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www.rhetorik.ch aktuell: (04. Mar, 2023)

Sprachpolizei auf Kinderbuechern

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Wer ein elektronisches Kinderbuch vom Autor Roald Dahl besitzt, wie zum Beispiel "Charlie und die Schokoladenfabrik" wird vermutlich nicht bemerken, dass die Sprachpolizisten sich hineingenistet haben und Worte wie "Dick", "Haesslich" oder "Verrueckt" ersetzten.

Der Autor Roald Dahl wird sich wahrscheinlich im Grab herumdrehen. Es gab in den Medien einen Aufschrei der Entrüstung und Beschwichtigungen wie in der New York Times wo man meinte, dass die Änderungen minim und so unwichtig seien.

Es geht hier aber um mehr: es handelt sich um Verfälschungen von Originaltexten. Wenn solche Änderungen akzeptiert werden, wo hört es auf mit Zensur oder Manipulation. Vielleicht sollte man es einfacher einfach Betrug nennen. Wenn schon, dann müsste beim Kauf ganz klar markiert sein, dass das Produkt abgeändert worden ist.


Aus Tonline:
Beseelt von zweifelhaftem Weltverbesserertum haben die Leute von der Bertelsmann-Verlagstochter angekündigt, Roald Dahls Bücher "umzuschreiben". Dafür haben sie eigens "sensible Leser" eingestellt, die die Texte "prüfen" und "modernisieren" sollen, damit diese "auch heute noch von allen geschätzt werden können". Schon Hunderte Änderungen am Originaltext haben sie vorgenommen und neue - nicht von Dahl stammende - Passagen hinzugefügt. So darf der fette Augustus Glupsch in "Charlie und die Schokoladenfabrik" nun nicht mehr "fett" sein, sondern muss "riesig" genannt werden. Weil beleibte Leser dies sonst als verletzend empfinden könnten. Die "kleinen Männer" namens "Oompa Loompa" in der Schokoladenfabrik müssen künftig "kleine Leute" sein. Geht schliesslich nicht, dass da nur Männer genannt werden, wo die Menschheit doch bekanntermassen zur Hälfte aus Frauen besteht! Auch das Wort "weiblich" wird aus Dahls Werken herausgestrichen. Mittlerweile gibt es angeblich ja schon drei, vier oder sogar noch mehr Geschlechter. Um auch wirklich alle anstössigen Passagen auszuradieren, hat sich der Verlag von einer ominösen "Organisation für Inklusion, Diversität und Barrierefreiheit" beraten lassen. Nun mag es Leute geben, die im Eifer der Sprachmissionare nur eine zu vernachlässigende Schrulle sehen. Ich sehe darin eine gefährliche Grenzüberschreitung. Wehret den Anfängen, erst recht am heutigen Tag der Muttersprache! Sprache ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von Buchstabenkombinationen zur Verständigung. Sie ist Kunst, sie ist Genuss, sie ist formvollendete Schönheit. Wer so denkt, erleidet beim Lesen der zensierten Sätze körperliche Schmerzen. So wie der Schriftsteller Salman Rushdie, der den Verlagsleuten entgegenschmetterte, sie sollten sich schämen.

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