Lernenden fehlt laut
"20 Minuten" nicht nur an Kenntnissen in Deutsch
und Mathematik, sondern auch an den einfachsten Umgangsformen. Sie
benehmen sich Kunden gegenüber wie mit Gleichaltrigen. Früher
konnten Schulen und Lehrbetriebe damit rechnen, dass im Elternhaus
Manieren vermittelt werden. Heute sind jedoch viele Eltern
tagsüber abwesend. Kinder können gut oder schlecht erzogen
werden. Folgenschwer ist es aber auch, wenn gar nicht erzogen wird. In
der Arbeitswelt gelten andere Regeln als in der Jugendgruppe. Lernende
müssten für den Berufsalltag gerüstet sein. Ab
Frühjahr 2023 sind für nun Knigge-Kurse geplant. Gespräche
mit Kunden und Vorgesetzten werden simuliert und analysiert. Dank des
prozessorientierten Vorgehens möchte man Defizite reduzieren.
Die Schulen sind heute nicht in der Lage, alle Erziehungsaufgaben
der Eltern zu übernehmen. Lehrkräfte wurden mit vielen
Zusatzaufgaben belastet. In meiner langjährigen Tätigkeit
bei der Schweizerischen Lehrerfortbildung konnte ich feststellen,
dass viele Lehrkräfte fähig sind, die Jugendlichen dennoch
auf das Leben vorzubereiten und Spielregeln hinsichtlich Manieren und
Ordnung beizubringen.
Respekt und Anstand sind nicht angeboren, sie müssen
langfristig erworben werden. Das ist aufwändig. Nichts gegen den
Knigge-Kurs. Bleiben wir uns aber bewusst: Personen, die Jugendliche
betreuen, können dazu beitragen, dass sich gute Umgangsformen
gefestigt werden. Dazu braucht es aber Energie, Konsequenz,
Durchstehvermögen und die viel gepriesene Vorbildfunktion.
Die Vorbereitung für das Leben nach der Schulzeit bleibt ein
langfristiger Prozess. Alle Bezugspersonen sind somit gefordert. Gute
Manieren können wir uns nur angewöhnen, wenn sie verinnerlicht
werden. Ein Knigge-Kurs allein genügt nicht. Jede Begrüssung
ist schon ein Lernfeld: Jugendliche müssen sich des ersten Eindruckes
bewusst werden (Blickkontakt, Körperspannung, Händedruck). Auch
die Kleiderfrage kann bereits in der Schule thematisiert werden. Die
Kleidung sollte der jeweiligen Situation angepasst werden. Wer
Kundenkontakt hat, darf sich nicht so kleiden, dass der Kunde lieber
den Laden verlässt, als von einem ungepflegten Berater bedient zu
werden. Bei einem feierlichen Anlass ist ein Trainingsanzug ebenso fehl am
Platz, wie an einem Sportanlass ein feierlichen Anzug. Die Maxime lautet:
Vom anderen aus denken. Ordnung, Hygiene und Sauberkeit müssten
eigentlich im Lehrbetrieb selbstverständlich sein. Der Ordnungssinn
kann sehr früh geweckt werden, bis das Aufräumen des Spiel-
oder Arbeitsplatzes zur Gewohnheit wird. Viele schlechten Verhaltensweisen
können wir kaum mehr ändern, weil das Negative zur Gewohnheit
geworden ist. Auch Positives lässt sich automatisieren, sodass es zur
Selbstverständlichkeit wird. Das gilt für alle Umgangsformen,
auch bei der Kommunikation. Die Grundregeln beim Telphonat (Namen
deutlich aussprechen, Anliegen auf den Punkt bringen und auf der Combox
oder auf dem Telephonbeantworter die Rückrufnummer wiederholen). Auch
die E-Mail Regeln können wir lernen wie das Lesen und Schreiben.

Bekanntlich haben andere Länder andere Sitten. Aber der alte Spruch,
dass man mit dem Hut in der Hand durchs ganze Land kommt, ist in unserer
Zeit noch gültig. Auch wenn mittlerweile auch kein Unterschied mehr
zwischen Mann und Frau oder Jung und alt besteht, ist es doch schön
zu sehen, wie dann einen vom anderen z.B. die Türe aufgehalten wird.
Ausserdem dürfen wir uns fragen, ob die Behauptung zutrifft,
dass der zivilisatorische Fortschritt mit einem sittlichen Zerfall
einhergeht. Es darf erfreulicherweise festgestellt werden, dass im
Geschäftsalltag viel gemerkt haben, dass sie sich selber schaden,
wenn sie nicht wissen, was sich gehört. Gute Umgangsformen werden
heute als Zeichen der Kompetenz erkannt. Höflichkeit, Rücksicht
und Respekt ist das Prinzip, das jede Benimmregel bestimmt.