
Meist versuchen Politiker nach gravierenden Fehlern zu schweigen. Sie
beschönigen oder wollen Probleme aussitzen. Leider übernehmen
nicht alle Führungskräfte die Verantwortung für Fehler.
Sie entschuldigen sich selten.
Jonas Fricker
hat den Auschwitz-Skandal
überstanden (er hatte 2017 Tiertransporte mit den Massendeportationen
nach Auschwitz verglichen). Er hat sich damals entschuldigt und ist als
Parlamentarier überraschend schnell zurückgetreten. Heute zeigt
sich, dass er damals klug gehandelt hat. Wer sich entschuldigt, blockiert
in der Regel weitere Schuldzuweisungen. Wer Verantwortung übernimmt,
beweist nicht Schwäche, sondern Führungsstärke. Heute
kandidiert Fricker erneut für den Nationalrat. Er hat grosse Chancen,
wieder gewählt zu werden.
Der grüne Nationalrat trat auf Druck der Medien zurück. Er
ging über die Bücher und will nun zurück auf die
Politbühne. Fricker handelte damals richtig. In der Sonntagszeitung
wurde er gefragt: Warum tun Sie sich das an? Er antwortete mit einer
passenden Analogie: "Letzten Winter hatte ich einen Velounfall und
brach mir die Schulter. Deswegen gebe ich doch das Velofahren nicht auf!
Ich fahre künftig bloss vorsichtiger. Auch wenn ich einen grossen
Fehler gemacht habe, möchte ich mich nicht aus dem politischen
Leben verabschieden. Ich will mich einbringen, wo ich der Gesellschaft
am meisten nützen kann. Mit meinen Erfahrungen und meinem Wissen
ist die Politik der richtige Ort."
Eine gut bedachte Antwort! Der Vergleich ist medienrhetorisch
geschickt. Die Analogie ist bildhaft, narrativ und leuchtet ein.
Dass er künftig vorsichtiger fahre zeigt, dass er als Medienopfer
etwas gelernt hat. Der Naturwissenschaftler versteht es, für
sich zu werben, ohne aufdringlich zu wirken. Im Laufe des Interviews
gesteht er den alten Fehler ein. Er betont, Fehler dürfe man
nicht ausradieren, sondern müsse sie stehen lassen und daraus
lernen. Dies überzeugt. Er schildert, dass der absurde Versuch
verschiedener Medien, ihn als Antisemiten abzustempeln, schwer
getroffen und verletzt habe. Er musste lesen, was völlig falsch
waren. Auch durch die Schilderung der negativen Erfahrungen mit unserer
Mediendemokratie punktet Fricker. Dass er während seiner Rede einen
Fehler gemacht hatte, sei ihm noch am Rednerpult bewusst geworden. Nur
ein paar Minuten nach dem Auftritt habe er sich entschuldigt. Kurz
darauf auch beim Schweizerischen Israelitischen Gemeinbund, der die
Entschuldigung annahm. Erstaunlich war für mich, dass die Spitze
der grünen Partei den eigenen Nationalrat fallen liess, Fricker
hingegen dem grünen Gedankengut treu geblieben ist. Dies zeigt
einmal mehr: Loyalität und Solidarität sind nur gegenseitig
hilfreich. Menschen dürfen Fehler machen (Fehlerkultur). Eine echte
Entschuldigung darf nicht ignoriert werden. Die Frau von Jonas Fricker
(Sie ist Professorin für politische Kommunikation) hat wohl ihren
Mann professionell beraten. Gemäss Interview hat sie jedenfalls den
Ehemann ermuntert, die Krise als Wendepunkt und Lernmoment einzuordnen.
Aber auch Medienbeobachter können etwas von Jonas Frickers Verhalten
lernen. Bleiben wir uns auch in heikeln Situationen unseren Werten treu.
Wir müssen nach Fehlern nicht die Segel streichen. Doch lohnt es
sich, den Mediendruck zu reduzieren und Medienauftritte zu nutzen.