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www.rhetorik.ch aktuell: (9. Apr. 2004)

Welteke eckt mit "der Welt" an



Ernst Welteke Uns erstaunten die verschiedenen Medienauftritte des Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke, nachdem ihm nachgewiesen werden konnte, dass er auf Kosten der Bundesbank teure Hotelaufenthalte und Opernbesuche für private Zwecke getätigt hatte. Anstatt die Schuld einzugestehen (siehe dazu Mea Culpa), war er nicht nur uneinsichtig, er fragte in überheblichen Ton:

"Soll ich das etwa selbst bezahlen?"


Bundesbankpräsident Ernst Welteke will sich trotz vehementer Kritik von allen Seiten nicht unterkriegen lassen. Nachdem er sich dem Wunsch der Regierung nach seinem Rücktritt verweigert und sein Amt lediglich ruhen lässt, geht er nun die Medien an und will sogar die Tageszeitung "Die Welt" verklagen. Gegen die "wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen" werde er anwaltlich vorgehen. Die "Welt" hatte in einem Artikel vom 8. April "der letzte Tanz" den Stein ins Rollen gebracht.


Auslöser des Streits um Welteke war eine Feier der Dresdner Bank anlässlich der Euro-Einführung in der Silvesternacht 2001. Das Institut hatte ihn und seine Familie für vier Tage im Berliner Luxus-Hotel Adlon am Brandenburger Tor untergebracht und die Kosten von 7661 Euro zunächst übernommen. Nachdem dies bekannt geworden war, hatte sich der Bundesbankchef mehrere Tage lang nicht entschuldigt. Der Bundesbank-Vorstand hat ihn nach einer siebenstündigen Sitzung aufgefordert, seine Ämter vorerst ruhen zu lassen. Bundesbankvizepräsident Jürgen Stark, der vorerst die Amtsgeschäfte des wegen einer Hotel-Affäre in der Kritik stehenden Notenbankchefs Ernst Welteke führt, hat die Bundesregierung mit deutlichen Worten kritisiert. Er sagte am 8. April im ZDF:

Juergen Stark
"Uns hat schon beeinträchtigt, dass in regelmäßigen Abständen Kommentare von Seiten Berlins und Erwartungen geäußert wurden, die man als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit der Bundesbank werten könnte",


Zugleich räumte Stark Versäumnisse bei der Reaktion auf die Vorwürfe gegen Welteke ein:

"Das Eingeständnis, dass Fehler begangen wurden und dass man eine Korrektur beabsichtigt, wäre zu Beginn der Angelegenheit hilfreicher gewesen."


Mit Blick auf die durch die Affäre ausgelösten Turbulenzen in der Notenbank sagte Stark, es gebe erhebliche Probleme, zur Sacharbeit zurück zu kehren. "Wir befinden uns nicht in einem Normalzustand." Dennoch sei die Bundesbank "voll funktions- und entscheidungsfähig". Zwischen Bundesregierung und Bundesbank ist ein handfester Streit über die weitere Zukunft von Welteke entbrannt.
"Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Bundesbankpräsident in seiner Verantwortung vor dem Amt und der Institution Bundesbank die notwendigen Konsequenzen ziehen wird"
erklärte das Finanzministerium am Mittwochabend. Auch die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittle gegen Welteke wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsnahme. Nach Informationen des "Spiegels" nahm Welteke die Einladungen anderer Noten- und Geschäftsbanken zu mehreren Wiener Opernbällen an und nutzte diese Besuche auch für private Zwecke.




Nachtrag vom 10. April, 2004
  • Im Streit um die Luxus-Sause von Bundesbank-Präsident Ernst Welteke im Berliner Hotel "Adlon" hat sich auch sein Sohn Hans zu Wort gemeldet - und den Familienausflug auf Kosten der Dresdner Bank verteidigt: "Wer die Reise bezahlen würde, war mir ziemlich schnuppe."
  • Nach Informationen des Nachrichten-Magazins "Focus" soll es sich bei den Enthüllungen in der Affäre um den Bundesbank-Präsidenten um eine gezielte Intrige aus dem Bundesfinanzministerium handeln: Die Bundesregierung wolle Welteke loswerden, weil der sich weigere, den gewaltigen Goldschatz der Bundesbank im Wert von rund 38 Milliarden Euro an den Finanzminister rauszugeben. Eichel wolle Teile des Goldschatzes verkaufen, um damit vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 und rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2006 eine großzügige Bildungsoffensive zu finanzieren. Der von der Bundesregierung als Welteke-Nachfolger favorisierte Staatssekretär Eichels, Caio Koch-Weser, wäre, so schreibt "Focus", dagegen bereit, den Goldschatz zu opfern und dem Finanzminister zur Verfügung zu stellen.
  • Weltekes Sparsamkeits-Sprüche:

    "Man muss ja nicht unbedingt Urlaub in den Rocky Mountains machen - die Kasseler Berge sind ja auch sehr reizvoll." (18. Mai 2000)
    "Die Einschnitte bei der Rente sind sozial gerecht" (25. Oktober 2003)
    "Wer heute die staatlichen Leistungen am geschicktesten ausnutzt und wer das meiste für sich herausholt, genießt fast schon das höchste Ansehen." (25. Oktober 2003)
    "Ich bin auch sehr dafür, die ganzen Sozialleistungen auf ihre Missbrauchsmöglichkeiten hin zu überprüfen. Wer am besten das soziale Netz ausnutzt, wird nicht mehr sozial sanktioniert." (11. Dezember 2002)
    "Ehrlichkeit wird honoriert." (18. September 2003)
    "Ich hatte schon früher den Ruf eines rigiden Finanzpolitikers. Als ich Haushaltssprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag war, haben meine Kollegen in der Fraktion das Wort " Geiz" immer so gesteigert: Geiz, Reitz, Welteke." (20. März 2000)
    "Die Menschen lesen doch jetzt schon in den Zeitungen..., dass wir... über unsere Verhältnisse leben." (18. September 2003)


Erkenntnis: Welteke müsste eigentlich wissen, dass beinahe jede veröffentlichte Aussage gespeichert bleibt und von Journalisten jederzeit abgerufen werden kann. Dass eine Führungspersönlichkeit auf der obersten Ebene medienrhetorisch immer noch ein "Analphabet" ist, wundert uns.


Die interne Revision der ehemaligen Währungshüter-Behörde prüft, ob auch andere hoch dotierte Mitglieder des achtköpfigen Bundesbank-Vorstands zu Unrecht Vortragshonorare und andere Vorteile angenommen haben. Aus dem Bundesfinanzministerium hiess es dazu: "Wir gehen davon aus, dass die Bundesbank, wie angekündigt, den Vorwürfen nachgeht." Für die Vorstände gilt wie für den unter Beschuss geratenen Präsidenten: Sie dürfen wie normale Beamte keine Geschenke annehmen.

Am Wochenende verstärkte sich der Druck auf Welteke. Solange der Präsident seine Amtsgeschäfte ruhen lasse, solle ihm - wie bei einem Disziplinarverfahren gegen Beamte - das Gehalt gekürzt werden, verlangte Unionsfraktionsgeschäftsführer Volker Kauder. Der SPD-Wirtschaftsexperte Klaus Brandner forderte Welteke im Bremer "Kurier am Sonntag" zum Rücktritt auf. Die Affäre bedrohe die Zukunft der Bundesbank, deren Sinn sich vielen Politikern nach dem Ende der D-Mark immer weniger erschliesst: Ihre eigentliche Aufgabe, die Steuerung der Geldpolitik, hat seit 1999 die Europäische Zentralbank übernommen.

"Die Bundesbank ist heute eine reine Verwaltungsbehörde, bei der drei statt acht hochbezahlten Vorständen vollständig ausreichen würden", sagt ein hochrangiger Fachmann aus dem Bundesfinanzministerium. Der SPD-Wirtschaftsexperte im Bundestag, Christian Lange findet: "Wir sollten kritisch prüfen, ob wir uns weiter eine derart aufgeblähte Behörde mit einem achtköpfigen Vorstand leisten wollen - schließlich gibt es heute die EZB."

Obwohl Regierung, Opposition und Bundesbank-Spitze unentwegt von der Bedeutung der "Unabhängigkeit" der Institution Bundesbank reden, betreiben sie im Kampf um die Welteke-Nachfolge harte Parteipolitik. Die Union will unbedingt Vize-Präsident Jürgen Stark durchsetzen. Die Bundesregierung favorisiert Caio Koch-Weser, SPD-naher Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Beobachter meinen, dass im Machtkampf um die Bundesbank auch die persönliche Abneigung zwischen Eichel und Welteke eine wichtige Rolle spielt. In den 70er-Jahren musste der damalige Kasseler Oberbürgermeister Eichel bei Welteke, damals finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, um Geld betteln. "Bild am Sonntag" zitiert einen gemeinsamen Weggefährten: "Eichel kam immer nach Wiesbaden und jammerte uns die Ohren voll, weil Kassel immer klamm war."


Eichel und Welteke Nachtrag vom 13. April, 2004 (Quelle Spiegel): In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung" meinte Eichel, er halte es für "nicht für hinnehmbar, dass der oberste Repräsentant der Bank, der ja auch Aufsichtsfunktionen wahrnimmt, sich und seine Familie von einer zu beaufsichtigenden Bank einen Kurzurlaub finanzieren lässt". Ein solches Verhalten verstosse gegen den Verhaltenskodex der Europäischen Zentralbank. We woll eine "schnelle und für das Ansehen der Bundesbank konsequenten Lösung" der Affäre. Eine Änderung des Bundesbank-Gesetzes hält Eichel aber nicht für notwendig. Die Unionsparteien wollen die Hotelkosten-Affäre des Bundesbank-Präsidenten und deren Hintergründe vor den Deutschen Bundestag bringen. Allerdings startet die Opposition damit einen Angriff auf das Finanzministerium. Es wird auch vermutet, dass die Informationen vom Finanzministerium illegal beschafft und weitergegeben worden sind. Dazu müssten Finanzminister Hans Eichel und sein PR-Berater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle im Ausschuss Auskunft geben. Die "Bild"-Zeitung und "Welt am Sonntag" hatten berichtet, aus Eichels unmittelbarer Umgebung - möglicherweise von Schmidt-Deguelle - könnten Informationen über Weltekes Hotel-Rechnung weitergegeben worden sein. Die Sache soll Kampeter zufolge eventuell auch das Parlamentsplenum beschäftigen. Schmidt-Deguelle und das Finanzministerium haben bereits alle Vorwürfe als unbegründet zurückgewiesen.


Welteke Nachtrag vom 17. April, 2004: Welteke zurückgetreten: Als bekannt wurde, dass Weltecke eine weitere pikante Einladung angenommen hatte ist Welteke zurückgetreten. Der Chef der Notenbank hatte sich im Frühjahr 2003 zu einem Formel-1-Rennen auf Kosten des bayerischen Automobilkonzerns BMW nach Monacco einladen lassen. Der Interessenkonflikt ist da, weil BMW eine eigene Bank betreibt, die von der Bundesbank beaufsichtigt wird. Der Spiegel berichtet: "Der Bundesbank-Chef speiste, zusammen mit Ehefrau Bettina, in der Villa Rothschild, er schlief auf der "Sundream 1", einer Luxusyacht mit Pool, Bars und Suiten. Und das Rennen betrachtete er von einer großflächigen Sonnenterrasse, direkt unter der von Fürst Rainier." Die BMW Einladung ist problematischer als "der letzte Tanz" auf der Silvester Party, weil die Europäische Zentralbank, deren Rat Welteke in seiner Funktion als Bundesbank-Präsident angehört, Mitte 2002 einen Ehrenkodex verabschiedet hat, demzufolge Ratsmitglieder keine Geschenke annehmen dürfen.
Spiegel online fasst zusammen: Der 61-jährige Welteke stand seit 1999 an der Spitze der Bundesbank und gehörte auch dem EZB-Rat an. Mit Welteke verliert erstmals in der Geschichte der 1958 gegründeten Bundesbank ein Präsident wegen Kritik an seinem Verhalten sein Amt. Der bisher einzige Rücktritt war der von Karl Otto Pöhl. Er hatte sich 1990 mit Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) überworfen, da er die deutsch-deutsche Währungsunion abgelehnt hatte.
Welteke


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