Im Spiegel online vom 12. April, 2002 schreibt Lisa Erdmann:
"Es geht um eine Meldung der Nachrichtenagentur ddp, die am 23. Januar
2002 um 5:56 Uhr in den Redaktionen über die Ticker lief. Darin hatte sich
die Image-Beraterin Sabine Schwind von Egelstein über das gelungene
Auftreten und die gute Kleidung des Kanzlers ausgelassen. In einem
Nebensatz mahnte sie allerdings an, dass Schröders Glaubwürdigkeit
steigen würde, "wenn er sich die grauen Schläfen nicht wegtönen
würde." Das hat den Kanzler erzürnt. Er möchte erreichen, dass die
Agentur dieses nie, nie wieder schreibt und hat dazu eigens
eidesstattliche Versicherungen über die Echtheit seiner Haarfarbe bei
seinen Coiffeuren eingeholt. Zur Verteidigung seiner Rechte schickte
er seinen Vertrauensanwalt Michael Nesselhauf ins Rennen.
Die Agentur will die Behauptung der Dame auch gar nicht wiederholen.
Als der Kanzler sich ob der Meldung beschwerte, schickte ddp noch am
selben Tag eine Richtigstellung in Sachen Schröders Haare über die
Ticker. Doch Schröder wollte mehr: Die Agentur sollte eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschreiben. Das ging den
Journalisten denn doch zu weit. "Wenn der Kanzler meint, uns ein
Zitat, das nicht von uns stammt, verbieten zu können, ist das
presserechtlich äusserst bedenklich", sagte ddp-Chefredakteur Bernd von
Jutrczenka vor Beginn des Prozesses zum "Spiegel".
Der Anwalt der Nachrichtenagentur, Klaus Sedelmeier, erfahrener
Presserechtler, sieht eine Überspannung der Sorgfaltspflicht der
Journalisten. Der Mann hat sichtlich Spass an dem Verfahren.
"Eigentlich habe ich mich schon aus der Berufstätigkeit zurückgezogen.
Aber den Fall habe ich gern noch mal angefasst", erklärt er auf dem
Flur des Gerichts. Vor dem Richter legte er im Plauderton seine
Argumente dar: Es habe sich nur um einen Nebensatz gehandelt, und
niemand habe von den Redakteuren verlangen können, sich in dieser
Sache zur Überprüfung an den Kanzler zu wenden. "Er hat bemerkenswert
gefärbtes Haar, ... ich meine farbiges." Ausserdem sei ihm kürzlich
aufgefallen, als Schröder zu Gast bei Boulevard Bio war, dass die
Brauen viel heller seien als die Haare. Richter Buske liess jedoch
erkennen, dass er zusätzliche Recherchen vermisst und sprach von einer
rechtswidrigen Veröffentlichung.
Bei aller Feixerei geht es eben um Medienrecht. Wer unwahre Äusserungen
anderer verbreitet (darüber sind sich in diesem Fall beide Parteien
einig), kann sich nur dann erfolgreich gegen eine Unterlassungsklage
wehren, wenn er sich eindeutig und ernsthaft davon distanziert. Die
von ddp verschickte Richtigstellung bezeichnete Nesselhauf vor Gericht
als Witz. Die Nachrichtenagentur hafte für von ihr verbreitete
Inhalte, auch wenn es Äusserungen Dritter seien. Vorab hatte Nesselhauf
schon erklärt, dass es sich bei dem Vorwurf, Schröder färbe sich die
Haare, nicht um eine "Petitesse" handele. Es gehe um Glaubwürdigkeit.
Ein Urteil gab es in dieser Verhandlung nicht. Das Landgericht
vertagte die Entscheidung auf den 17. Mai. "Nach dem, was der
Vorsitzende gesagt hat, sind unsere Chancen hier sicherlich nicht so
gross," wertete Sedelmeier die Sitzung. Er kündigte an, notfalls bis
zum BGH in Karlsruhe zu ziehen. Und so könnte sich die Geschichte über
die Haarfarbe des Kanzlers, die Schröder nie wieder lesen wollte, noch
Monate hinziehen."
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Wir haben in verschiedenen Beiträgen darauf hingewiesen,
dass sich jeder so kleiden und sich so geben darf, wie er möchte.
Wir empfahlen lediglich: Es lohne sich, darauf zu achten, dass es dem
Betreffenden wohl ist in seiner Bekleidung und dass vor allem bei
Medienauftritten das Äussere zur persönlichen Rolle wie auch zur
jeweiligen Situation passsen sollte.
Wir haben zudem bei Borers Verhalten
mitverfolgen können, dass das Dementieren meist kontraproduktiv ist.
Dass bei Prominenten die Haartracht plötzlich zum Dauerthema werden
kann, zeigt sich immer wieder. (Cori, Merkel)
Derartige Diskussionen dürfen jedoch nie ernst genommen werden,
denn das auf dem Kopf ist, ist viel weniger wichtig, als das, was im Kopf ist.
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