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www.rhetorik.ch aktuell: (19. April 2003)

Der Sturz der Saddam Statue



Sturz von Hussein Symbolische Geschehnisse gibt es viele in der Geschichte. Oft sind es einzelne Bilder mit Fahnen (Beispiel Mount Saribachi in Iwo Jima im Pazifik am 19 Februar 1945), Statuen (Beispiel Stalin während der Ungarn Revolution), Gebäuden (Beispiel Evakuation der Saigon Botschaft oder WTC Zusammensturz) oder Mauern (Berliner Mauer) die die ein Ereignis representieren. Der Fall Husseins wurde bleibt ganz klar mit dem Niederreissen seiner Statue vom 9. April 2003 in Bagdad assoziiert. Während die symbolische Kraft dieser Bilder unumstritten ist, und die Bildwirkung auf Bildinterpretation und Assoziationen beruht, sind gewagte Parablen gefährlich.


Marines raising the American flag at the summit of 
     Mt. Suribachi (Feb. 23. 1945) during the battle for Iwo Jima, 
     Photocredit http://www.ibiscom.com/iwoflag.htm Das Bild vom 23. Februar 1945, das Amerikanische Soldaten auf der Insel Oio Jima zeigt, symbolisiert den Amerikanischen Sieg im Pazifik. Es wurde später wortwörtlich in Stein gehauen. Die GI's waren sich der Wichtigkeit der Situation bewusst. Eine erste Flagge die Stunden zuvor gehisst wurde galt als zu klein und wurde ersetzt. Tatsächlich wurde im Moment des Bildes auf der Insel noch stark gekämpft. Die Amerikanische Flagge auf der Bergspitze hatte aber eine demoralisierende Wirkung auf die Japaner. Demontage der Statue von Stalin im Oktober 1956,
     Photocredit http://www.slv.vic.gov.au Demontage der Statue von Stalin im Oktober 1956,
     Photocredit http://www.reubenfowkes.net/papers/Hungary Während der Ungarischen Revolution im Oktober 1956 spielte die Demontage der Budapester Stalin Statue vom 8. November 1956 eine grosse Rolle. Stalinstatuen waren auch in Deutschland errichtet worden. Einer davon, die 1961 abgebrochen wurde, wurde im Sommer 2002 während einer Ausstellung das Ohr gestohlen. Demontage der Statue von Stalin im Oktober 1956,
     Photocredit http://www.slv.vic.gov.au April 29, 1975, Saigon, 
      American heli atop Saigon building, symbol for loss of war, Image source: NYT Bilder der Evakuation von Amerikanern und Bürgern anderer Nationen am 29. April 1975 gingen als Symbol für das Ende des Vietnamkrieges um die Welt. April 29, 1975, Saigon, Vietnamese enter the US Embassy
      to get to the helicopter pickup zone. Am 9. November 1989 wurde die Berliner 
     Mauer durchbrochen Am 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer durchbrochen. Bilder von jubelnden Menschen auf der Mauer nahe beim Brandenburgischen Tor gingen um die Welt. Am 9. November 1989 wurde die Berliner 
     Mauer durchbrochen 11. September 2001, 
      Der WTC Terrorakt Die einstürzenden WTC Türme traf die amerikanische Bevölkerung ins Mark. Der Terrorakt demütigte, bewirkte tiefgreifende Gesetzesänderungen und eine Änderung der amerikanischen Aussenpolitik mit zwei Kriegen in Afghanistan und im Irak. 11. September 2001,
      WTC Terrorakt.

Der Sturz

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Der Sturz der Saddamstatue inmitten von Bagdad am 9. April 2003 wurde zu einem Symbol des Sturzes des Saddamregims und der Anfang vom Ende des zweiten Golfkrieges. Die Bilder gingen sofort um die Welt. Auf dem Platz war sagar eine Live Webcamera installiert worden sodass die Öffentlichkeit beim Fall praktisch dabei sein konnte.

Ein Beispiel zur Bildwirkung

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Die USA erlebten am 11. September einen Schock. Das Bild der einstürzenden Türme einem wichtigen Symbol traf die Bevölkerung ins Mark. Der Terrorakt demütigte, Frust, Wut war verspürbar und Patriotismus machte sich breit. Diese Bilder wurden auf allen Kanälen mehrfach wiederholt und sind noch heute mehrfach auf dem Internet zu finden.
Es ist natürlich verständlich, wenn das Bild des stürzenden Husseins ebenfalls wiederholt wird. Denn dies ist Genugtuung, lindert offene Wunden und beeinflusst den noch nicht ganz fertigen Krieg. Es wurde deshalb alles getan, dieses Symbol zum wichtigsten Bild des Irakkrieges werden zu lassen. Allein durch die Wiederholung und dem entsprechenden Kommentar in den Medien wird es zu einem historischen Bild werden.
Die Wirkung und die Beeinflussungskraft von Bildern bei allen Kommunikationsprozessen ist bekannt: Jedes Bild weckt Assoziationen, die auch beeinflusst werden vom Vorwissen, der eigenen Einstellung und der jeweiligen Situation der Beobachter. So wie das Bild des Falles der Berliner Mauer unterschiedlich beurteilt wurde, so wird heute auch das Bild vom Sturz der Saddamfigur am 9. April in Bagdad unterschiedlich gewertet.
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Bildinterpretation

Bei der Interpretation von Bildern ist es ähnlich wie bei der Beurteilung der Körpersprache, wo die Gefahr der Pseudopsychologie besteht. Alleinseligmachenden Wertungen oder schablonenartige Interpretationen sind gefährlich. Ähnlich wie es Unsinn ist, eine rote Gravatte mit Aktivität oder Aggressivität gleichzusetzen, verschlänkte Arme als Beziehungssperre oder Abwehrhaltung zu interpretieren, kann man bei Bildern zu schnell auf gewagte Analogien kommen. Bei den Filmsequenzen vom Fall des Diktators kam es schnell zu Interpretationen. Dass die Statue des Diktator erst nach mehreren Anläufen heruntergerissen werden konnte, könne bedeuten, dass Hussein noch lange Widerstand leisten würde. Tatsächlich neigte sich die Statue langsam in die Horizontale und verharrte in dieser Position, ohne auf den Boden zu fallen = Saddam lebt als noch und wird uns noch lange beschäftigen.
Die Analogie, dass nur Gewalt die Statue endgültig zu Fall bringen konnte, wurde interpretiert, dass der Sturz wird nicht vom Volk getragen wird und der Diktator nicht durch fremde Gewalt vernichtet werden kann.

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Analogien

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Das Bild der fallenden Husseinstatue auf dem Saadun-Platz in Bagdad wurde schnell mit dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 verglichen. Wolfgang Thierse konterte in der "Welt" diesen Vergleich mit dem Argument:
  • Beim Fall der Berliner Mauer lagen keine Toten nebenan.
  • Wenn in der Ex-DDR oder den osteuropäischen Ländern damals Statuen vom Sockel gerissen wurden, haben das die Bürger selbst getan und nicht Truppen einer siegreichen Kriegspartei.
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Subjektive Interpretationen sind gängig und natürlich. Doch gilt es zu bedenken, dass erst die Summe zahlreicher individuellen Wahrnehmungen eine Annäherung an die "Wahrheit" ermöglicht. So gesehen, wird sich erst später zeigen, welchen Stellenwert das angeblich historische Bild haben wird, das uns veranschaulicht, wie die Statue des Diktators vom Sockel gerissen werden musste.


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Nachtrag: Neueres Hussein VideoTape
Noch ist immer unklar, ob Hussein noch lebt. Ein neuers Video soll ihn am 9. April in Bagdad gezeigt haben, am selben Tag, als seine Statue niedergerissen wurde. Das Video zeigt Hussein in der Pose der Statue.



Nachtrag vom 26. Mai, 2003: Wichtig bei Bildberichterstattungen: der Blickwinkel .



Die Medienberichterstattung des Sturzes der Saddam Statue wurde auch als arrangiertes Medienspektakel kritisiert bei dem Assoziationen zu früheren Ereignissen wie 1989, 1956, 1953 wachgerufen werden sollten. Bilder aus grösserer Distanz zeigen, dass höchstens 150 Leute beim Ereignis beteiligt waren. Der Statuensturz passierte auf einem fast menschenleeren Platz in der Nähe des Palestine Hotels, wo alle internationalen Medien einquartiert waren. Wie auch immer, die Geschichte zeigt, dass der Blickwinkel bei Berichterstattungen eine Rolle spielen kann.


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