Am Donnerstagabend haben sich die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, AfD und Grünen
im Fernsehen
in der Sendung "Klartet"
Fragen des Publikums gestellt.
ZDF Chefredakteurin Bettina Schausten und Heute Moderator Christian Sievers
hatten durch die Sendung geführt.
Wir wollen hier bewusst machen, dass nicht nur die politische
Gesinnung, die Parteizugehörigkeit die Wahl eines Kandidaten
oder einer Kandidatin beeinflusst. Wichtig ist auch die Ausstrahlung
die Überzeugungskraft, die kommunikative oder
medienrhetorische Kompetenz. Die Glaubwürdigkeit einer Person ist
entscheidend. Kanzlerwahlen sind vor allem Persönlichkeitswahlen.
Ein paar Gedanken zur Frage: Wie ticken die vier Kanzlerkandidaten: Habeck, Scholz,
Merz und Weidel?
Wie wirkt Robert Habeck?
Die ständigen Sorgenfalten auf der Stirn des Grünen
Kanzlerkandidaten machen den Eindruck, als würden ihn ständig
Schmerzen plagen. Der deutsche Spitzenpolitiker, der die gescheiterte
Ampelpolitk mit prägte, wirkt in Gesprächen kumpelhaft. Er ist
"auf Du" mit den "Menschen" und stets darauf bedacht, dass sich das
Gegenüber wohl fühlt. Zu seinen kommunikativen Stärke
zählt: Aufmerksames Zuhören. Immer wieder fällt sein
verständnisvolles Gesicht auf, wenn er vermitteln will, dass
ihn nichts aus dem Lot bringen kann. Auch äusserlich gibt er sich
gerne als "Macher" mit hochgekrempelten Aermeln. Habeck trug früher
gerne Wollpullover mit Schals. Dann mutierte der Wirtschaftsminister
vom grünen alternativen Outfit zum Politiker mit schnittiger
schwarzer Kleidung. Der oberste Knopf der weissen Hemden ist bei
ihm geöffnet. Die Haare wurden kürzer, den Bart liess er
wachsen. Er ist offensichtlich darauf bedacht, sich als "Tatmensch" zu
präsentieren.. Das Gegenüber betrachtet er vielfach von unten -
mit leicht gesenktem Kopf. Psychologen behaupten, dass ein Mensch, der
seine Kehle mit dem Kinn abdeckt, sich schützen will oder darauf
bedacht ist, alles unter Kontrolle zu haben. Weil Habeck"gefällig"
wirkt, hatte er schon 2018 eine überdurchschnittlich hohe
Medienpräsenz. Er ist auch einer der wenigen Politiker, der ohne
Spickzettel frei reden kann. Als Pazifist liegt es dem Kanzlerkandidaten
nicht, mit grobem Geschütz zu kämpfen. Seinen Ehrgeiz, seinen
Machteifer tarnt er mit einer leidvollen aber emotionalen Zuwendung.
Er hat das politische Vokabular in Deutschland emotionalisiert. Auch
legt sich Habeck nicht gerne fest. Zu seinem Vokabular gehört:
"Jein", "Entscheidungen haben Schattenseiten." Er kann sich aber auch
problemlos einer ungehobelten Umgangssprache bedienen. Seine Stimme
klingst meist etwas belegt und wirkt sanft, einschläfernd, mit wenig
Intonation. Denkbar, dass seine Stimmfarbe bei Frauen besser ankommt,
als bei Männern.
Wird "Scholzomat" nochmals Kanzler?
Olaf Scholz war nach dem Ende der Ampel abgeschrieben. Den faden
Auftritten des Kanzlers (er bekam deshalb den Beinamen "Scholzomat")
fehlt das notwendige Herzblut. Er politisiert meist ohne Ecken und
Kanten. Es fehlen mutige, visionäre Ideen. Sein krampfhaftes
Bemühen, kraftvoll aufzutreten, wirkt eher kontraproduktiv.
Er verbreitet Langeweile. Mit dem Vorteil: In heissen Situationen wirkt
Scholz beruhigend. Das war für mich bei der letzten Kanzlerwahl
der Hauptgrund, dass er für viele etwas Staatsmännisches
vermittelte. Scholz hat nach seinem Tief bis heute wieder erneut
gepunktet. Dennoch sehe ich für ihn kaum Chancen für eine
Wiederwahl. An Scholz haftet zu viel Ampelmief.
Wie tickt Favorit Friedrich Merz?
Merz ist der Gegenentwurf zu Merkel. Er polarisiert. Seine bissige,
ungeschminkte Rhetorik eckt an, wird aber auch gelobt. Merz zeigt Kante
und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sein überbordendes, robustes
Selbstbewusstsein wird immer wieder als Arroganz ausgelegt. Twitter
schreibt von "überheblich." Spannend finde ich das
Stärken-Schwächen Profil von Friedrich Merz.
Merz ist ein brillanter Rhetoriker. Seine Auftritte überzeugen
(Ausdruck, freie Rede, einfache, verständliche Sprache, kurze
Sätze). Als Redner wurde er mehrfach ausgezeichnet (goldenes
Mikrofon, deutscher Rhetorik-Preis). Merz schaffte das ohne Coach
und ohne Video-Training. Als Oppositionsführer verstand er es,
die Ampel-Regierung vor sich her zu treiben. Dank deren Streitereien
und Uneinigkeiten hatte er leichtes Spiel. Im Parlament wird hingegen
seine Bissigkeit von vielen als süffisant, ironisch empfunden.
Ob es Merz an der notwendigen "Impulskontrolle" fehlt? Er ist
jedenfalls dünnhäutiger und impulsiver, als er nach
aussen wirkt. Wahrscheinlich hat Merz ein Sympathieproblem.
Wenn er lacht, wirkt das oft aufgesetzt. Sein Lachen kommt nicht
von Herzen. Schlimm, wenn Lächeln etwas Geringschätziges
vermittelt. Bei Kommunikationsprozessen wirkt es besonders negativ,
wenn der Gesprächspartner gleichsam "ausgelacht" wird. (Harris
lässt grüssen). Weil Merz wenig lächelt, wirkt er wie
ein Sorgenonkel. Der Kandidat hat ein zu hohes Sprechtempo. Ich habe
immer den Eindruck, Merz versucht jede emotionale Regung zu vermeiden.
Als Merz im Privatflieger zur Hochzeit von Finanzminister Christian
Lindner auf Sylt fliegt, fliegt ihm der alte Vorwurf um die Ohren:
arrogant, abgehoben, elitär.
Bei den Formulierungen fällt die Sequenzierung der Gedanken auf.
Merz hat eine besondere Pausentechnik. Folgendes Beispiel aus einem
Video veranschaulicht dies: ""¦"¦liegt über Jahre über dieses
Land - wie ein Nebelteppich - die Untätigkeit - und die mangelnde
Führung durch die Bundeskanzlerin - legt." Der bildhafte Gedanke
wird mit Pausen in kurze Untersequenzen aufgeteilt.
Seine Körpersprache sagt: "Für mich ist alles
sonnenklar." Leichtes Schulterzucken, leichtes Kopfschütteln. Die
nach unten gezogenen Mundwinkel vermitteln dem Publikum: Der andere
liegt offenbar ganz falsch. Als denke Merz: "Ich kläre das gerne,
du hast es wohl einfach noch nicht verstanden."
Alice Weidel wohl chancenlos.
Obwohl chancenlos, wurde von ihrer Partei Alice Weidel zur
Kanzlerkandidatin gekürt.
Alice Weidel darf als Co-Vorsitzende der Partei "Alternative für
Deutschland" von den erstaunlichen Wahlerfolgen für sich eine
Scheibe abschneiden. Sie ist überzeugt, dass ihre Kandidatur
berechtigt ist. Wenn jeder fünfte Deutsche AfD wählt, mutiert
die Rechts - Partei eigentlich zu einer Volkspartei und dürfte
wohl nicht länger von den Medien ignoriert werden. Trotz fehlender
Unterstützung will Weidel nach den Erfolgen mit der Kandidatur
den den Anspruch ihrer Partei unterstreichen. Bisher versuchte sie ihr
Privatleben aus der Oeffentlichkeit herauszuhalten. Auf dem Parkett legt
die promovierte Oekonomin grossen Wert auf seriöses Auftreten: In
der Regel mit dunkelblauem Blazer oder Rollkragenpulli, Hose oder Rock,
weissem Hemd und Perlenkette. Die blonden Haare stets mit einem strengen
Dutt. Sie hat die Fähigkeit, zwei Gesichter zu zeigen. Obschon
sie recht scharf auszuteilen versteht, wirkt sie bei ihren Auftritten
unterkühlt. Medien finden positive Zuschreibungen wie: "gescheit",
"seriös", "fokussiert", "intelligent", aber auch "streng". Denn
die Politikerin kann herrisch, teils verachtend wirken, wenn sie Gegner
im Plenum zurechtweist. In Interviews spricht sie eher gedehnt und
ruhig. Ihre Stimme befindet sich in einer zu hohen Resonanzebene,
was leicht verbessert werden könnte. Für Weidel heisst
"Führung"nicht, sich unbedingt beliebt zu machen. Aber, falls
notwendig, auch schwierigere, unangenehmere Entscheidungen zu treffen.
Kritiker lassen kein gutes Haar an ihr. Im "zdf heute"wurde sie als
"egozentrisch" und "arrogant" beschrieben. Zitat: Sie hat nicht umsonst
den Spitznamen "Eisprinzessin". Vorgeworfen wird der AfD-Politikerin
mitunter Inkompetenz, und dass es ihr vor allem vorn sein will.
Anhänger loben hingegen Weidels Intelligenz, ihre Belastbarkeit
und ihr erstaunliches Durchsetzungsvermögen.
Bei der Wahl bleibt sie wohhl nach wie vor chancenlos.
Unprofessionelle Moderation
In diesem Klartext sah man ein Musterbeispiel, wie nicht moderiert werden darf! Es geht
mir nicht um die Manipulation bei der Auswahl der Fragesteller,
noch um die fragwürdige Auswahl des Publikums. Er geht vor allem um
den Profijournalisten Christian Sievers, der im Gegensatz zu Kollegin
Bettina Schausten bei Alice Weidel die Fassung verlor. Er unterbrach die
Kandidatin ständig und es kam soweit, dass er plötzlich genervt,
anstatt zu moderieren, sich zum Fragesteller hinsetzte und als dessen
Anwalt agierte. Statt zu moderieren, begann er gegen die ihm missliebige
AfD Chefin heftig zu argumentieren. Weil er Weidel nicht destabilisieren
konnte, hat er wohl die Fassung verloren. Anstatt sich aus dem Konzept
zu bringen, nahm die Kanzlerkandidatin Anteil am Schicksal einer Frau,
die befürchtete, ausgewiesen zu werden. Weidel erkundigte sich, wie
lange die eingewanderte Frau schon in Deutschland weile. Der Moderator
stoppte sofort Weidel, sie dürfe keine Fragen stellen. Diese
entgegnete freundlich, sie interessiere sich für diesen Fall. Als
sich dann zeigte, dass die Frau schon zwei Jahre in Deutschland lebt, gut
deutsch spricht und Steuern bezahlt, überraschte Weidel das Publikum
mit folgender Aussage: "Wenn jemand arbeitswillig ist, sich integriert,
deutsch gelernt hat, darf aus unserer Sicht bleiben. Die AfD will nur
kein illegalen Kriminellen, die ausgeschafft werden müssten."Das
brachte Sievers in Rage. Weil sein Konzept nicht aufging, unterstellte
er der Kanzlerkandidatin, ein unredliches Spiel zu spielen. Als der
Fragesteller ein Vertreter der "Willkommkultur" ebenfalls behauptete,
Weidel lehne doch alle "Fremden" ab, antwortete Alice Weidel erneut
sachlich aber bestimmt: "Sie haben mir wohl nicht zugehört,
Fachkräfte, die sich integrieren sind uns willkommen."
Moderieren heisst, andere zum Reden zu bringen.
Einseitigkeit von ZDF
Auch der ZDF Beitrag
"Scholz, Merz, Habeck und Weidel im Check" hatte illustriert,
wen das ZDF bevorzugt. Beispiel: Im Faktencheck wird bei Weidel beanstandet, dass
nicht 6 Atomkraftwerke abgestellt wurden, sondern 3+3 Atomkraftwerke in zwei
Schritten abgestellt worden sind. Auch das Publikum wirkte eher Weidel-feindlich. Schon
vor einer Woche haben Medien und Politiker das ZDF
für
die Auswahl des Publikums kritisiert. Man hatte in der Wahlsendung "Schlagabtausch" zwei
Unis als Zuschauer angeschrieben. Das ZDF musste damals auf Anfrage der "Bild" eingestehen, dass
es zu einseitigen Reaktionen gekommen sei. Auch bei der gestrigen Sendung "Klartext" wurde man das Gefühl nicht
los, dass das Publikum nicht gerade representativ war.
Der Moderator Sievers konnte seine persönliche politische Einstellung nicht kontollieren.
Die zweite Moderatorin Schausten war viel professioneller.