Rhetorik.ch |
|
Knill.com |
---|
|
Münteferings Klage löste einen grösseren Wirbel aus. Dank der unbedachten Strafanzeige gegen die "Bild" Zeitung konnte deren Redaktion tagelang mit Leserbriefen, Kommentaren und Schlagzeilen den Politiker angreifen. Die "Bild" Zeitung nutzte natürlich die Gelegenheit, die unbedachte Anzeige als Attacke gegen die Pressefreiheit auszuschlachten. Es kam aber sehr rasch zu einer Solidarisierung der Journalisten gegen Müntefering. Der Angriff wurde zu einem Bumerang. Nicht nur führende Chefredakteure (wie z.B. vom Spiegel oder vom Fokus) kritisierten den juristischen Schritt. Auch Bundestagspräsident Thierse von der SPD distanzierte sich von Münteferings Anzeige.
Der Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung", Hans Werner Kilz fand, Franz Müntefering sei schlecht beraten gewesen. Tatsächlich zeigten die Untersuchungen auch nach einigen Tagen, dass es ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft Lufthansa gewesen war, der die Angaben über die Gratisflüge weitergeleitet habe.
Nach Bekanntwerden des Sachverhaltes blieb Müntefering nichts anderes übrig, als seine Strafanzeige gegen "Bild" zurückzunehmen. Dieser Kurswechsel, war sicherlich vernünftig. Das Einlenken wurde von den verschiedensten Seiten begrüsst. Das unbedachte Anlegen mit der "Bild" Zeitung hat sich aber für ihn sicher nicht gelohnt. Wer sich vorschnell gegen ein verbreitetes Medium anlegt, macht einen Fehler. Wir verweisen auf den Angriff Borers gegen Michael Ringier am Anfang der Krise. Hätte Botschafter Borer damals zuerst den Sachverhalt geklärt, wäre die Sache wahrscheinlich anders gelaufen.
|
Nachtrag vom 22. August, Auch Doris Schröder-Köpf kritisiert "Bild". Wir vertreten die Meinung, dass man sich bei Ungerechtigkeiten wehren soll. Doch kommt es immer auf das "Wie" und die "Situation" an. Die Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf hat in einem offenen Brief der "Bild" Zeitung "Schmutzjournalismus" und "Demokratieverachtung" vorgeworfen. Der Grund: Der "Bild" Kolumnist Franz-Josef Wagner hatte die Wahlkampfauftritte von Politikern im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe kritisiert: Zitat: "Sollen die Politiker ruhig ihre Wasser-Wahlreden halten. Wir Deutschen helfen uns ganz persönlich, von Mensch zu Mensch...". Ob der Kommentar gut oder ungeschickt war, sei an dieser Stelle dahingestellt. Nach unserer Meinung war auch in dieser Situation das Verhalten der Kanzlergemahlin kurz vor den Wahlen ungeschickt. Wie bei Franz Müntefering musste Doris Schöder-Köpf mit einer heftigen Reaktion der Journalisten rechnen. An Kritik fehlte es nicht.
Im TV Duell sagte Kanzler Schröder, der Engriff seiner Frau sei eine legale Handlung einer selbständigen emanzipierten modernen Frau gesehen. |
Nachtrag vom 31. August, 2002, Bei den Medien gilt der
Grundsatz "gesagt = gespeichert". In einem früheren Beitrag im "Stern" sagte die Kanzlergattin über ihren Einfluss auf die Politik des Kanzlers: "mich gibt's praktisch nicht." Damals gab sich Doris Schröder-Köpf als zurückhaltende Frau im Hintergrund, die sich nicht in die politischen Themen des Mannes einmischt. Nachdem sie der "Bild"-Zeitung persönlich einer Kampagne gegen ihren Mann unterstellt hatte, stimmte die früher geäusserte Meinung nicht mehr mit dem jetzigen Verhalten überein. Kaum jemand wird das bemerkt haben. Leser haben in der Regel ein kurzes Gedächtnis. In unseren Seminarien staunen jeweils viele Teilnehmer, über das "gutes Gedächtnis" von Journalisten.
In der Schweiz ist ungefähr seit 1980 alles registriert, was in den wichtigsten Medien veröffentlicht wurde. Nur Journalisten haben jedoch im Allgemeinen Zugriff auf diese interne Datenbank. Jedenfalls wiesen bei Fall von Doris Schröder Journalisten der Illustrierten "Max" sofort auf das widersprüchliche Verhalten hin und doppelten in der Ausgabe mit einer wenig schmeichelhaften Photomontage (Kanzlergattin mit Pinoccio-Nase) nach. Der Zwischentitel war: Warum hat Doris Schröder-Köpf gelogen? Auch diese Provokation mittels Persönlichkeitsverletzung war natürlich gewollt. Der Frage, ob bei einem derartigen Bild eine Ehrverletzungsklage sinnvoll wäre, müssten Medienjuristen beantworten. Dass jedoch eine zusätzliche Mediengeschichte in den Wochen vor der Wahl nur noch kontraproduktiv wäre, wusste die Redaktion der Zeitschrift "Max" sicherlich und kostete dankbar den Fehler der Kanzlergattin aus. |
Rhetorik.ch | 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung | Knill.com |
---|