfallbeleuchtung, Foto Max Baumann Auf für die im Frühjahr 2002 erfolgte Beerdigung des Projektes Magic Pack versuchten Kunstschaffende am 1. August anlässlich des Rheinfallbeleuchtung ein weiteres Spektakel aufzugleisen. Ein Lichtbildner versuchte den Rheinfall nach seinem Gusto zu "illuminieren". Die Bilder gingen jedoch im Pulverdunst des prächtigen Feuerwerks unter und war für zahlreiche Besucher in Vergleich zum recht aufwendigen Feuerwerk ein Reinfall.
Eine neue Performance wurde für September geplant. Die gross angekündigte Aktion unter dem Titel "Festifall" (die "Schaffhauser Nachrichten" schrieb am 30. August recht kritisch von einem etwas einfältigen Titel) erhoffte man sich, die Folge der Reinfälle stoppen zu können.


Rheinfall im August 2003, photo: SN Tagsüber und nachts soll nach "Schaffhauser Nachrichten" das Rheinfallbecken von "berauschenden Bildern und Literatur" erfüllt werden. Besungen wird, vom halben Nationalzirkus der laser-gestützen Kunstszene, "der Fluss und das Nirgendwo". Nach der selbstbewussten Ankündigung der Veranstalter soll es sogar nächstes Jahr in diesem Stil weitergehen. Der Rheinfall ist leider noch nie so unattraktiv wie in diesen Tagen.
Damit ist der dritte Reinfall am Rheinfall bereits vorprogrammiert. Der Wasservorhang - als "Leinwand" - besteht nämlich zum grossen Teil nur noch aus Felsen.
Es bleibt zu hoffen, dass die kreativen Macher auch dieses Problem meistern werden. Wir werden später auch über dieses "Festi-fall" am Rheinfall berichten.


Kanufahrer, Foto: Stephan Holenstein Inzwischen nutzten Kajakfahrer den enorm tiefen Wasserstand. Es gelang ihnen, den Rheinfall per Kajak zu bezwingen. Diese illegale und waghalsige Tat wurde somit nebst dem grossartigen Feuerwerk zum erfolgreichsten Event dieses Jahres, das sicherlich nicht mehr als Reinfall bezeichnet werden darf. Die Kajakfahrer waren jedoch keine Künstler - oder doch?






Nachtrag vom 5. September. In den Medienechos dominierten Wortkaskaden vor dem spärlichen Wasserfall Vor der Festifall fand Hans Minger von der Pro Natura in einem Leserbrief die geplanten Events einen "einfältigen Missbrauch". Die Kunstszene sei durch die Lichtspielereien ebenso wenig begeistert, wie die Natur selbst. Er verurteilte jede deplatzierten Betriebsamkeiten am Rheinfall und forderte einen umfassenden Schutz des Naturwunders. Im Gegensatz zum SIG Kunstwerk am Rheinfall konnte trotz kritischer Stimmen das "Festifall" realisiert werden. Die Veranstaltung liess sich dank einer Beteiligung des Kantons Aargaus zum Anlass seiner 200-Jahr Feierlichkeiten realisieren. Der Kanton Aargau zahlte immerhin 60'000 Fr. an die aufwendige Veranstaltung.
Festifall Im Prospekt wurde angekündigt, dass am Abend die fallenden Wassermassen die Videoprojektionen zu einem einmaligen Schauspiel machen werden. Ein mächtiger kraftvolle Rheinfall war als Projektionsfläche vorgesehen. Dass die Projektionsflächen durch den Wassermangel gleichsam nur noch auf eine Rheinfallhälfte reduziert wurden und viele Bilder nur zu Felsenbildern verkamen, damit konnten die Veranstalter nicht rechnen. Ob dies mit ein Grund war, dass der grosse Publikumsaufmarsch ausblieb und die Securitas kaum den Verkehr regeln musste? Im Medienspiegel wurden vor allem die Wortkaskaden und das Literaturboot kommentiert.
Die Schaffhauser Nachrichten begründeten ferner, weshalb der Kanton Aargau am Rheinfall feiern "musste". Zur aussergewöhlichen Begegnung von Kunst und Natur erschien der Ehrengast Roger de Weck. Er war der grosse Kämpfer für den Verbleib des umstrittenen Schauspieldirektors Marthaler. Weck betonte das Verbindende der Veranstaltung: Die Verbindung zwischen Natur- Kunst zwischen den Kantonen sowie zwischen den Grenzen Deutschlands und der Schweiz. Roger de Weck

Das Experiment am Rheinfall erinnerte uns auch an innovative Veranstaltungen der EXPO. Tatsächlich gehört das Event "Festifall" in die Problematik Kunst und Kunden.
Will das Festifall nicht nur als "Zweitagsfliege" in die Geschichte eingehen, so wird es künftighin nicht ohne finanzielle Mittel gehen. Es braucht zwangläufig eine Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Ob sich nach der Pilotveranstaltung künftig Sponsoren finden lassen, dies steht auf einem anderen Blatt. Übrigens: Im Gegensatz zu den umstrittenen Projektionen, anlässlich der Rheinfallbeleuchtung, garantierten beim Festifall unsere Partner "Eclipse Film" mit Michael und Faro Burtscher eine professionellere "Projektion" der "Rheinfall-Felsen" Bilder.


Nachtrag vom 7. Sept. Nachlese
Am 6. Sept stellte Radio Munot in einer Umfrage fest, dass das Echo beim Publikum zu den Präsentationen geteilt war. Einige fanden die Projektionen unverständlich und wirr. Sie seien ein Durcheinander. Obschon die Tonübertragung rund ums Rheinfallbecken hervorragend funktioniert hatte, wurden auch die Klangbilder hinterfragt. Viele erwarteten scharfe Bilder am "Wasservorhang". Obwohl die Gischt zwangläufig die Schärfe nehmen musste, wurden die "verschwommenen" Bilder beanstandet. Wir haben die nächtlichen Projektionen selbst mitverfolgt und finden: Mit einer professionellen Moderation oder einer fachkundigen Erläuterung der Beiträge hätte mit wenig Aufwand eine Brücke zu der interessierten Besuchergruppe geschaffen werden können. Gewiss werden die Veranstalter Lehren aus dem ersten Versuch ziehen.

Ein medienrhetorischer Reinfall
Beat Toniolo Das Statement im Radio Munot von Beat Toniolo - der treibenden Kraft des Festifalls - war ein Lehrstück, wie man als Veranstalter auf Kritik nicht reagieren darf. Obschon am 1. August Toniolos Idee kopiert ("geklaut" und vorweggenommen) worden war, hätte Toniolo die Mikrofonpräsenz nicht dazu nutzen dürfen, in ungehaltenem, gehässigem Ton, das Verhalten der Konkurrenz als unverschämt und unfair zu bezeichnen. Die Art und Weise, wie er sich seinem Unmut Platz schaffte, war äusserst ungeschickt. Obschon die Wut nachvollzogen werden kann, war das Statement für die Veranstaltung letztlich kontraproduktiv. Anstatt über der Sache zu stehen und den Sachverhalt ruhig zu schildern und die eigene Kernaussagen zu "verkaufen", wirkte das gereizte Verhalten wie eine Projektion auf einen Sündenbock. Es wirkte so, als habe Toniolo nur deshalb so unwillig reagiert, weil der Publikumsaufmarsch ausgeblieben war und verschiedentlich Kritik geäussert worden war. (Die ganze Veranstaltung sei etwas zu beliebig, es fehle der rote Faden und alles erinnere an typische Expo-Präsentationen - über den Köpfen des Publikums hinweg). Mit dem ungeschickten medienrhetorischen Verhalten hat somit Tognolo allen Künstlern geschadet. Sollte es nämlich zu einer Folgeveranstaltung kommen, geht es nicht ohne Akzeptanz des Publikums. Fehlt diese Akzeptanz, finden sich auch keine Sponsoren, die bereit sind, für Kunst Geld zu investieren. Und: Ohne Geld ist eine derartige Veranstaltung nicht durchführbar.


Im Zusammenhang mit der Frage, wer eigentlich welche Idee zuerst präsentiert hatte, recherchierten wir die Fakten:
  • November 1999: Beat Toniolo stellt im Vorfeld der Feier "SH 500" ein Kunstprojekt am Rheinfall vor (Planen 12x7 Meter mit Texten). Das Projekt kommt wegen fehlender Unterstützung und technischen Problemen nicht zur Realisierung.
  • 17.April 2002: Richard Tisserand informiert über sein heute sehr bekanntes Kunstprojekt am Rheinfall. MagicPack (Verhüllung der Rheinfallfelsens mit einer temporären Licht-Wasser-Skulptur) sorgt für grosses Medieninteresse und löst in der breiten Bevölkerung die Frage nach der Existenzberechtigung von Kunst in einem Naturobjekt wie dem Rheinfall aus. (*)
  • Anfang Mai 2002: Beat Toniolo tritt im Fahrtwasser der Diskussion um MagicPack an die SIG heran, um mit einem alternativen Projekt zu MagicPack den Rheinfall zu inszenieren. Dabei handelt es sich wie bei MagicPack um eine Licht-Inszenierung. Wer kopierte wen?
(*) Die negative Beurteilung der Eidgenössischen Natur- und heimatschutzkommisission (ENHK) veranlasst den Sponsor der Kunstprojekts, die SIG, das Projekt nicht mehr als Jubiläumsanlass zu verfolgen.


Nachtrag vom 11. September, 2003: Nachträgliche Festifall- Kritik
Projektion im Projekt Festifall In einer Nachlese der "Rheinfall-Woche" lasen wir recht kritische Gedanken:

"Viel Fantasie und Ausharrungsvermögen brauchte es, um einige der Videoprojektionen zu enträtseln. Oefter bildeten die musikalische Begleitung oder der Lichtzauber das Highlight, obwohl die Stepperinnen oder die Lorelei einen sehr wohl in den Bann ziehen konnten. Die künstlerischen Exerimente erforderten Goodwill und wurden nicht von jedermann verstanden, Wenn das nächste "Festifall" höhere Wellen schlagen soll, dann müssten Organisation und Werbung optimiert werden - viele wussten nichts vom Festival."


Noch kritischer äusserte sich die "Arbeiter Zeitung" vom 11. September unter dem bissigen Titel: "Am schönsten war die Stille":

"Die Enttäuschung folgte am Abend. Die Qualität der auf den Rheinfall projizierten Videos blieb weit hinter dem Versprochenen zurück. Die penetrante Einblendung de Sponsoren riss zusätzlich an den Nerven. Am eindrücklichsten wars, wenn die Lautsprecher und Projektoren für einmal Pause machten. Dann hörte man den Rheinfall im Dunkeln donnern."


Aus unserer Sicht wird der Initiant der Veranstaltung - Beat Toniolo - gewiss selbst auch noch über die Bücher gehen. Sonst wäre dies sein letzter grosser Event am Rheinfall gewesen.
Sicherlich wird er bei einer allfälligen Wiederholung nicht mehr den gravierenden Fehler machen, vor den Medien von 6000 Besuchern zu reden. Ohne diese Ankündigung hätten die bescheidenen Besuchergruppen weniger dürftig gewirkt.
Leserbrief in Rheinfallwoche


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