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www.rhetorik.ch aktuell: (21. April, 2002)


Braucht Thomas Gottschalk einen Gagschreiber?


Thomas Gottschalk müsste im Grunde nicht mehr arbeiten. Jahrelang verdiente er, dank hoher Einschaltquoten, recht viel. Jährlich allein durch Werbung 12,5 Millionen D Mark. Es wird vermutet, dass er heute 150 Millionen auf der hohen Kante hat. Nachdem nun plötzlich Markus Schächter - der Chef Gottschalks als ZDF Intendant - den 51 jährigen, erfolgreichen Showmaster kritisierte und ihm einen Gagschreiber aufbrummen wollte, kam es in den Medien zu einer sonderbaren Eigendynamik. Die Kritik von oben wurde überall thematisiert und die Qualität des Moderators offen diskutiert.

  • Wird die Show nur noch runtergerasselt?
  • Ist die Sendung abgegriffen oder langweilig geworden?
  • Verliert der Showmaster das junge Publikum?
Uns interessierte es, zu beobachten, wie ein Medienprofi reagiert, wenn er selbst bei den Medien plötzlich im Gegenwind steht. Erstaunlich war das Phänomen, dass nach offener Kritik des Intendanten auch die Presse mitspielte. Die "Frankfurter Allgemeine" spottete am 4.3.02: Gottschalk sei frührer einmal witzig gewesen. Dem nicht genug. Formulierungen des angeblichen Gottschalk "Gebabbels" wurden wortwörtlich abgedruckt. Zum Beispiel die folgende Äusserung des Moderators: "Das ist nun etwas, wenn du also nun in Abrahams Schoss ruhst. Es gibt ja auch Anschlussgeschichten, wo sozusagen, also dann, nee, du bist ein Pfeiffenmann, gell." Nicht nur diese Formulierung eines gelernten Deutschlehrers wurde thematisiert. Die Öffentlichkeit begann sich zu ereifern, ob Gottschalk mit einer neuen Frisur oder mit einem neuen Schneider doch noch gerettet werden könnte.
Gottschalk reagierte verständlicherweise recht ungehalten und wehrte sich vehement gegen all die Versuche der indirekten Bevormundung.

"Ich brauche keinen Gagschreiber", liess er verlauten. "Ich lebe von meiner Spontaneität und meinem Wortwitz."


Der Medienprofi hat völlig recht, dass er sich nicht fremdbestimmen lässt.
Wenngleich nachgewiesen werden kann, dass selbst bekannte Entertainer mehrere Gagschreiber haben (z.B. Harald Schmidt), so schätzen wir es, wenn ein Showmaster auf seine eigenen Kreativität baut.
Dass Gottschalk durch und durch ein Profi ist, bewies er nun in letzten "Wetten-dass?" Sendung. Normalerweise bemüht sich eine Person, die kritisiert wird, nachher besonders geistreich zu sein. Der Auftritt wird dadurch künstlich und meist wesentlich verschlechtert. Vor allem deshalb, weil die kritisierte Person dem Publikum beweisen möchte, dass sie keinen zusätzlichen Gagschreiber braucht.
Thomas Gottschalk machte in der heiklen Situation genau das, was wir ihm auch empfohlen hätten:

Gottschalk blieb sich selbst treu und thematisierte das Thema Gagschreiber explizit vor laufender Kamera. Im Kommunikationsjargon heisst dies: Er ging auf die Metaebene und sprach über das, was beanstandet wurde. Hätte er nämlich den Problempunkt unterdrückt, ausgeklammert oder verdrängt, wäre der Druck nicht vermindert worden.


Gottschalk bewies beim konkreten Ansprechen des Gagschreiber-Themas zudem Humor. Er tat so, als sitze ein beauftragter Gagschreiber im Publikum. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Der Showmasters konnte sich entlasten und wirkte dadurch souverän und überlegen.

Links zum Thema

Zum Thema "Umgang mit Kritik" sind auch folgende rhetorik.ch Beiträge relevant.


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