Die FDP hat ihre Kampagne für das Wahljahr lanciert. Darunter auch dieses Bild: Zu sehen sind
Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sich auf einer Strasse festgeklebt
haben. Im Hintergrund Autos - darunter eine Ambulanz - denen der Weg
versperrt wird. Über dem Bild ist der Slogan zu lesen "Anpacken
statt ankleben". Das Pikante: Das Sujet wurde mithilfe künstlicher
Intelligenz (KI) erstellt. Die Situation hat so also nie stattgefunden.
Reakationen: Vor allem
das Blaulicht im Bild irritiert viele. Im Netz ist von "Fake News" die
Rede. Adrian Michel, Wahlkampfleiter der FDP, zeigt sich überrascht
über die negativen Reaktionen. "Bildmontagen sind bei Wahl- und
Abstimmungsplakaten gang und gäbe. Wir adressieren mit dem Motiv
stattfindende Blockade-Aktionen einer radikalen Gruppierung."
Politanalyst Mark Balsiger kritisiert dieses Vorgehen jedoch: "Es ist
Basiswissen, dass man sich nicht auf das politische Terrain des Gegners
festkrallen sollte. Die meisten werden beim Bild als Erstes an Renovate
Switzerland denken." Die Reaktion des Bündnisses, das sich für
thermische Sanierungen einsetzt, fällt denn auch süffisant aus:
"Renovate Switzerland freut sich, dass die FDP die Klimakrise ernst
nimmt." Balthasar Glättli, Parteipräsident der Grünen,
stört vor allem der politische Stil. "Statt Lösungen zu
präsentieren, schlägt die FDP auf den politischen Gegner ein",
sagt er gegenüber SRF.
Darum ist das Thema brisant: Peter G. Kirchschläger, Ethikprofessor
an der Universität Luzern, kritisiert die "frei erfundene" Blockade
einer Ambulanz und fügt hinzu: "Die Forschung zeigt, dass Fake
News als Texte und insbesondere als Bilder viel länger bei Menschen
wirken und hängenbleiben als echte News." Ein weiterer Faktor: die
Kostenfrage. Der Aufwand für einen nationalen Wahlkampf kann rasch
mehrere Hunderttausend Franken betragen. Der Einsatz von KI könnte
hier ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Kaum jemand wird in der Lage sein, die Fakes zu enttarnen. Das ist enorm
gefährlich. Autor:Mark Balsiger Politanalyst Balsiger schlägt
in die gleiche Kerbe: "In kurzer Zeit lassen sich mit KI ausgezeichnete
Bilder in guter Qualität generieren, die knifflige Arbeit mit
Bildbearbeitungsprogrammen entfällt. Kaum jemand wird in der
Lage sein, die Fakes zu enttarnen. Das ist enorm gefährlich." Die
US-Forscher Robert Chesney und Danielle Citron sprachen 2019 gar von
einem "Lügenbonus", der entstehen könne. Politikerinnen und
Politiker könnten sich aus der Verantwortung ziehen, indem sie die
Schuld für problematische Aussagen auf die KI schieben.
So geht es weiter: Die Regulierung der politischen Werbung wird in der
Schweiz den Kantonen überlassen. Es bestehen keine Institutionen,
die nationale Kampagnen überprüfen würden. Auf dem Plakat
der FDP ist ein kleiner Zusatztext angebracht, der den Einsatz von KI
erkennbar macht. Doch den hat die Partei freiwillig platziert. Balthasar
Glättli will darum einen Ethikkodex einführen für den
Einsatz von KI in der politischen Kommunikation. Man stehe im Austausch
mit den anderen Parteien, erklärt er gegenüber SRF.
Der Blick über die Schweiz hinaus: Das Thema gibt auch international
zu reden. Im April haben die US-Republikaner einen TV-Spot lanciert,
der mit KI-generierten Bildern gefüllt war. Darin zu sehen:
dystopische Szenen, die das Land unter US-Präsident Joe Biden
zeigen sollen. Die Demokraten haben daraufhin einen Gesetzesentwurf im
Parlament präsentiert, der den Einsatz von KI im Politmarketing
regulieren will.
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