Kurz vor den Bundestagswahlen debattierten die Spitzen der vier
grössten Parteien in einer Fernsehdebatte. Obwohl Alice Weidel von
allen andern Teilnehmern angegriffen und damit voll im Gegenwind stand,
war es erstaunlich, wie sie mit Ruhe und souveränem
Auftreten punktete. Immerhin wurde die zweitstärkste Partei Deutschlands
erstmals zu so einer Runde eingeladen. Bis jetzt wurde die AfD bewusst bei
Auftritten ausgeklammert. ARD, ZDF und Co. waren sich in dieser Hinsicht
einig. Mich interessierte es, wie die deutschen Medien dieses Quadrell
beurteilten. Ich beachtete vor allem das Spannungsfeld: Alle gegen Eine.
Merz musste immer wieder beteuern, dass die Union nach der Wahl auf keinen
Fall mit der AfD zusammenarbeiten werde. (Nachdem die AfD das Engagement
von Merz für geschlossene Grenzen unterstützte, wurde dem CDU
Chef "Zusammenarbeit mit den Rechten" unterstellt). Im Quadrell wandte
sich Merz direkt an Weidel: "Sie sind eine rechtsradikale Partei, zum
grossen Teil rechtsextremistisch." Die AfD stehe "ausserhalb dessen, was
diese Bundesrepublik Deutschland in der Substanz braucht". Weidel wies
diese Ässerungen als "unverschämt" zurück und bemängelte
"ein unverschämtes Framing gegenüber der Alternative für
Deutschland", denn sie sei "eine freiheitlich konservative Partei".
Die guten Reaktionen von Alice Weidel werden in Nachlesen der
deutschen Presse offensichtlich ausgeklammert. SRF erwähnte hingegen
auch die guten Reaktionen der AfD-Chefin. Wie empört Weidel auf
Scholz' Hinweis auf den Nationalsozialismus reagiert hatte, klammerte
die deutsche Presse weitgehend aus. Weidel: "Diesen Vergleich finde ich
skandalös. Den weise ich für mich persönlich und für
die gesamte Partei zurück."
Die unverblümten Anschuldigungen des Bundeskanzlers entgegnete
Weidel erstaunlich ruhig und sachlich - aber bestimmt:
"Sie können mich hier heute Abend beleidigen, wie Sie wollen. Sie
beleidigen damit Millionen von Wählern."
Die zwei berechtigten ernsthaften Argumente Weidels wurden von den
Gegnern hochnäsig belächelt, obschon die AfD auf zwei
zentrale Probleme hingewiesen hatte, die in den nächsten Jahren
von grösster Bedeutung sein werden. Der Gedanke, dass wir nicht
mehr ausgeben dürfen, als wir einnehmen, dies passte den Gegnern
der Schuldenbremse gar nicht. (Viele deutsche Politiker teilen die
Meinung, dass Deutschland sich weiter verschulden müsse. Geld
sei genügend vorhanden.) Nachdem bekannt wurde, dass Trump den
dreijährigen Ukrainekrieg nicht militärisch unterstützen
würde, vertreten heute viele deutsche Politiker die Meinung, dass Europa
jetzt gefordert sei. Europa müsse zusammenstehen und aus der
Position der Stärke, müsse Putin dazu gezwungen werden,
die Ukraine zu räumen. Wenn heute verlangt wird, dass Europa bei
Ukrainekrieg nun allein, geeint in voller Stärke abschliessen muss,
ist Weidels Bemerkung nicht abwegig. Sie machte bewusst, dass die geplante
Konfrontation letztlich heissen könnte: Europa und damit Deutschland
würde die Hand bieten zu einer weiteren Eskalation des Krieges.
Fazit: Die Viererrunde wird nach meinem Dafürhalten keine grossen
Auswirkungen auf den Wahlausgang haben.
Nachtrag:
Am Sonntagabend habe ich auch noch die Runde mit Miosca mitverfolgt. Da
waren sich alle einig (es fehlten kritische Stimmen): Alle waren sich einig, dass die
Deutschen sich nicht von aussen beeinflussen lassen dürfen. Wir müssen
uns nicht von Vance sagen lassen, dass eine Bevölkerungsgruppe
nicht ausgegrenzt werden darf. Europa habe nun beschlossen den
Ukrainer zu helfen. Ich fühlte mich in einem falschen Film.
Ich glaubte nicht richtig gehört zu haben: Deutschland müsse
gegenüber den USA hart bleiben. Europa habe heute das Heft in
die Hand zu nehmen. Europa sei jetzt verpflichtet, geschlossen -
aus der Position der Stärke - Putin in die Schranken zu weisen.
Es gelte nun, schnell zu handeln. Kein Wort des Zweifelns. Keine
Stimme, die auf Gefahren einer solchen Politik hingewiesen hätte.
Einmal mehr war es eine eiseitig zusammengesetzte Gesprächsrunde bei Miosca.
Mir kam es vor, als sässen kriegsbegeisterte an einem Tisch, die zu allem bereit sind. Es
fehlt nur noch der Schlachtruf: Seid ihr bereit für einen Krieg
gegen Putin? Wer sich heute mit dem grauenhaften Krieg in der Ukraine
beschäftigt, der bereits drei Jahre dauert, (der zweite Weltkrieg
dauerte nur doppelt so lang), müsste alles tun, damit es rasch zu
einem Frieden kommt und ein Flächenbrand verhütet werden kann.
Fakt ist: Die Russen gewinnen zur Zeit an Boden. Ohne einen grossen
europäischen Krieg kann Putin nicht mehr aus der Ukraine vertrieben
werden. Europa gegen Putin ist ein falscher Ansatz. Die Tausende von
Toten und Schwerverletzten, die völlig zerstörten Städte
brachte schon viel zu viel Leid. Als sich die Runde bei Miosca einig
war: "Wir brauchen keine Verhandlungen, wir brauchen Verbündete"
liess mich dieser Gedanke erschaudern. Es klang für mich nach:
Lieber einen Waffengang eines geeinten Europas gegen Angreifer Putin,
als ein Frieden mit Konzessionen. So etwa, wie es Trump angedeutet hat:
mit einer Friedenstruppe, die den Waffenstillstand überwacht.
Drei gegen eine. Scholz, Habeck, Merz wollen eine Brandmauer gegen Weidel.
Eine Woche vor der Bundestagswahl in Deutschland haben sich die
vier Kanzlerkandidaten der grossen Parteien eine harte Debatte vor
laufenden Kameras über die anstehenden Weichenstellungen für
das Land geliefert. In der zweistündigen Fernsehrunde der Sender
RTL und NTV ging es um die Migrationspolitik, den Ukraine-Konflikt,
die Wirtschafts-, Steuer- und Energiepolitik " und um den Umgang mit der
AfD, deren Kanzlerkandidatin Alice Weidel in der Runde am Sonntagabend
erstmals direkt in einem solchen TV-Format auf ihre Mitbewerber traf.